Und in Bölsches großem zweibändigen Spreewaldroman „Die Mittagsgöttin“ taucht unvermutet im Verlauf eines Gesprächs dasselbe Land- schaftsbild auf:
„Übrigens, kennst Du die Mark, die kleinen Seen, jenseits Erkner?“ „Wenig. Warum?“
„Dachte. Es ist meine Gegend. Grünheide. Ich bin dort zu Hause, mein’ ich. Ich bin lange nicht mehr dort gewesen ... Sieh Dir den Ort an, wenn Du mal hinkommst. Rechts und links ein blauer See, wie zwei Augen. Der Ort dazwischen. Oben steigt die Landzunge bergan. Da ist der Kirchhof, ein paar Birken, die der Wind zerzaust, die Gräber ganz am Scheitel, liegen so, daß man beide Seiten überschaut. Etwas tiefer, schon am Kiefernwald, ist das Schulhaus ... Du mußt im Spätsommer hingehen, wenn die Erika blüht. Den Bahndamm lang ist’s am schönsten, ein einziger flammender Streif... 28
Diese Landchaftsbilder sind so intensiv gezeichnet, daß man, selbst wenn die Ortsnamen fehlten, deutlich spürt: diese Landschaft ist im Kreis der Freunde um Gerhart Hauptmann persönlich konkret erlebt worden. Mit Hauptmanns 1889 erfolgtem Wegzug aus Erkner gingen auch die Wege der Freunde mehr und mehr auseinander. Hauptmann kehrte zwar in den 90er Jahren noch mehrmals besuchsweise zurück, wohnte dann bei seinem Freund Dr. Georg Ashelm in unmittelbarer Nachbarschaft zu seinem ehemaligen Wohnhaus — er hat Ashelm als Georg Rasmussen in „Atlantis“ ein Denkmal gesetzt —. Er erfuhr von seinem späteren Schwager Moritz Heimann, der in Kagel bei Grünheide wohnte, das Motiv zum „Roten Hahn“, doch die so hoffnungsvoll gewesene literarische Epoche des Ortes Erkner und seiner Umgebung war unwiderruflich zu Ende, und die bekanntere Zeit des Friedrichshagener Dichterkreises begann schon 1890.
Mit leiser ^ehmut unternahm es Bölsche Jahrzehnte später, Rückschau zu halten, und er beschwört noch einmal die Erkneraner Anfangszeit Hauptmanns, wenn er schreibt:
„Wenn ich in den folgenden Jahren (nach 1889, d. Verf.) meinen Schritt gelegentlich wieder zu dem einsamen Hause der fortgewanderten Sonne in Erkner richtete, so amüsierte mich der Witz des Weltkobolds. In den Räumen, wo die große Philippika gegen den Alkohol ,Vor Sonnenaufgang“ entstanden war, hauste ein Restaurant, und just da, wo der Schreibtisch im Arbeitszimmer gestanden hatte, verschenkte man vom Büffet... alle ... jene Getränke, die das furchtbare Schicksal des Bauern Krause und seiner Tochter ... unzweifelhaft verschuldet hatten.“ 29 Kaum überschaubar ist in den folgenden fünf Jahrzehnten der Kreis von Dichtem, Schriftstellern und Künstlern geworden, mit denen Hauptmann Freundschaft oder zumindest geistigen Austausch verbunden hat. Wie ein roter Faden jedoch zieht sich durch sein ganzes Leben der enge Kontakt mit den ehemaligen naturalistischen Stürmern und Drängern, die ihn in der Erknerzeit auf dem mühevollen und doch so überraschend erfolgreichen Aufstieg begleitet haben, den er von dem ein-.
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