Heft 
(1975) 22
Seite
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von Publikum und Presse alsbeste Grille ... seit vielen Jahren ... 4 - gefeiert. Ein Anstellungsvertrag kam jedoch zur bitteren Enttäuschung der Schauspielerin nicht zustande. Es ist anzunehmen, daß der Wider­stand von Seiten Hülsens zu groß war. Er war keinesfalls bereit, eine seiner besten Kräfte freizugeben und sich damit gegen die öffentliche Meinung der Theaterkundigen Berlins zu stellen. Fontane, der Paula Conrads Sorgen kannte, machte kein. Hehl aus seiner Meinung, als er anläßlich des Gastspiels der Schauspielerin Charlotte Baste 50 in einer Rezension zu der Frage eines möglichen Abganges der Conrad eindeutig Stellung bezog:Ich weiß nicht, ob es beabsichtigt ist, Fräulein Baste an Stelle von Fräulein Conrad, von deren Abgang so viel gesprochen wird, zu engagieren. Sollt es wirklich der Fall sein, nun so wirQ es auch so gehn, und die Königliche Bühne, die den Tod Döhrings und das Ausscheiden Kleins ertragen mußte, wird auch den Verlust Fräulein Conrads ertragen können. Aber ein Verlust ist es, ein Verlust, den Fräulein Baste ganz außerstande ist zu balancieren. An Fräulein Conrad ist eigentlich nur eines zu tadeln, wenn man es einen Tadel nennen kann: ein naiver, übrigens durchaus nicht aus Unbescheidenheit her­vorgehender Glaube, daß ihr eine Mission zugefallen und die deutsche Bühne zu nicht unwesentlichem Teile für sie da sei. Sie hat sich nicht richtig einrangiert und der einfachen Tatsache nicht genugsam Rechnung getragen, daß schließlich Lear und Macbeth oder Götz und Egmont, um das mindeste zu sagen, ähnliche Ansprüche zu erheben haben, wie Puck oder das ,Kind des Glücks 1 oder ,Sie hat ihr Herz entdeckt*. Es mag dies übertrieben klingen und ist es auch, aber im wesentlichen trifft es die Sache. Fräulein Conrad berechnete nicht scharf genug die Kleinheit des Kreises, in dem ihr Talent steht. Aber, und dies muß immer wieder gesagt werden, innerhalb ihres Kreises ist sie groß. Sie gehört zu den ganz wenigen, die nicht durch Zufall oder Schlimmeres in die Kunst hineingeraten sind; sie hat ein ganz bestimmtes Gepräge, das ihr eigen­stes Eigentum ist, und das sie vor Verwechslung mit ihren Konkurren­tinnen sichert. Alles an ihr ist apart, pikant, graziös, und zwar von jener das Humoristische, ja fast das Komische streifenden Grazie, die nicht nur am meisten interessiert, sondern auch am längsten dauert. Fräulein Conrad ist eine künstlerische Schöpfung der Natur und nur ein mal da; Fräulein Baste ging aus dem Kunsthandwerklichen hervor und findet sich in einer Menge von Exemplaren . 51

Die Conrad blieb am Schauspielhaus. Ihr ungewöhnlicher Schaffensdrang, ihre intensive Beschäftigung mit der kleinsten Rolle fanden unvermindert Anklang und Anerkennung. Im Laufe der nächsten Jahre erschloß sich ihr trotz aller Hindernisse ein neues Betätigungsfeld durch die Über­nahme der klassischen Dienstboten- und Zofenrollen.

Sie spielte die Maria in ShakespearesWas ihr wollt nach Fontanes Meinungso gut, daß man das Wort nicht vermißte 52, die Dorine in MolieresTartuffe, die Franziska in LessingsMinna von Bamhelm und nach dem Tode Hülsens unter dessen Nachfolger Hochberg 53 unter anderem die Toinette in Molieres LustspielDie gelehrten Frauen;

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