darüber hinaus zahlreiche Dienstmädchenrollen in zeitgenössischen Lustspielen, die sie durch treffende Charakterisierung, durch Temperament und Humor zu unverwechselbaren Gestalten machte. Ihre besondere Domäne waren die Hosenrollen, in denen ihre künstlerische Vielseitigkeit, ihre mitreißende Frische und Natürlichkeit, gepaart mit unerschöpflicher Phantasie und nie versagender Gestaltungskraft, immer neue Triumphe feierten.
Die Unentbehrlichkeit der Conrad für den Spielplan des Schauspielhauses, machte sich die Intendanz durch die besonders häufige Beschäftigung der Schauspielerin finanziell zunutze. Belanglose und minderwertige Theaterstücke wurden durch die Mitwirkung der Conrad lebendig und interessant. Die Künstlerin war zum „Schwarm aller Schauspielhausbesucher“ y ‘ geworden, und um Paula Conrad in ihren berühmen Rollen als Puck, als Franziska, als Dorine oder Toinette, als Wildenbruchs „Lachegott “ 55 oder als Shakespeares „Lanzelot Gobbo “ 56 zu sehen, strömte das Berliner Publikum in den achtziger und neunziger Jahren des vorigen Jahrhunderts in das Hoftheater am Gendarmenmarkt.
Wiederholt wies die Presse auf die Unstimmigkeit zwischen den hervorragenden künstlerischen Leistungen der Conrad und den oft unerheblichen dramatischen Vorlagen hin. Längst war Fontane durch die persönliche Bekanntschaft mit der Schauspielerin zu der Überzeugung gelangt, daß nur die starre Haltung und der mangelnde künstlerische Unternehmungsgeist auf Seiten der Generalintendanz für die Conrad Barrieren waren, die es ihr unmöglich machten, „die Kleinheit des Kreises, in dem ihr Talent steht “ 57 zu überwinden. Seine Begeisterung über die ausgezeichnete Verkörperung des Wolfgang in dem Lustspiel „Gegenüber“ von Roderich Benedix 58 nahm er zum Anlaß, um eine Erweiterung des Rollenkontingents für seinen „Liebling “ 59 zu fordern: „Den Wolfgang... gab Fräulein Conrad und mehrte durch ihre vorzügliche Darstellung dieser Partie die Zahl ihrer Verehrer. Die junge Künstlerin in übermütigen und strudelköpfigen Backfischrollen ä la ,Sie hat ihr Herz entdeckt“ bewundert zu sehen, ist längst herkömmlich geworden; immer wiederkehrende derartige Triumphe aber umschließen eine Gefahr, weil sie die Vorstellung von einem begrenzten und nur nach einer Seite hin liegenden Talente wecken. Das Talent Fräulein Conrads aber ist keineswegs auf ,Tilli‘ und was ihm anverwandt und zugetan ist beschränkt, .wofür diese höchst gelungene Knabenrolle mal wieder den vollen Beweis erbrachte. Fräulein Conrad kann in der Tat viel andres noch (beispielsweise Kätchen, ja selbst Rollen aus der leidenschaftlichen Sphäre), und man sollte nur mal, auch nach dieser Seite hin, den Mut des Versuches haben. Wenn man mit sechs Fuß Material Versuche macht, kann man es auch mal mit vier Fuß wagen. Die Dänen haben ein Nationallied ,Der Kleine“ oder ,Das Lob des Kleinen“; dessen sollte man sich auch zugunsten des Fräulein Conrad entsinnen und zugleich der Tatsache, daß es nicht heißt: .Jeder Fuß ein König“, sondern: .Jeder Zoll ein König “.“ 90
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