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In das Faible,, das Fontane für Paula Conrad empfand, konnte er guten Gewissens ihren Verlobten einbeziehen. Die Beziehung Fontanes zu der Schauspielerin war mit den Jahren noch enger und herzlicher geworden. Paula Conrad sandte kleine Aufmerksamkeiten zu den jeweiligen Ge- burts- und Feiertagen und wurde zu Diners und Festlichkeiten im Hause Fontane geladen. Schon 1881 hatte die Künstlerin Fontane zum Geburtstag mit einer Fotografie, die sie in der Rolle der „Hedwig“ zeigte, eine seiner „glücklichsten Theaterstunden ins Gedächtnis zurückgerufen“ 73 und mehrmals bedankte sich der Dichter für Blumen- und Pralinensendungen :
„Herzlichsten Dank für das schöne Einbindsel. Wie die Zeit fortschreitet! Früher band man sich sein Stück Brot ins Tuch und ging in die Welt hinaus. Jetzt kommt einem das Tuch ins Haus und mit Blumen drin ... “ 7, ‘ „Ihr wundervolles Bouquet zu meinem Geburtstage hat mich geradezu beschämt; herzlichsten Dank. Ihn mündlich, wenn Sie uns hoffentlich bald durch Ihren Besuch erfreuen, wiederholen zu können, wird mir eine große Freude sein. Heute Abend wird das Schauspielhauspublikum viel Beifall und Liebe für seinen Liebling haben und so soll es bleiben durch das neue Jahr hin...“ 75 „Den ,promessi sposi' dieser Saison meinen Dank und die herzlichsten Glückwünsche zum neuen Jahr, die meine Frau vorhat (Martha reist Sonntag) in der nächsten Woche zu wiederholen ... Hoffentlich kommen jetzt für Sie etwas ruhigere Tage, ,etwas' sag ich, denn zu ruhige sind auch nicht gut, am wenigsten für die Hochzeits- und Ausstattungskasse. Dem Herrn Bräutigam meinen Dank für seine freundlichen Zeilen; er wird einverstanden sein, daß ich einen Umweg wähle, der dem einfachen Worte noch seinen Charme leiht..." 7li
Die Frische und Lebendigkeit, mit der Paula Conrad Fontane von der Bühne herab entzückte, machte sie ihm auch privat zu einer angenehmen Gesprächspartnerin. In einem Brief an den Freund Paul Heyse 77 entschuldigte sich Fontane wegen der Kürze seines Schreibens mit der Gesprächigkeit der Künstlerin: „Frl. Conrad, die sogenannte ,kleine Conrad' vom Kgl. Theater, war eben bei uns, runde drei Stunden nach • der Uhr von Shrewsbury, und hat mir diesen für mehrere Briefe bestimmten Abend beinah total weggeplaudert. Übrigens sehr nett und liebenswürdig wie immer, so daß von Ärgerlichsein keine Rede sein kann. Sie sprach von Gott und der Welt und so denn natürlich auch vom Weltuntergang ... “ 78
Hatte Fontane noch 1871 zu Beginn seiner Kritikertätigkeit in einer Rezension leichten Herzens versichern können, „daß wir ohne Voreingenommenheit, ohne jegliche Sympathie oder Antipathie (was die Personenfrage angeht) an diese Dinge herantreten, daß wir keine Freunde und keine Feinde haben und daß uns lediglich die Sache am Herzen liegt!...“ 79 , so hätte er zehn Jahre später diese Erklärung im Hinblick auf Paula Conrad nicht mehr so ohne Einschränkungen abgeben können. Die allgemein bekannte Vorliebe Fontanes für „die kleine Conrad“ und
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