das Vergnügen, das er in ihrer heiteren, geselligen Gegenwart empfand, wurde von seiner Tochter Martha mit leichtem Argwohn betrachtet. Es ist zu vermuten, daß Mete Fontane die urwüchsige, humorvolle und temperatnentvolle Art der Conrad nicht wie Fontane als echt und ursprünglich empfand, sondern immer unter dem Gesichtspunkt der Wirkung einer Schauspielerin auf ihr Publikum sah. Hinzu kam auf Martha Fontanes Seite sicher eine gewisse Eifersucht auf die gleichaltrige junge Künstlerin, die sich so mühelos einen sicheren Platz im Herzen des geliebten Vaters erobert hatte. Paula Conrad dagegen war empfindsam genug, diese Vorbehalte zu spüren, die sie bisweilen unsicher und gehemmt erscheinen ließen.
„Die kleine Conrad war sehr nett, vielleicht weil sie sich ohne Deine Kontrolleuraugen fühlte... “ 80 kommentierte Fontane in einem Brief 1889 an seine Tochter ein großes Diner in seinem Hause, das ohne Martha Fontane stattgefunden hatte. Metes Erwiderung ist nicht erhalten, aber aus Fontanes unmittelbar folgendem Schreiben geht deutlich hervor, mit welchen Einwänden Martha gegen die Schauspielerin argumentiert hatte: „Mit der Conrad hast Du ganz unrecht. Du... nimmst Dein Urteil und Dein Sentiment als das normale. Ich habe auch Urteil und auch Sentiment und bin gar nicht einzufangen. Am wenigsten kann ich durch Lob bestochen werden. Übrigens lobt sie mich nicht, sondern ist eine kleine leidenschaftliche, kratzbürstige Person, die mir, nach der ersten Ibsenaufführung, einen vier Bogen langen Brief schrieb, der sich kaum mit sonst üblicher Artigkeit deckte...“ 81
Der erwähnte Brief Paula Conrads an Fontane ist leider ebenfalls nicht erhalten, da aber die humorige und verständnisvolle ausführliche Antwort des Dichters an die Schauspielerin vorliegt, ist eine Rekonstruktion des vorangegangenen Geschehens ohne weiteres möglich.
Paula Conrad hatte in der am 5. März 1889 erfolgten Aufführung von Henrik Ibsens Schauspiel „Die Frau vom Meere“ die Rolle der Hilde Wangel gespielt, eine Figur aus dem Werk eines umstrittenen, modernen Dramatikers, die ihr endlich eine neue Perspektive für ihre Gestaltung von Backfisch- und Naivenrollen zu eröffnen schien. Für die mit hingebungsvollem Eifer und intensivem Bemühen gespielte Rolle erwartete die Schauspielerin daher mit besonderem Interesse die Reaktion der Presse, das hieß in erster Linie: das Urteil Fontanes. Dessen ausführliche Kritik aber bezog sich — bei einem noch weitgehend unbekannten Stück durchaus verständlich — auf den Inhalt des Werkes, so daß die Wertung der schauspielerischen Leistung zu kurz kam. Die begreifliche Erregung der Conrad über die nichtssagende Beurteilung „Daß die Damen Frau von Hochenburger und Fräulein Conrad als Bolette und Hilda reizend waren, bedarf keiner Versicherung. .. “ 82 wußte Fontane mit seiner liebenswürdigen und sachlichen Antwort zu beschwichtigen.
„Mein gnädigstes Fräulein.
Es ist mir sehr leid, Sie nicht selbst gesehn und gesprochen zu haben. Denn was meine Damen, besonders meine Tochter, Ihnen gesagt haben
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