Heft 
(1975) 22
Seite
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war der vom jungen Schlentherschen Paare, beide klug und liebens­würdig wie immer; ihre Hochzeitsreise, die bis Venedig ging, war glatt verlaufen ... 91 .

Die innere Übereinstimmung, die Fontane mit diesen beiden Menschen empfand, die absolute Wahrheit und Echtheit ihrer Gefühle und Intentionen, brachte der Dichter immer wieder in Briefen an die Freunde zum Ausdruck:Zu Hause traf ich dann Schlenthers und freute mich ihrer. Beide, er wie sie, haben ein Recht zu sein, sie sind etwas und bieten etwas ..."

Fontanes Erkenntnisich bin die originellere Natur und stehe mehr auf eignen Füßen 93 hinderte den Dichter nicht, in seinem Selbstvergleich mit Schlenther, dessen Können und Talente, fast in Unterschätzung der eigenen Fähigkeiten, zu würdigen:Schlenther ... ist mir doch in den meisten Stücken sehr überlegen, an Wissen und Gewandheit im Aus­druck gewiß, auch wohl an Witz und Schärfe... 9 '' 1

Bezeichnend für die innere Haltung Fontanes ist seine neidlose Anerken­nung, mit der er den raschen und mühelosen Aufstieg des -jungen Kol­legen verfolgte:... es mag in Deutschland drei oder vier Literatur­professoren geben, die angesehner, einflußreicher und besser bezahlt dastehen, jedenfalls sind es wenige; die Mehrzahl steht an Einfluß und Lebensfreude weit hinter Schlenther zurück, der gerade, durch seine Stellung, ein höchst interessantes großstädtisches Leben führt... ft '

Es fiel Fontane nicht ein, gemessen an seinem eigenen ermüdenden Streben nach literarischer Bestätigung und seinen Kämpfen um finan­zielle Unabhängigkeit, die Relativität von Wert oder Unwert von schrift­stellerischer Alltagsproduktion und dichterischem Schaffen in Betracht zu ziehen.

Als...unendlich liebenswürdig und geradezu herzlich... 96 empfand der Dichter Besprechungen seiner Werke durch Paul Schlenther, in dessen -Kritiken er sichwie in einem Spiegel 97 sah.

Im Herbst 1892 hatte Fontane,kaum wieder Mensch 96 , mit der Auf­zeichnung seiner Kinderjahre begonnen undunter dem Antrieb einer zur Eile mahnenden Stimme 99 war er nicht nur mit seiner Niederschrift gut vorangekommen, auch seiner Gesundheit hatte die konzentrierte Arbeit wohlgetan. So sprach aus seinem Geburtstagsgruß an Paula Schlenther-Conrad vom Februar 1893 fast schon wieder der alte Kavalier:

Hochverehrte Freundin.

Das wäre nun eine wundervolle Gelegenheit mich mit einem Veilchen­strauß in der Hand bei Ihnen einzuführen und unter Handkuß und Gratulation zugleich meine Neugier über eine Doppel-Künstlerwohnung mit Papagei und leider nicht mehr Zwergeule zu befriedigen. Aber es hapert überall, die Beweglichkeit stockt und selbst die PlauderhaftigkeH versagt. So empfangen Sie denn schriftlich meine herzlichsten Geburts­tagswünsche, voran den, daß Ihnen das Glück verbleiben möge, das das letzte Jahr für Sie aufgebaut..." 100

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