Heft 
(1968) 7
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und Du antwortest am Montag. Der heutige Brief und Deine Antwort darauf sind nur eingeschobene Extras. Derartige Anweisungen finden sich zu Dutzenden, meist sind sie allerdings in den bisherigen Briefaus­gaben gestrichen worden. Gelegentlich setzt Fontane sogar andere Brief­partner unter moralischen Druck, um sie zu einer bestimmten Regel­mäßigkeit in der Korrespondenz zu zwingen. So schreibt er an Wilhelm von Merckel:Da mir sehr daran liegt, daß mein Alter das einliegende Briefchen erhält, so bitt ich Sie herzlich darum, mich gleich mit einer Zeile wissen zu lassen, ob dieser Brief angekommen ist. Bin ich am Montag ohne Antwort, so weiß ich, daß er das Schicksal so manchen Vorgängers geteilt hat. Was blieb Merckel anders übrig, als den gefor­derten Brief umgehend zu schreiben!

Dieses streng organisierte System des Briefwechsels mag für seine Freunde mitunter lästig gewesen sein, allerdings wurden sie durch Fon­tanes eigene Briefe auch reichlich entschädigt. Denn er war eine Persön­lichkeit von Profil, ein Mensch mit reichen Erfahrungen, sicherem Urteil und einertiefen, so recht aus dem Herzen kommenden Humanität wenn man dieses Wort über den alten Stechlin auf den Dichter über­tragen darf. So präsentiert er sich in seinen zahllosen Briefgesprächen immer wieder als ein faszinierender Partner. Er wußte sehr genau um sein Talent, mit dem er ja auch als Schöpfer seiner großen Romange­spräche brillierte.Ich bilde mir ein, sagt er in einem Brief an Martha Fontane vom 24. August 1882,daß nach dieser Seite hin eine meiner Forcen liegt und daß ich auch die Besten (unter den Lebenden die Besten) auf diesem Gebiet übertreffe. Meine ganze Aufmerksamkeit ist darauf gerichtet, die Menschen so sprechen zu lassen, wie sie wirklich sprechen. Das Geistreiche (was ein bißchen arrogant klingt) geht mir am leichtesten aus der Feder; ich bin auch darin meine französische Ab­stammung verratend im Sprechen wie im Schreiben ein Causeur, aber weil ich vor allem ein Künstler bin, weiß ich genau, wo die geistreiche Causerie hingehört und wo nicht. Was hier aufSchach von Wuthenow bezogen wird, gilt mutatis mutandis auch für die Briefe, an die Fontane künstlerische Ansprüche stellte.

Ja, was heißt Brief Schreibetalent! fragt er am 25. Juni 1889 seine Tochter.Es ist damit wie mit allem; eine Norm gibt es nicht. Der kleine Notizenbrief kann sehr nett sein, und ich kann mit Vergnügen lesen, daß der Kanarienvogel bei Herrlichs (dies ist aber bloß Supposi- tion, ich will dem Tierchen nichts nachreden) zwei Eier ausgebrütet hat oder daß Fips geschoren wurde, erst halb und dann ganz, oder daß die Mackeldeyschen Mamsells es abgelehnt haben, ein ,schieres 1 Karbonaden­stück zu verkaufen und jetzt auf ruhige Mit-Knochen-Hinnahme be­stehn, aber ich kann doch nicht zugeben, daß diese Form der Briefschrei­bung die alleinseligmachende Kirche sei. Dabei fällt mir ein kleines

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