Zu der charakteristischen Topographie Fontanescher Briefe gehört ein Kuriosum, das ich in diesem Zusammenhang erwähnen muß. Es gibt einen Brief an Bernhard von Lepel vom Jahre 1846, der zunächst mit blauer Tinte horizontal, danach mit roter Tinte vertikal, das heißt quer durch den blauen Text geschrieben ist. Natürlich fehlen trotz dieser ungewöhnlichen Methode, Papier zu sparen, auch hier nicht die eng bekritzelten Ränder, ohne die Fontane nun einmal nicht auszukommen schien.
Auch diese wenigen Hinweise auf Schreibgewohnheiten dokumentieren das Unverwechselbare Fontanescher Briefe, unterstreichen vom Formalen her ihre Spezifik.
Sosehr das Briefschreiben indes eine Art literarischer Tätigkeit für Fontane war, sowenig sind seine Briefe etwa aus der Distanz heraus geschrieben, und sosehr sie als epistolographische Kunstwerke stilisiert sind, sowenig büßen sie an Unmittelbarkeit, Frische und Wahrheit ein. Fontanes Briefe sind bei aller kunstvoll-bewußten Plauderei stets unverfälschter „Aus- und Abdruck einer Stimmung“. Schon 1846 wird Bernhard von Lepel für einen Brief aus Italien gelobt, weil „einem aus jedem Wort der Schreiber leibhaftig vor die Augen tritt“. Und 1851 gibt Fontane seinem Freund Friedrich Witte den ausdrücklichen Rat: „Räsonieren Sie sich doch mal in einem Briefe tüchtig aus; Sie sollen sehn, es wird einem wohler danach.“ Als „Beichten“ dieser Art hat Fontane stets seine Briefe empfunden. „... Du weißt“, heißt es unter dem 17. April 1852 in einem Brief an seine Frau, „ich kann nichts sprechen und schreiben, was mir nicht von Herzen geht.“
Erst diese Einheit von subtiler Briefkunst und intellektueller Redlichkeit macht den eigentlichen Zauber und das menschlich Sympathische Fontanescher Briefe aus. Natürlich medisiert auch er Dritten gegenüber gelegentlich über Freunde und Bekannte, aber eigentlich taktisch bestimmte, wegen irgendwelcher Rücksichten unaufrichtige Briefe hat er nicht verfaßt. Lieber brach er unerquickliche Verbindungen konsequent ab. In diesem Sinne erfüllen Fontanes Briefe ganz und gar die hohen Ansprüche, die Goethe, selbst ein passionierter Briefschreiber, an den Brief stellte. „Briefe“, so meinte er, „gehören unter die wichtigsten Denkmäler, die der einzelne Mensch hinterlassen kann. ... Was uns freut oder schmerzt, drückt oder beschäftigt, löst sich von dem Herzen los, und als dauernde Spuren eines Daseins, eines Zustandes sind solche Blätter für die Nachwelt immer wichtiger, je mehr dem Schreibenden nur der Augenblick vorschwebte, je weniger ihm eine Folgezeit in den Sinn kam.“
Als „dauernde Spuren eines Daseins“ wertete Fontane den Brief auch als Briefleser. „... in meinem eigensten Herzen bin ich geradezu Briefschwärmer und ziehe sie, weil des Menschen Eigenstes und Echtestes
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