Natürlich lassen sich hier nicht einmal die Umrisse jener Themen nachzeichnen. Ich muß mich auf einige Komplexe beschränken, die mir repräsentativ zu sein scheinen.
Ich sprach eingangs schon davon, daß Fontane wohl die meisten seiner Briefe an seine Frau gerichtet hat, die er übrigens als fleißige und talentierte Briefschreiberin sehr schätzte. Es wäre ein reizvolles Unternehmen, Fontanes Ehe in seinen und Frau Emilies Briefen darzustellen. Sie hatten es nicht leicht miteinander, und Verstimmungen, unerquickliche Streitereien, ja ernste Krisen überschatteten so manche Woche, ja manches Jahr. Aber sie wurden nie irre aneinander, was die folgende Briefstelle aus dem Jahre 1876 beweisen möge. „Ich erwarte Dich mit alter Liebe, die ich immer für Dich in meinem Herzen habe, auch wenn ich Dir die bittersten Dinge sage, Dinge, die ich leider auch heute nicht zurücknehmen kann. Denn die Zuneigung ist etwas Rätselvolles, die mit der Gutheißung dessen, was der andre tut, in keinem notwendigen Zusammenhänge steht. Natürlich wird es bei gebildeten Menschen immer dahin kommen, daß die Gutheißung den natürlichen Herzenszug unterstützt und, umgekehrt, wenn sie konsequent ausbleibt, diesen Herzenszug auswurzelt und tötet.“ Beide wußten, daß es weniger die Unzulänglichkeiten des Charakters als die Mißgunst der Verhältnisse, die Unsicherheit der Schriftstellerexistenz waren, die die zermürbenden Reibereien verursachten. „Ich habe nie etwas andres wie Not und Verlegenheit vor Augen gehabt“, heißt es in einem Brief aus London, „und mitunter ist es mir ein Rätsel, daß ich mit einer gewissen Frische über all die Misere hinweggekommen bin. Wie einem Menschen zumute ist, der auskommt, der soviel hat, wie er braucht, diesen normalen Zustand, in dem sich früher alle redlichen Menschen befunden haben, hab ich erst hier kennengelernt.“ Das Thema wird 1859, unmittelbar nach der Rückkehr aus London, wieder aufgenommen. Fontane schreibt an seine Frau, die mit den Kindern noch in London zurückgeblieben ist: „Wenn es doch bestimmt wäre, daß uns dies gute Einvernehmen, das glückliche Verhältnis der letzten anderthalb Jahre erhalten bliebe! Ich würde fest daran glauben, wenn wir hier einer einigermaßen gesicherten Existenz entgegengingen, aber es ist doch mindestens fraglich, ob unsrer eine solche harrt.“
Fontanes Zweifel erwiesen sich als nur zu berechtigt, die Sicherheit blieb aus, und wieder war die schriftstellerische Arbeit die wichtigste Erwerbsquelle der Familie Fontane. Wieder und wieder suchte er seiner Frau seinen Standpunkt zu erläutern, sein Verhältnis zur Familie zu erklären.
Die schwersten Belastungen brachten die siebziger Jahre, als Fontane seine Redakteurstelle bei der Kreuzzeitung und später den Posten eines Ersten Sekretärs an der Akademie der Künste aufgab. Frau Emilie hatte
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