oder ähnlicher Unbill der Rückschlag kommt und wenn die getretene Schlange siegreich nach jener Stelle zischt, wo die überlegene, aber rohe Kraft verwundbar geblieben ist. Mein Herz jubelt stets, wenn ein ge- tretnes Volk, Christ oder Heide, seine Bedrücker niederwirft ... Ich sympathisiere mit dem Widerstand der alten Sachsen, aber ich habe gleichzeitig Respekt vor jenem Kaiser Carol, der mit Blut und Feuer taufte. Das war seine Mission. Diese englische Kattun-Mission aber mit etwas spacken Christentum und Unzucht und Opiumkisten mag auch ein Werkzeug in der Hand des Höchsten sein, aber ich kann mich ebensowenig dafür begeistern wie für die Taten des Schweinetreibers und Quartanerhelden Pizarro.“
Diese Sätze — beiläufig gesagt: der Inhalt eines Briefrandes — hören sich an, als stammten sie vom „alten Fontane“, aber sie stehen in einem Brief vom 20. September 1857 und sind leider noch immer von beklemmender Aktualität.
Gerade die Briefe aus den fünfziger Jahren, die Thomas Mann im Hinblick auf die zweifellos höher entwickelte Briefkunst des späten Fontane als „unbeträchtlich“ bezeichnet hat, werfen ein klärendes Licht auf jenen „Konformismus“, zu dem sich Fontatne aus nackter Existenznot bequemen mußte und den man nicht leichtfertig mit Fontanes angeblichem Preußensängertum identifizieren sollte. Wie erschütternd ist jener Brief vom 30. Oktober 1851, in dem er Bernhard von Lepel mitteilt, er habe sich für 30 Silberlinge der Reaktion verkauft, weil er als anständiger Mensch nicht durchkommen könne. Keinem ist das „bißchen Überzeugungsopfer“ schwerer geworden als Fontane. „Man hat vor den gewöhnlichen Lumpenhunden nur das voraus“, schrieb er am 1. November 1850 ebenfalls an Lepel, „daß man wie der wittenbergstudierte Hamlet sich über seine Lumpenschaft vollkommen klar ist.“ Um mit Frau und Kind nicht buchstäblich zu verhungern, mußte er an jenem „Manteuffelschen Hexenbrei“ reaktionärer Politik sozusagen publizistisch mitkochen, wohl wissend, daß er damit seinen Ruf ruiniere. Bei seinen Freunden hat er sich jeweils für derartige offiziöse Äußerungen entschuldigt. „Es bleibt einem nichts übrig, als sich mit dem Geist in die Vergangenheit und mit dem Herzen in den Freundes- und Familienkreis zu flüchten — das geschieht denn auch und geschehe immer mehr. Ich hab es rechts und links und in der Mitte versucht ..., hol’s der Teufel.“
Gleichwohl hatte sich Fontane mit Preußen zu arrangieren. Als Korrespondent Manteuffelscher Zeitungen hielt er sich in England auf, doch seine privaten Briefe aus London sind eine einzige bittere Klage über die „poplige Unteroffizierswirtschaft“ der preußischen Behörden, sind eine literarische Dokumentation über Borniertheit und Bürokratie. Hier — in den aufreibenden Streitigkeiten um eine bescheidene Gehaltszulage,
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