um gerechte Behandlung und Anerkennung seines Talents —, hier liegen die Wurzeln für Fontanes Entfremdung vom Preußentum. Aus der persönlichen Erfahrung eines Mannes, der sich als Preuße fühlte, erwuchs die politisch-weltanschauliche Kritik am Preußentum. Ein Brief an Mathilde von Rohr aus dem Jahre 1870 spricht das unverhohlen aus: „Möglich, daß dergleichen im preußischen Bürokratismus alle Tage vorkommt, aber wenn dem so ist, so ist es mir nur ein Beweis mehr, daß dies wohlgerühmte Zopfpreußentum mit seinem Dünkel, seiner Filzerei und seiner Grobheit wenig paßt zu dem Zuge meines Herzens.
Es ist mir nicht lieb, diesen Brief, der einen Ton anschlägt, wie ihn meine Briefe im allgemeinen nicht haben, so ganz ohne irgendein ausgestrecktes rotes Fähnchen, so ohne ein Zeichen der Freude an Sie gelangen zu lassen. Aber diese letzten acht Wochen mit Krankheit, Ärger, Sorge, Enttäuschung liegen so öde und trist hinter mir, daß ich weit zurückgreifen muß, um wieder bei einer Oase anzulangen.“
Wer Fontanes Briefe im Zusammenhang liest, dem erschließt sich in der organischen Entwicklung eines der bedeutendsten deutschen Schriftsteller des 19. Jahrhunderts ein Stück deutscher Geschichte. Der tatenfrohe Wanderer durch die Mark Brandenburg schreibt im Mai 1860: „Wer den Adel abschaffen wollte, schaffte den letzten Rest von Poesie aus der Welt.“ Aber im jahrelangen Umgang mit ebendiesem Adel stumpft der Optimismus zusehends ab, und als die vierbändigen „Wanderungen“ vollendet sind, beteuert der Autor nachdrücklich, daß man dieses Werk völlig verkenne, wenn man daraus eine „Schwärmerei für Mark und Märker“ ablesen wolle. Er hatte, wie er einmal an Mathilde von Rohr schrieb, im Verkehr mit Hof und Hofleuten ein Haar gefunden. Besonders die Briefe an Georg Friedlaender zeigen, wie die Liebe zu den märkischen Adligen immer empfindlicher abkühlt. Er versucht, seine Vorliebe in „das novellistische Interesse“, in die literarische Gestaltung hinüberzuretten, aber auch dort wird sie ihm unter der Hand zu kritischer Auseinandersetzung. Und was in der erzählerischen Fiktion schon als nachhaltiger Zweifel an der preußisch-deutschen Ordnung erkennbar wird, das spricht der Dichter in seinen Briefen unverblümt als Anathema aus; was sich in „Effi Briest“ und im „Stechlin“ nur mit den Mitteln subtiler Psychologie (als dem — nach Thomas Mann — „schärfsten Minierwerkzeug demokratischer Aufklärung“) sagen ließ, das konnte er Georg Friedlaender in Schmiedeberg und James Morris in London „briefverborgen“ als politische Überzeugung bekennen: seinen Bruch mit dem Adel, seine schroffe Abneigung gegen den Bourgeois (dessen geistige Topographie er so präzise zu fixieren weiß) und seine Sympathien für den „vierten Stand“.
Fontanes politisches Vermächtnis liegt im Zyklus seiner Romane und im Reigen seiner Briefe, und auch seine literarische Position ist am besten
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