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wegen der vollen Netze den See nicht verlassen wollen und sei dann von einem aufsteigenden roten Hahn in die Tiefe gezogen worden. Der reale Kern dieser Sage ist klar. Der Stechlin ist wegen seiner großen Fläche und wegen seiner sich in die Hauptwindrichtungen öffnenden Arme ein hochgradig windexponierter See. Schon bei mäßigem Wind zeigt er einen beachtlichen Wellengang, der sich bei Sturm und Gewitterböen so steigern kann, daß das Befahren des Sees mit einfachen Booten nicht nur unmöglich, sondern geradezu lebensgefährlich wird. Diese Eigenheit des Sees war bereits den slawischen Fischern bekannt, von denen er seinen Namen erhalten hat. Nach den Forschungen des Slawisten Julius Bilek liegt dem Seenamen Stechlin (1530 Steckelin) das slawische Wort -tek „fließen, sich bewegen“ zugrunde. Der Name Stechlin wäre zu übersetzen als „wildes, unruhiges Wasser“, ein zweifellos außerordentlich zutreffender Name. Auch für den roten Hahn läßt sich eine natürliche Erklärung Anden. Auf dem Seeboden bildet sich durch die Verwesung der abgesunkenen organischen Stoffe vielfach das brennbare Sumpfgas (Methan). In alten Zeiten fischte man vielfach in der Nacht beim Schein brennender Kienfackeln. Aufsteigende Blasen von Methan, durch das Netz in der Tiefe freigelegt, dürften sich explosionsartig an den Fackeln entzündet und somit Veranlassung zur Sage vom roten Hahn gegeben haben.
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Wie tief ist der Stechlin? „Er geht 400 Fuß tief und an mehr als einer Stelle findet das Senkblei keinen Grund“, schreibt Fontane. 400 preußische Fuß sind 125 m. Diese Angabe ist falsch. Die eingehenden Tiefenmessungen mittels moderner Echolote ergaben eine größte Tiefe von 68 m. Auch dieser Betrag ist höchst beachtlich. Der Stechlin zählt somit zu den tiefsten Seen des norddeutschen Flachlandes und ist überhaupt der tiefste See der DDR. Da sein Wasserspiegel in einer Meereshöhe von 59 m liegt, reicht er mit seinem tiefsten Punkt noch 9 m unter den Meeresspiegel hinab. Diese beachtliche Hohlform wurde während der letzten Vereisung geschaffen. An der Stelle des Stechlin trafen sich zwei Schmelzwasserströme. Durch sie erhielt der See nicht nur seine eigenartige vierarmige Gestalt, sondern auch, infolge von Auskolkungen im Kreuzungsbereich der beiden Schmelzwasserrinnen, seine ungewöhnliche Tiefe.
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Zu den häufigsten Fragen des fontanekundigen Stechlin-Besuchers gehört die nach dem Dorf Stechlin. „Das langgestreckte Dorf, das sich, den Windungen des Sees folgend, um seine Südspitze herumzieht“, ist jedoch eine Erfindung Fontanes. In neuerer Zeit hat es ein Dorf namens Stechlin am Stechlinsee nicht gegeben. Offenbar hatte Fontane in diesem von ihm so eingehend mit Pfarrhaus, Schule, Schulzenamt, Krug, Kirchhof und Herrenhaus beschriebenen Ort Stechlin ein Dorf am Ufer des Ruppiner
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