hat sich Nürnberger sehr intensiv mit den einschlägigen Fontane-Texten befaßt, und er konnte auch eine Reihe noch unbekannter oder erst jüngst zugänglich gewordener Texte heranziehen, die zwar das Gesamtbild nicht grundsätzlich verändern, aber in den Einzelheiten manches korrigieren und erhellen. In erster Linie ist eines der wichtigsten Dokumente für Fontanes dritten England-Aufenthalt erstmals vollständig einbezogen worden: der zum größeren Teil noch ungedruckte Briefwechsel Fontanes mit Henriette und Wilhelm von Merckel, der sich bekanntlich als Dauerleihgabe der Deutschen Staatsbibliothek Berlin im Potsdamer Fontane- Archiv befindet. (Übrigens stammen auch die im Anhang mitgeteilten Texte, darunter das John-Prince-Manuskript, durchweg aus Archiven der DDR.)
Ein umfangreicher Anmerkungsteil mit Zitaten, Quellennachweisen und vielfältig weiterführenden Angaben, ein Literaturverzeichnis und ein Register ergänzen dieses an Material und Anregungen reiche Buch.
Gotthard Erler
Richard Brinkmann, Theodor Fontane.
Uber die Verbindlichkeit des Unverbindlichen.
München: R. Piper & Co. 1967. 203 S. 8°
Wie nur wenige deutsche Hochschulgermanisten der Gegenwart schien R. Brinkmann zu einem Buch über Fontane vorbereitet und legitimiert zu sein, nachdem er vor zwei Jahrzehnten mit einer — leider ungedruckt gebliebenen — Dissertation „Das Bild vom Menschen bei Theodor Fontane“ 1 debütiert und damit die erste wissenschaftlich ernstzunehmende Hochschulschrift über Fontane seit 1945 in Deutschland vorgelegt hatte, entschieden brechend mit Reminiszenzen an eine nazistische „Weltanschauung“ (in der westdeutschen Germanistik lange Zeit leider keineswegs der Regelfall); nachdem er als Tübinger Ordinarius später mit seinem großen Realismus-Buch hervorgetreten war 2 , in dem es zwar nicht expressis verbis um Fontane ging, viele Linien jedoch auf diesen zuliefen und von „Schülern“ denn auch eilfertig gezogen wurden: keineswegs immer im Geist des fortschreitenden „Lehrers“ 3 . Nun also hat dieser endlich selbst gesprochen. Die Erwartung wurde nicht enttäuscht. Es ist ein zutiefst sauberes, ehrliches und ernstes, aber auch ein schweres Buch geworden, eher einem allmählichen Verfertigen der Gedanken beim Schreiben gleich, nichts von den hurtigen Pointen und kurzen Schlüssen, den Scheinantworten feuilletonistischer Improvisatoren. Daß B. einem von ihnen vor Jahren erlag 4 , hat mit der vorliegenden Leistung nur nach der Lehre vom Gegensatz etwas zu schaffen. Dieser Gegensatz begreift auch B.s Legitimation in sich ein; ablesbar ist sie —
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