von allem anderen noch abgesehen — an einem gerade bei Fontane ebenso verführerischen wie gefährlichen, ebenso leicht wie schwer zu handhabenden Medium, dem Zitat: einem sicheren Kriterium tatsächlich vorhandener Kenntnis. Ausnahmslos jeder Leitgedanke Fontanes wird von diesem zehnmal und öfter formuliert, zumeist in unterschiedlicher Nuancierung, stets in wechselnder Prägnanz und Schärfe. B. zitiert mit Recht oft und lang; daß er fast überall „richtig“ gewählt hat, beweist, was bei ihm „hinter der Szene spukte“, präsent war, ohne präsentiert zu werden. Nochmals: ein ernstes und schweres Buch, einem ethischen Traktat mitunter näher als einer literarisch-ästhetischen Untersuchung: emstzunehmen aber in jedem Falle auch dort, wo kritisches Fragen provoziert wird.
Das Fragen beginnt nicht beim Leser. B. selbst fragt immer von neuem, ja er fragt recht eigentlich mehr, als er antwortet, ersetzt die Antwort durch weitere Fragen und bekennt sich damit zu einer für ihn noch weithin „offenen“ Situation der „Fontane-Renaissance“ (S. 11) unserer Tage, der mit unüberlegten Antworten (die Vergangenheit war voll von ihnen) nicht gedient ist. In der Geschichte dieser Renaissance wird das Buch denn auch zuerst seinen Platz behaupten — als Dokument.
Der Untertitel statuiert eine „Verbindlichkeit des Unverbindlichen“ und somit abermals eine Frage und ein Problem. Was mit der „Unverbindlichkeit“ in puncto Fontane (keineswegs nur hier) von der spätbürgerlichen Wissenschaft angestellt wurde, ist bekannt, und auch B. weiß es genau (vgl. S. 8 f., 31 u. a.), ohne auf diese Position zurückzugleiten. Nur selten fällt bei ihm die Vokabel noch, desto öfter die verwandte des „Relativen“ und der „Relativierung“ (Kernstellen: S. 94 f., 110 f., 114, 116, 152, 170, 178 f., 187). An der Art ihrer Anwendung aber läßt sich erkennen, in welcher Wandlung nunmehr auch die ernstzunehmende bürgerliche Fontane-Forschung begriffen ist. Relativierung bedeutet für B. nicht mehr ein des Scheidens und Wertens unwilliges und unfähiges Quiproquo, eine Negierung und Eliminierung aller objektiven Bezugssysteme. Relativierung bedeutet im Gegenteil die Zurückführung aller „Ordnungen“ auf historische und gesellschaftliche Bedingungen: indem Fontane jene Ordnungen „historisch relativiert, indem er ihre falschen und absoluten Ansprüche zurückweist und negiert, begründet und legitimiert er ihre wahren Ansprüche, ermöglicht ihre Änderung und macht sie frei für eine Wandlung zum Neuen“ (S. 95).
Diesem „Neuen“ fragt nun B. keineswegs mit der wünschbaren Konkretheit nach, weder historisch noch ästhetisch. So kommt es, daß über „Verbindlichkeit“ zwar viel gegrübelt wird, daß aber gerade hier die Antworten ausbleiben — mit Ausnahme etwa der Resümees zu dem kritisch-klugen Kapitel „Weltfrömmigkeit und Säkularisation. Die histo-
374