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rische Balance im Bereich der Religion“ (S. 155—179) 5 , mit Ausnahme auch der (leider nicht leicht verständlichen) Gedanken über die „Bindung des Menschlichen an die geschichtlich-gesellschaftliche Wirklichkeit ..einer so verbindlichen Verknüpfung, daß das geschichtlichgesellschaftlich Bedingte für seinen geschichtlichen Augenblick unver- tauschbares Medium des Humanen wird“ (S. 187 f.).
Die historische Ursache für den Mangel liegt im radikalen Verzicht auf eine genetische Methode, soweit sie mehr ist als ein Fragen nach der Abfolge formaler epischer Strukturen. Ausgeklammert ist der gesamte Bereich, in dem sich subjektive Erfahrung und Erkenntnis objektiver historischer Vorgänge als Entwicklung niederschlägt und schließlich als Entscheidung — ein bei Fontane aufs spannendste und konsequenteste, vor allem aufs folgenreichste ablaufender Prozeß. B. kennt dessen Ergebnisse sehr wohl und unterbreitet die Hauptbelege gewissenhaft und zuverlässig. Aber alles bleibt statisch, und die Darstellung der „Inhumanität ... der Gesellschaft und ihrer tonangebenden Repräsentanten (S. 190) durch Fontane wird zwar registriert, nicht aber erklärt aus einem Nexus von Ursache und Wirkung, von Beginn, Folge und schließ- lichem Ziel. So ist „das Neue“ für B. ein weit abstrakterer Begriff als für Fontane (im Gegensatz zu B.s Meinung; vgl. u. a. S. 26, 83), so droht auch der für Fontane allezeit provokativen Dialektik von Gesellschaft, Geschichte und Gegenwart die Erstarrung im (detailgesättigten!) Akademismus. Am empfindlichsten wird davon betroffen der Versuch einer Rekonstruktion des Anfangsweges von den „Wanderungen“ über „Vor dem Sturm“, „Allerlei Glück“ und die beiden historisierenden Novellen bis zu „Schach“ und „L’Adultera“ (S. 48—74) 6 .
Der ästhetische Mangel hängt aufs engste damit zusammen. B., der im übrigen so differenzierte, beachtenswerte und „humane“ Vorschläge für die Bestimmung von Fontanes „Realismus im Roman“ (S. 41, vgl. u. a. auch S. 94) zu unterbreiten weiß, meint doch gleichzeitig, Fontane sei „in den Grundanschauungen über Realismus in der Dichtung ... durch die Jahre seiner eigenen künstlerischen Produktivität hin einigermaßen beständig geblieben“ (S. 42), und geht mit dieser Behauptung bis ins Jahr 1853 zurück. Da kann freilich von „Entwicklung“ und „Neuem“ keine Rede mehr sein; B. versperrt sich selbst jeden Weg zu einer Antwort auf seine Hauptfrage „nach den Ursachen der Zwiespältigkeit zwischen Fontanes Überzeugungen von den gesellschaftlichen Verhältnissen und Forderungen seiner Ära und dem Bild der Romane“ (S. 47). Aber bestehen denn „Widerspruch“ (S. 32) und „Diskrepanz“ (S. 33, 38) tatsächlich? Die Forschung der letzten Jahre hat so überzeugend gezeigt, welche Funktion der umfassenden Verwendung des Symbols in der reifen Epik Fontanes zukommt — dieser kopernikanischen Wendung zu einem „Neuen“ — 7 , daß sich hier ein Nachweis erübrigt. Wenn Ref.
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