Heft 
(1885) 27
Seite
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Deutsche Noman-Bibliothek.

Hamburger Ruderklub seine Uebungen. In ihren langen, schmalen Booten saßen die jungen, kräftigen Männer, mit nackten, muskulösen Armen die langen Ruder handhabend, am Heck der Steuermann mit goldberänderter Mütze; vorn am haarscharfen Bug flatterten die Fähnchen im Winde. Auf den Wink ihres Kommandeurs formirte sich das Geschwader, machte es seine Evolutionen, bald abschwenkend, bald einschwenkend, bald in Divisionen, bald zu Zweien oder Vieren.

Hunderte von Menschen standen oben am Ge­länder und sahen dem Schauspiel zu die junge Dame dort oben sah unachtsam, träumerisch darüber hinweg.

Ein leiser Zug, der ihren Nacken streifte, die Thür hinter ihr hatte sich geöffnet. Sie blickte sich um.

Herr Justizrath Faber," meldete der Kellner.

Ich lasse ihn bitten, einzutreten," erwiederte sie, trat rasch sich ermunternd vor den Spiegel und fuhr mit der Hand leicht glättend über den Scheitel.

Ein kleiner, ältlicher Herr trat herein, schaute sie an durch seine runden Brillengläser, ein wenig überrascht offenbar, und sprach dann mit einem Tone, dem man einiges Erstaunen anmerkte:

Mrs. Macduff? . .

Mein Name ist Elisabeth Steinfurt," versetzte das Fräulein, sich leicht verneigend.Ich bitte Platz zu nehmen, Herr Justizrath; meine Dame ist nicht ganz wohl, deßhalb hat sie Alles, was sie wünscht, zu Papier gegeben. Sie ist im Besitz eines Briefes von. Mr. Plawuer, ihres Londoner Advokaten, den bittet sie Sie zu lesen. Ich werde in wenigen Minuten wieder zurück sein."

In der That trat das Fräulein mit einem Päckchen von allerhand Geschriebenem und einem großen, sorgfältig versiegelten Brief bald daraus wieder herein.

Es handelt sich vorläufig nur um Placirung einiger Kapitalien in deutschen Werthen," sprach sie, indem sie diese dem Nechtsgelehrten übergab.

Es entspann sich, nach flüchtiger Betrachtung der Schriften, dann ein längeres, geschäftliches Gespräch, welches von dem Justizrath mit einer Gründlichkeit geführt wurde, die die junge Dame aus die Dauer zu ermüden schien, denn etliche Male sah sie un­geduldig verstohlen nach der Uhr an der gegenüber­liegenden Wand.

Endlich erhob sich der Herr, bedauerte, Mrs. Macduff nicht persönlich kennen gelernt zu haben, versprach in den nächsten Tagen wiederzukommen und empfahl sich.

Er war kaum hinaus, als der alte Bursche, der Diener mit dem gefurchten Gesicht und der hohen Halsbinde, hereintrat und neben der Thüre Posto faßte. Steif und unbeweglich blieb er dort stehen, trotz der Hitze in seiner dicken Redingote, nur seine Hellen, kleinen Augen hefteten sich fest aus die Dame.

Was gibt es, John?" fragte diese aufschanend.

Ich habe einen Brief für Sie," versetzte John und brachte mit der eckigen Geste eines Automaten seine rechte Hand zum Vorschein, in deren zugekniffener Faust er ein Papier hielt.

Einen Brief? . . . Geben Sie her!" rief die Dame aufspringend.

Sie nahm dasselbe und öffnete es mit Hast; es war ein Telegramm, kein Brief, ihr Auge über­flog die kurze Zeile und als wäre ein Zauber in derselben enthalten, so wunderbar war die Wirkung, die es hervorbrachte.

John, in einer halben Stunde einen Wagen. Sie fahren mit hinaus nach der Bahn!" rief sie, völlig verwandelt mit einem Male, mit strahlenden Augen und von einer ausfälligen Unruhe und Hast plötzlich befallen.

,,^-ll rlgbtG knurrte der Alte, nicht ohne einige Verwunderung, und schob sich hinaus.

Er war kaum fort, da eilte die Gesellschafterin der Lady Macduff an das Fenster, las das Tele­gramm noch einmal und preßte leidenschaftlich das Blatt Papier an Mund und Herz.

Die Worte, welche sie murmelte, blieben un­verständlich, es war aber klar, daß sie die Nach­richt erhalten hatte von der bevorstehenden Ankunft einer Person, und daß sie diese über Alles lieben mußte.

Eine große Geschäftigkeit erfaßte die junge Dame in Folge dessen; sie klingelte und gab Befehle, die indische Dienerin holte ihren Hut, Mantille und Hand­schuhe. Sie sah dann alle Minuten nach der Uhr und auf die Straße und runzelte die Stirn, weil der Wagen unverantwortlich lauge Zögerte, nach ihrer Meinung.

Endlich fuhr er vor; ohne eine Meldung ab­zuwarten, eilte sie hinunter.

Nach dem Bahnhof!" befahl sie. Der Hotel- Wagen fuhr davon.

Nach einer ferneren halben Stunde dann kehrte derselbe wieder zurück; neben Elisabeth Steinfurt saß noch Jemand in dem weichen Fond, aber derselbe war nicht wie wohl Mancher annahm, ein Mann, sondern eine junge Dame, Marie Werner, die Jugend­freundin der Fremden, die die lange Reise von Wien bis Hamburg nicht gescheut hatte, um diese auf­zusuchen.

Ganz im Gegensätze zu den unendlichen Gepäck­massen der Begum, bestand ihre Bagage nur aus einem mittelgroßen Koffer und einer kleinen Handtasche.

Drittes Kapitel.

In dem eleganten Raume duftete es aromatisch; auf dem Tisch vor dem Divan stand noch das leckere Dessert: auserlesene Früchte, Konfekt, eine Schale mit Eis und Kaffee und eine Flasche Champagner, kaum zur Hälfte geleert.

Neben dem halbverhangenen Fenster, in traulicher Halbdämmerung saßen. die beiden Freundinnen bei­einander in eifrigem Gespräch. Sie hatten sich lange Jahre nicht gesehen und hatten sich viel zu erzählen, die Eine, mit deren Geschick sich bedeutsame und über­raschende Wandlungen vollzogen hatten, ebenso wie die Andere, deren Leben stiller dahingeflossen war. Ein jedes Menschenleben, ob reich oder arm, ist ja von hohem Interesse für Denjenigen, der einen leb­haften Antheil an dem Andern nimmt.