630
Deutsche Noman-Bibliothrk.
„So stand ich armes, hülfloses Ding denn im zartesten Alter mit etlichen hundert Thalern, dem Erlös aus der Versteigerung der Möbel, allein in der Welt und mochte sehen, wie ich mich durchschlug; ich konnte untergehen in dem stürmischen Meere des Lebens, was verschlug es jenen kalten Egoisten. Ich schrieb später einige Male, ich bekam keine Antwort, man wollte die Bettlerin nicht kennen!"
„Abscheulich!"
„Ein Zufall brachte mich, wie Du weißt, zu dem Entschluß, mich der Bühne zu widmen: die Frau meines Vormunds war dramatische Sängerin gewesen in jungen Jahren, sie bewog mich dazu. Man hätte als einzelnes, armes Frauenzimmer, bei etwas Talent und Exterieur, noch die meiste Aussicht, im Leben vorwärts Zu kommen, meinte sie, und so seltsam mir zu Anfang dieser Gedanke vorkam, so neu und märchenhaft, — am Ende schlug ich ein und ging nach Wien, weit ab, denn ich Thörin, ich schämte mich vor meiner Familie, glaubte in meinem Unverstand jener Sippe, die mich ausgestoßen hatte, ein Unrecht anzuthun."
„So ist halt der Mensch! Aber ich bitte Dich, laß Dir's nicht leid sein darum, Lisel, dort fand ich Dich!"
„Ja, dort schenkte mir der Himmel, als Ersatz für Vieles, eine treue, liebe Freundin — Dich!" versetzte Elisabeth mit Innigkeit und küßte zärtlich, und sich an ihrem guten Aussehen weidend, den blonden Scheitel und die Wangen Mariens.
„Die Lehrzeit verging, das Schicksal trennte uns dann; Du bliebst in Wien, ich bekam ein Engagement in Bern. — Ich hatte Muth, denn ich hatte fleißig gelernt, ich fühlte, daß ich etwas leisten konnte, das hob mir die Brust und erfüllte mein unerfahrenes Hirn mit allerhand glänzenden Träumeil von Glück und Schätzen, aber trotzdem, Du weißt es, Marie, wie mein Herz dennoch zagte in schwachen Stunden, wie sauer mir der Abschied wurde und wie so hart die Wirklichkeit hernach mir entgegentrat.
„Es gibt rohe Männer, welche alle weiblichen Wesen, welche sich der Bühne widmen, geradezu wie eine Beute betrachten, auf die sich zu stürzen sie ein gutes Recht haben..."
„Ich weiß davon zu reden . .. Eine Schande ist cs!"
„Dazu die Rohheit einzelner Kollegen..."
„Und der Neid und die Jntriguen gewisser Kolleginnen."
„Die ganze Misere, die die Anfängerin durchzukosten hat, der Schmutz, welcher ihr oft bis an die Brust hinaus reicht, trotz meines guten Naturells, ich war dem ans die Dauer nicht gewachsen.
„Ein Mensch vor Allem war es, welcher mir das Leben beinahe unerträglich machte damals, einer der Bevorzugten, Gebildeten, ein Macho einer der Gesandtschaften, mein eigener Vetter, Egon von Steinfurt, der mich freilich unter dem Namen Lutz, dem Namen meiner Mutter, den ich angenommen hatte, nicht erkennen konnte, um so mehr, da er mich niemals vorher im Leben gesehen hatte, ein leichtsinniger, unedler und bis über die Ohren in Schulden steckender Mensch, der mich mit seiner Zudringlichkeit
und seinen Unverschämtheiten fast zur Verzweiflung brachte. Ich gefiel anfangs in Bern, ach, nur zu sehr! Ich debütirte als Page im Figaro und wurde beklatscht. Ich zitterte vor Freude und Stolz... ich ahnte ja nicht . . . doch genug! Je kälter ich sie abwies, je mehr ich mich, angeekelt, in mich zurückzog, desto weniger klatschte man, desto ab- sprcchender wurden die Kritiken . . . Kabalen und Demüthigungen..."
. „Ich kenne das zur Genüge, Lisel."
„Kurzum, ich schied und ging nach Köln; im nächsten Jahre verließ ich die Bühne ganz, das bescheidene Loos einer Gesellschafterin jenem glänzenden Elende vorziehend. Es machte sich das zufällig: ich war im Sommer, wie ich Dir damals mittheilte, einige Wochen in Godesberg bei Bonn, mit einer mir bekannten deutschen Familie. Dort lebte eine Engländerin, Mrs. Bogham, die Frau eines höheren englischen Militärs, welche die Aerzte hiehergesandt hatten, um sich von den Nachwehen einer schweren Krankheit zu erholen.
„Sie war eine sanfte, liebenswürdige Frau, wir schlossen Freundschaft miteinander, und als sie heimging, bat sie mich, sie zu begleiten. Zum zweiten Male in meinem Leben stand ich vor einem schweren Entschluß — der Rückblick auf die beiden letzten Jahre meines Daseins, die Aussicht, ein fremdes Land zu sehen und meine Neigung für Mrs. Bogham gaben den Ausschlag zuletzt, im September ging ich mit nach London.
„Ich möchte das Alles manchmal als eine besondere Schickung des Himmels betrachten; — hier beginnt nämlich das Märchen meines Daseins, ein bunter Traum, will es mich düuken, in diesen: Augenblicke, wo ich Dich wiedersche, und doch, die Beweise der Wirklichkeit liegen im Bereiche meiner Hand; ich armes Frauenzimmer, das oft nicht wußte, wie es seine Fähnchen für die Garderobe beschaffen sollte, ich gebiete nun über Tonnen Goldes, ein Wink von mir und was ich wünsche, steht da."
„Und Dich freut eS nicht?"
„Ich weiß nicht, Marie ... ich bin noch wie im Traume; ich möchte manchmal aufathmen, das Alles abschütteln, einen dummen Streich machen wie früher, nur um zu fühlen, ich lebe noch, ich bin noch ich, — aber das schwere Gold und die Verantwortung — sie drücken mich nieder, das Lächeln verfliegt, die Sorge hat mich wieder."
„Das ist absonderlich, Lisel, weißt Dn das?... Geh', mach' doch halt einmal einen dummen Streich, probir' 'mal, ob Du lebst, ehe Du den Kopf hängst," rief die hübsche Freundin lebhaft und sah sie auffordernd an.
„Jetzt wag' ich es schon, jetzt Hab'Ich Dich!... Wenn ich auch gewollt hätte, wie sollte ich's ausführen, — allein, unter Larven die einzig fühlende Brust. Seit ich zu Geld kam, habe ich außerdem noch nichts wie Plackerei und Sorge von demselben gehabt, kahlköpfige Advokaten waren meine Courmacher und Bettelbriefe in allen Schattirungen meine biI1st8 ä'amovr, selbst bis hieher verfolgen sie mich."
„Die ,Madame Begumft Besitzerin von ganzen Tonnen Goldes, kann das nicht anders verlangen.
