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Deutsche Noman-Sibliothek.
eivelaene
Roman
von
. Ernst.
(Fortsetzung.)
Vierzehntes Kapitel.
ie drei Herren empfingen die langsam Nahende mit einer Befriedigung, welche ihr beweisen mußte, daß sie sich lange erwarten lassen. Die Maulthiere standen bereit, und bald brach die kleine Gesellschaft unter dem Vortritt einiger laternentragenden Knechte nach den Gedern aus. Die Straße dorthin führte über die Stelle, wo Dibbeh am Morgen mit Assad gesprochen; aber es war zu dunkel, als daß sie Erinnerungen an die Oertlichkeit hätte knüpfen können, als sie vorbeiritt; je weiter sie kamen, desto enger und steiler wurde der Weg, bis endlich die Reiter gezwungen waren, paarweise im Schritt vorwärts zu dringen.
So sehr besorgte das Mädchen, daß ein Zwiegespräch mit Minis oder Henry sie aus der Geistes- stnmpfheit reißen könne, welche sich ihrer zwischen aufregender Erinnerung und entnervender Erwartung wohlthuend bemächtigt hatte, daß sie Carabet zu ihrer Begleitung heranries, obwohl sie seine Gesellschaft sonst nicht eben liebte. Unter seinen breiten Berichten über harmlose Dinge war es ja für sie so viel leichter, sich in dumpfe Träume zu versenkeu, als den verklauselten Gedankengängen ihres praktischen Bruders oder der beängstigenden Mitwissenschaft des unberechenbaren Jankee gegenüber.
Die beiden Vernachlässigten schienen es übrigens nicht ungern zu sehen, daß sie durch den Vorzug, welcher Carabet zu Theil wurde, auf einander angewiesen wurden; der Efsendi suchte eine entscheidende Aussprache mit dem Manne, den er als seinen künftigen Schwager betrachtete; Everett, weit entfernt, sie Zn fürchten, versprach sich viel Vergnügen davon, den überschlauen Orientalen fühlen zu lassen, daß er dem Jankee nicht gewachsen gewesen. Zudem glaubte er angesichts seiner baldigen Abreise sich gestatten zu dürfen, Junis Wellesley's leidenschaftliche Empfindungen für dessen Schwester als offizielles Motiv für den Rückzug ihres Bewerbers zu bezeichnen. Aus Assad anzuspielen, mußte Henry sich freilich hüten, da vorauszusehen war, daß der Maronit alle Hebel in Bewegung setzen würde, Dibbeh vor einem übereilten Schritt zu Gunsten des Barbaren abzuhalten, während Everett aus einen solchen geradezu spekulirte.
Zn Anfang ihres Alleinseins Zeigten sich indeß beide Diplomaten um die einleitenden Worte verlegen. Endlich begann Junis:
„Darf ich fragen, Mr. Everett, welches Resultat
Ihre heutige Unterredung mit meiner Schwester gehabt hat?"
„Alle Wetter, so gut wie gar keines, Mr. Ber- rasch. Miß Grace gab mir verzweifelt wenig Gelegenheit, ihr voll meinen Gefühlen zu sprechen."
„Und es war Ihnen nicht möglich, eine solche herbeizusühren?" sagte Junis beinahe geringschätzfg.
„Den Henker auch, so etwas ist leichter gesagt als gethan. Ihre reizende Schwester, Mr. Berrasch, scheint die töchterlichen Gefühle ebenso ausschließlich zu kultiviren, wie Mr. Wellesley die väterlichen; da ist für einen Dritten wenig zu machen!"
„Wie soll ich Ihre Bemerkung deuten?" fragte der Efsendi, den sein Morgengespräch mit Dibbeh's Pflegevater bereits nachdenklich gestimmt hatte und der aus Henry's Worten nun einen Argwohn herauszufühlen glaubte, welcher ihn bei dem Manne, der zum Gatten seiner Schwester bestimmt war, besonders erschreckte.
„Genau so, wie es Ihrem erstaunlichen Scharfsinn entspricht," war die etwas impertinente Antwort.
„Mr. Wellesley scheint dringend Ihre Verbindung mit seiner Pflegetochter zu wünschen, Mr. Everett; er sprach mir heute, als ich wegen der Schulangelegenheit mit ihm konferirte, davon," lenkte Junis ein.
„Ein wenig zu dringend vielleicht, Mr. Berrasch."
„Der Ton, welchen Sie mir gegenüber jetzt anschlagen, Mr. Everett, weicht sonderbar von dem ab, den Sie letzte Nacht sesthielten."
„Alle Wetter, nicht ohne zwingenden Grund!" steigerte sich Henry absichtlich aus der bisherigen Gelassenheit heraus.
„Darf ich denselben erfahren?" fragte der Andere scharf.
Everett dachte eine kurze Zeit nach. Er hätte den Gegner durch die Mittheilung niederschmettern können, daß Mrs. Wellesley uni Dibbeh's willen die Scheidung von ihrem Manne erstrebe; allein abgesehen davon, daß dieser Umstand Junis vielleicht eine neue Aussicht für seiner Schwester Versorgung eröffnet haben würde, wäre Henry sich dann auch bewußt gewesen, eine Indiskretion gegen die so warm verehrte Cousine Zu begehen. Besser war es, dem Efsendi nur Ausstellungen an Dibbeh's Benehmen zu hören zu gebeu, welche die Verzichtleistung Everett's ans ihre Hand erklären konnten. Daß er darum nicht verlegen zu sein brauchte, dankte der Jankee seinem geschäftigen Hinundhergehen im abendlichen Lager.
„In der Thal," räusperte er sich, nachdem Junis