Heft 
(1885) 29
Seite
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Graf petöfy von Theodor Fontane.

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würd' ich die Gräfin obenan stellen und dann den Pater. O, sie waren Beide charmant und dabei so klug und verbindlich, wie nur vornehme Katholiken sein können. Schon ihre Stimmen..."

Ja, sie haben eine verführerische Stimme, Fränzl! Ich weiß davon. Aber das darfst Du mir nicht anthun und Deinem Pastor-Vater im Grabe nicht, so lau und flau er war, daß Du zu viel auf diese Stimme hörst... Nur auf meine mußt Du hören, wenigstens jetzt, in diesem Augenblick, und die mahnt Dich, daß es auf Mitternacht geht und morgen um zehn Uhr Probe ist. Mach' also, Du mußt ausschlasen."

Aber erst noch unfern Spaziergang, sonst schlaf' ich überhaupt nicht. Und außerdem bin ich abergläubisch."

Hannah brachte Mantel und Kappe, wickelte Franziska darin ein, und nun stiegen Herrin und Dienerin eine nur wenige Stufen zählende Treppe hinaus, die vom dritten Stock aus direkt auf das Flachdach des Hauses führte. Hier standen den Sommer über allerhand Kübel und Topfgewächse, jetzt aber sah man nichts als ein paar Bretterlager! und einen Berg Schnee, den der Wind nach der einen Seite hin znsammengefegt hatte.

Sie gingen ein paarmal aus und ab und sahen aus die Stadt, auf deren verschneite Dächer das Mondlicht fiel. Aus der Ferne her hörte man das Läuten einzelner Schlitten, aller eigentliche Lärm aber schien erstickt unter dem Weißen Tuch.

Und nun traten sie bis an die Brüstung, wo der zusammeugewehtc Schnee lag, und sahen in den Winterhimmel hinaus, der in wundervoller Pracht über ihnen glitzerte.

Sieh', das ist der große Bär. Und da sind wir zu Haus, da liegt unsere Jugend, unsere Kind­heit! Ach, Hannah, es war doch unsere schönste Zeit, als wir noch Abends in den Thurm gingen und die Betglocke läuteten und die Grabsteine der alten Pastoren anstarrten, die mit ihren Ringkragen an den Wänden umherstandeu. Und wenn uns dann der Glockenstrick aus der Hand fuhr und mit einem Mal in die Höhe schnellte, sieh', da war mir's immer, als hätte sich der Gottseibeiuns über unser Läuten gebost und den Strick uns weggezogen."

Ach, rede nicht so, Fränzl; wenn Du so sprichst, dann überdenkst Du jedesmal etwas Tolles oder Thörichtes."

Aber dießmal nicht. Ich überdenke gar nichts. Ich habe nur mit einem Mal eine schmerzliche Sehn­sucht nach dem Kircheuplatz hin, wo wir spielten und uns auf die Holzstümme setzten und Geschichten er­zählten. Und von fernher hörten wir dann das Meer, das draußen rauschte. Mir ist, als hört' ich's noch."

Willst Du zurück?"

Franziska schüttelte den Kopf.Nein, nicht zurück. Eine Sehnsucht ist etwas Anderes als der Wunsch, es wieder haben zu wollen. Was sollt' ich auch da? Mit einer Schauspielerin ist es ein eigen Ding. Im Petöfy'schen Hause gilt sie viel oder vielleicht viel, aber im Hause von Bäckermeister Utpatel, ans dessen Bank wir immer saßen und

Vutterblumenstengel zusammeusteckten, in dessen Hause gilt sie wenig oder nichts. Nein, Hannah, nicht zurück! Aber zurück oder nicht, die Liebe bleibt, und einen Gruß wollen wir wenigstens in die Heimat hinüberschicken."

Und sie nahm eine Handvoll Schnee vom Boden und warf ihn nach Norden zu. Der Nachtwind aber, der ging, zerstäubte den Ball wieder und trug die Krystallchen blinkend durch die Luft.

Fünftes Kapitel.

Einige Wochen lang setzte sich der Verkehr Fran- ziska's mit dem Petöfy'schen Hause fort, dann aber brach er etwas ausfällig ab, und selbst die Besuche, die der Graf noch eine Zeitlang in dem Eckhause der Salesinergasse gemacht hatte, hörten aus. Es hieß, was auch zutraf, er sei verreist, und erst von Paris aus gab er wieder ein Lebenszeichen und ent­schuldigte sich in den verbindlichsten Worten seiner plötzlichen Abreise halber. Aber so verbindlich diese Worte waren, so waren sie doch kühler als gewöhnlich oder wenigstens befangener.

Franziska fühlte das heraus, war indessen an derartig wechselnde Vorgänge zu sehr gewöhnt, um ein besonderes Gewicht darauf zu legen.

Anders in dein engeren Cirkel, der sich nach wie vor an jedem dritten Abend im Salon der Gräfin versammelte. Hier wurde nicht bloß dem Ausbleiben des Fräuleins, sondern weit mehr noch der Abreise des Grafen eine gewisse Bedeutung beigelegt, bei welcher Gelegenheit man nicht unterließ, sich die selt­samsten Dinge zuznslüstern. Der alte Gras sei regelrecht verliebt oder interessire sich wenigstens bis Zur Thorheit für das junge Fräulein, und so sei denn die ganze Pariser Reise nichts weiter als eine Flucht. Die Gräfin habe mit Rücksicht auf den eigen­sinnigen Charakter des Grasen anfänglich seiner Reise widersprochen, natürlich nur in der Absicht, ihn durch solchen Widerspruch in seinem Plane desto fester zu machen. Andere dagegen wollten von dem Allem nichts wissen und hoben ihrerseits hervor, daß die Jours äo kets" für den alten Grafen vorüber seien; sie begegneten aber nur dem Spott aller medisanten Klub- und Kasinohabituss, die nicht müde wurden, aus den siebenzigjährigen Goethe, ja zuletzt sogar aus König Sigurd Ring hinzuweisen, der noch mit neunzig Jahren in Leidenschaft verfallen und aus die Freite gezogen sei. Der Gras aber sei Vollblutungar und könne mehr.

Ein Echo dieser Gespräche würde zweifellos auch bis zu Franziska hinauf gedrungen sein, wenn diese nicht durch ein nervöses Fieber, in das sie bald nach der Abreise des Grasen verfiel, vor allem derartigen Gerede bewahrt geblieben wäre. Sie lag wochenlang in jenem apathischen Dämmerzustände, der der Be­gleiter und fast auch der Freund dieser Krankheit ist, und als endlich dieser Zustand geschwunden und ihr ein wenigstens umschleiertes Interesse für die Dinge des Lebens zurückgekehrt war, da waren viele Wochen vergangen und beinahe heiße Sommertage da, trotzdem erst Frühling im Kalender stand.

Am letzten Apriltage saß Franziska an ihrem