686
Deutsche Roman-Bibliothek.
halten, denn sie belachte ihn und hatte die Genug- thuung, zu sehen, daß ihre Verwandten ihn ebenfalls belächelten.
„Wenn ihr mir gestattet, will ich leben eine Zeitlang in eurer Mitte und hoffe Zu sein in Eintracht und Frieden, darum Hab' ich an euch geschrieben und mir erbeten eure Zustimmung. Ich bin erfreut, euch Alle bei gutem Wohlsein zu finden und euch Alle kennen zu lernen, denn als ich fort- ging von hier, war ich ein Kind halb noch und die Aeltesten von euch kaum geboren."
Hier schnupfte die gute alte Frau abermals, wandte sich dann um und machte dem Schotten ein kurzes Zeichen.
„Ich hoffe, bei näherer Bekanntschaft werden Sie meine Eigenheiten, was kommt von der großen Hitze und meinem einsamen Leben, und meine schlechte xronnneiatlon, wo kommt von dem Mangel an Uebung seit über vierzig Jahre, entschuldigen und werden Alle sein meine Freunde."
Hier sahen die Zuhörer mit Entsetzen, wie der hölzerne John mit einem Glase sich näherte, welches die Tante beroch und dann mit allen Zeichen sichtbaren Behagens ans einen Zug leerte. Der Diener nahm es wieder in Empfang, sie nickte, räusperte sich und begann von Neuem zu reden.
„Auf Ehre — das war Grog!" brummte der Lieutenant sehr belustigt und unterdrückte kaum eine laute Aenßerung der Heiterkeit. In der That begann sich sogleich ein ziemlich kräftiger Alkoholgernch durch das ganze Zimmer zu verbreiten.
„Weißt Du, ob sie vielleicht eine Verwandte oder nur die Gesellschafterin der Alten ist?" fragte Egbert leise, ohne eine Antwort zu bekommen.
„Um mich ein wenig zu Eiami-e bei meine lieben Verwandten, habe ich euch einige Geschenke mit aus meiner andern Heimat gebracht; bevor ich aber diese euch gebe, bitte ich mich mit die einzelne von euren Kindern bekannt zu machen."
Hier nickte die Tante ausfordernd dem Präsidenten zu, der, also genöthigt, mit steifem Nacken und einem Gesicht, in welchem die Freundlichkeit nur eine schlechte Maske war, — denn der Aermste ermaß recht wohl, in welche Verlegenheit eine solche Verwandte ihn bringen und wie sie ihn zum Gespött der Leute machen würde, — herbeieilte und die einzelnen Glieder feiner Familie ihr präsentirte.
Einem Jeden sah die Tante starr in's Gesicht. — So ganz in der Nähe sah sie fast noch greulicher aus, — und richtete dann einige Worte an ihn.
„Mein Stiefbruder Leopold," sprach der Präsident, ohne eine Miene zu verziehen.
„Ihr seid der Kommerzienrath, welcher haben mir angeboten seine eottags," sprach sie lebhafter, „und das sein Euer Kind, welches mir schenkte die Blumen."
Fast entsetzt wich Helene Zurück, denn es dünkte sie, diese seltsame Frau wollte sie küssen, aber sie täuschte sich, sie sah ihr nur forschend in's Gesicht, bewegte dann befriedigt den schweren Kops und zog einen kostbaren Ring von ihrer behandschuhten Rechten.
„Ich Hab keine Blumen, obgleich ich sehr ihnen liebe, ver)' veil, aber Du trag diesen Ring, als ein
Andenken von Deiner alten Tante, die Du sehr froh gemacht hast durch Deine Gabe, denn Blumen bedeuten frohe Tage, mein Kind."
Erröthend und beinahe widerwillig litt es Helene, daß die Tante ihr das kostbare Kleinod auf den Finger schob. — Mariens scharfes Auge überflog dabei die übrige Gesellschaft. Bei Präsidents drüben machte man sehr lange Hälse, es sprach sich dort eine namenlose, mit Schreck gepaarte Entrüstung aus, aber auch eine deutliche Regung von Neugierde war in den Zügen derselben sichtbar. Seltsam, ein Einziger zeigte dort drüben ein freundliches, offenes Lächeln — das war der Lieutenant.
„Möchte nun nehmen ein wenig Platz," sprach die Tante zurücktretend und offenbar sehr zufrieden mit dem Kopfe nickend, während der Präsident seiner Tochter Karola zitternd vor Erregung zuflüsterte:
„Es ist unerhört! — Und dabei riecht die Person nach Schnaps wie ein Holzhacker!"
„Meine Füße sind schwach durch die Jahre und die große Hitze."
Man brachte ihr einen Sessel.
„Für euch, meine liebe Cousins, habe ich nichts," begann sie dann und schnupfte auf's Nene und guckte sich hell mit ihren Augen um, „aber solche junge Dinger habe Freud an solch bunte Taut."
Hier flüsterte sie Marie etwas zu, diese verschwand im Nebenzimmer und kehrte gleich darauf mit Zwei umfangreichen Paketen zurück, mit denen sie vor Karola und Frida hintrat. — Ein Doppelschrei der Freude, jene Pakete enthielten prächtige Seidenstoffe und für Jede einen indischen Shawl, offenbar von großer Kostbarkeit. Selbst die Männer betrachteten mit Interesse diese farbigen und weißen, zarten, von Gold- oder Silberfäden durchschossenen Stoffe, welche Frida's Hände entfalteten, denn während Karola erröthend auf die Tante zutrat, ohne ihr Paket zu berühren, hatte Jene mit kindischer Hast dasselbe geöffnet und betrachtete nun ihre Schütze nüt glänzenden Augen und mit dem freudigen Bewußtsein, alle ihre Rivalinnen im nächsten Winter zu überstrahlen. Bei kleinlichen Naturen, namentlich wenn sie unter Entbehrungen leiden, ist ja das natürlichste Gefühl der Neid und der Wunsch, beneidet zu sein.
Karola trat an die Tante heran, verbeugte sich und stammelte ihren Dank, der Handkuß wurde verhindert.
Als Elisabeth in die schmalen, verhärmten Züge dieser Cousine sah, welche vor den Jahren alt geworden war, erfaßte sie ein Gefühl des Mitleids; sie fiel beinahe aus der Rolle. Nur mühsam faßte sie sich und brachte ihr: „Schön, schön. . . gooä, meine Tochter!" so Ziemlich heraus. Dann griff sie in ihre umfangreiche Tasche,'tastete an sich herum und zog zuletzt einen andern Ring vom Finger, den sie Karola schenkte.
„Bin sehr begierig, was wir davontragen werden," raunte Egbert seinem Bruder zu, den die kostbaren Steine reizten, die er dort funkeln sah.
Ein Heller Aufschrei übertönte die Antwort: als soeben Frida zur Tante hineilte, um ihr stürmisch zu danken, hatte diese sie bei der Hand gefaßt und