Heft 
(1885) 29
Seite
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Die Erbtante von Johannes van Dewatt.

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ihr groß in die Augen sehend gefragt:Du bischt Die, die was haben wollte mitgebracht?"

Dann hatte sie ein Etui aus ihrer Tasche ge­zogen und es der Erschrockenen übergeben. Es ent­hielt eine goldene Kette mit einem seltenen und kost­baren Schaustücke daran; der Anblick des Schmucks entriß dem lebhaften Mädchen diesen Schrei.

Ihren stürmischen Dank lehnte die Tante ab.

Nich so eoosntrleal, nich so schrein, mein Kind!... Ick bin ein altes Weib, was kann das nicht leiden. Schon gut."

So sprechend klopfte sie Frida leise auf den Arm, nahm eine Prise und nickte ihrer Begleiterin Zn, welche alsbald mit einem andern Paket sich Helene nahte.

Die Augen der Tante rollten dabei in Einem fort, sie beobachteten scharf die verschiedenen Gesichter. Der Präsident schien offenbar enttäuscht, sowohl über die Summe, welche er erhalten hatte, als über die Geschenke: für eine Millionärin wahrlich Bagatellen!... Ein paar seltene Fähnchen, ein Ring er schätzte diesen auf höchstens hundert bis zweihundert Thaler

und eine Kette. Die Quelle mußte ganz anders fließen, wenn es sich der Mühe lohnen sollte, sich so zu kompromittiren. Der Kommerzienrath sah zufriedener aus, doch Wohl nur, weil sein Kind den Anderen vorgezogen worden war. Am schärfsten be­trachtete sie sich den ehemaligen Diplomaten, und alle Bitterkeit, welche sie einst empfunden hatte, die Demüthigungen, welche sie durch ihn erlitten, die Thränen, welche sie geweint hatte, kamen wieder lebhaft in ihre Erinnerung.

Sie sah dieses schmale, verlebte Gesicht, mit dem höhnischen Munde und der überhebenden Miene, es war dasselbe, welches sie einst so gehaßt und verwünscht hatte, nnr gealtert, vor der Zeit entnervt, durch Ausschweifungen gewiß, durch einen schlechten Lebenswandel.

Etwas hinter diesem, ein ziemlich gleichgültiger Zu­schauer, stand sein jüngerer Bruder. Man hätte nicht glauben sollen, daß die Beiden Zweige eines Stammes wären. Der Dragoner war offenbar aus einem andern Holze geschnitzt, er hatte ein gutes Gesicht und sah aus wie ein anständiger Mann. Seltsam, sie bemerkte es auch, wie beinahe vergnügt, nein, innig, er jetzt hinübersah zu Helene. Dieser Vetter gefiel ihr, sie begann seitdem ihn genauer zu beob­achten.

Eine Idee kam ihr, sie winkte sich den Präsidenten heran und sagte ihm etwas leise in das Ohr. Gleich daraus trat dieser auf Egbert zu, nahm ihn bei der Hand und führte ihn ihr entgegen.

Du warscht bei die äixlomae^?" fragte sie, ihn groß mit ihren glänzenden Augen ansehend.

Ich hatte diese höhere Carriöre erwählt," liebe Tante, versetzte Jener mit seinem gewöhnlichen fatalen Lächeln,leider kostet dieselbe aber Geld, viel Geld,

da erlahmten mir die Fittige; nun ziehe ich im Joch."

Wo bischt Du gewesen, auf welchen Posten?" examinirte die Tante weiter und nahm abermals eine große Prise. Mit Genugthuung bemerkte sie dabei, wie Marie sie beobachtete.

Zuerst in Berlin, dann in Bern das ist die Hauptstadt von der Schweiz."

O, ich weiß ... ich bin nicht so unwissend, wie Du Zu denken glaubst."

Liebe Tante, ich beabsichtigte durchaus nicht..." beeilte Egbert sich Zn entschuldigen, sie aber unterbrach ihn lebhaft:

Hat nix zu sagen die junge Papageie pfeife immer klüger als die Alten, nicht wahr, lieber Vetter?"

Der Präsident, welcher Alles, was gegen seine äußere Würde war, tödtlich haßte, machte ein ganz absonderliches Gesicht bei dieser Schwenkung.

Im Allgemeinen mag das wahr sein, aber bei meinem Sohne trifft dieß nicht zu," erwiederte er. Obgleich sein Vater, darf ich sagen, daß Ueber- hebung ihm fern liegt und daß er in Respekt vor seinen Verwandten auferzogen wurde."

Schon recht ... oll ;o8, um so besser! Freue mich, das zu hören!" sprach die Tante und nickte dabei gönnerhaft mit dem unförmigen Turban.Und wuann wuarst Du in Bern, mein Sohn?"

Bis vor vier Jahren, theure Frau Tante."

Alle lauschten begierig, man legte sich diese ein­gehenden Erkundigungen nicht anders aus, als daß die Tante beabsichtige, für Egbert etwas Besonderes zu thun, und er selbst am allermeisten. Trotz der kleinen Rüge soeben glaubte er einen vortheilhaften Eindruck aus die Tante zu machen, der Aermste, er konnte ja nicht ahnen, wen jene Hülle verbarg.

Wenn Du wieder eintreten willst in Deine diplo­matische Laufbahn," Hub die Erbtante in ihrem selbstgemachten Kauderwälsch an,dann kann ich Dir geben r66ommenäation8 ok tlls ooinxaMies ok tllo Inäies, mein Sohn. Du kannst da machen Dein Glück, ebenso wie Dein altes Weib von Tante es gemacht." Alle sahen sich sehr betroffen an.

Ich wuar auch einst ein armes Frauenzimmer, verlassen von alle Welt, ohne reeoMmooäatioos, und Hab gefunden dort meine Weg, mit Ausdauer und Energie, und Hab gefunden mein Glück. Wenn Du hast ebensoviel Ausdauer und Geschick, wirst Du kommen so zu einer ehrenvollen Stellung."

Gestatten Sie, liebe Tante, daß ich diesen gütigen Vorschlag erst reiflich in Erwägung ziehe," versetzte der nicht wenig bestürzte Egbert.

Mein Sohn ist bereits hier in einer achtungs­vollen Lebensstellung, liebe Cousine, doch danken wir für Ihre gute Absicht und wollen überlegen," kam der Vater ihm zu Hülfe.

Komm' heran, mein Kind Du willst Dich bedanken!" rief die Alte, abspringend plötzlich, Helene zu.Ich habe auch noch etwas für Dich." Sie hatte ans dem reichen Vorrath der Tante Karoline sich eine gute Anzahl von Schmuckstücken, Zum Theil von seltener Art und von hohem Werthe, in die um­fangreichen Taschen gesteckt. Sie zog jetzt eine Hand­voll von diesen Sachen hervor, suchte eine Weile in ihnen herum, nahm zuletzt einen kleinen goldenen Elephanten, dessen Rüssel und Augen mit Rubinen und Diamanten besetzt waren, und drückte ihn dem erröthenden Mädchen in die Hand, dann ohne die neidischen Mienen der beiden Cousinen scheinbar zu