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Deutsche Roman-Bibliothek.
bemerken, nickte sie Egbert Zu und winkte den Dragoner heran.
„Wie heißt Du? ... Ich Hab sehr in allsotioa die Militärs, denn mein Mann, der selige Macdnff, war selbst ein großer Kapitän," redete sie ihn an.
„Das freut mich Zu hören, Tante. Ich heiße Egon," versetzte dieser Ziemlich trocken, denn ihn verdroß im Grunde diese ganze Szene und ihm mißfiel die Tante ganz außerordentlich.
„Du kannst Dir suchen aus, wuas Du wuillst haben von diese Sachen," damit hielt sie ihm die offene mit Schmuck gestillte Hand hin, „denn ich weiß, Soldaten haben immer zu machen kleine Präsente ... Habe gewohnt in Bombay, in Madras und in Patna in die Baracken mit meinem seligen Mann, hatte Jeder, vom Kapitän bis Zum Körnet, seine kleinen Herzensgeschichten... O, ich kenne das," fügte sie mit einem gutturalen Lächeln hinzu und klopfte ihm den Arm. „Aber freilich, mein Kind, man wird alt.
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Der Dragoner wurde sehr roth. — Er sah nicht das Zunicken seiner Schwestern und den Blick des Vaters, unwillkürlich machte er eine abweisende Bewegung und sprach: „Ich danke, Tante, das ist nichts für mich."
„vear me! Nichts für Dich?" rief die Tante erstaunt und wackelte mit dem Kopf, „das ist sehr seltsam!"
Sie nahm den Grog und trank. Das Getränk war übrigens nur gefärbtes Wasser und der Geruch kam von ihren Kleidern und John's Acrmel her.
„Gib das den Mädels, die können so etwas brauchen," sprach Egon hartnäckig.
„Und Du? — Du bist ein schmucker Junge, ich wuill nicht, daß Du leer ausgehst. — Marie!"
Wieder ein Tuscheln, einige Sekunden der Erwartung, dann kam die Gesellschafterin zurück und wickelte aus einem Papier einen indischen Dolch in prächtiger Scheide, diese und der Griff blitzten von edlen Steinen.
Langer streckten sich die Hälse, höher färbten sich die Gesichter, als die Tante dieses kostbare Werthstück dem Dragoner hinhielt.
„Da . . . das ist etwas für einen Kriegsmann — was?" sprach sie heiser und sah diesen anf- munternd an.
„Liebe Tante... in der That, das ist zu kostbar... Auf Ehre, das kann ich nicht nehmen," stammelte dieser.
„Wie?! kannst Du nicht? Willst Du beleidigen eine alte Frau?!" rief diese ärgerlich.
„So nimm doch!" befahl der Vater, während der Onkel Leopold mit gierigen Blicken daneben stand und den Dolch betrachtete.
Der Dragoner befand sich in großer Verlegenheit: der Dolch gefiel ihm schon, nur die Geberin nicht und der Gedanke, daß mau vielleicht glauben könne, er hätte sich vorhin nur geweigert Zu nehmen, um Besseres zu bekommen.
„Ich danke herzlich," sprach er, einen plötzlichen Entschluß fassend, „es ist sehr gütig, liebe Tante."
Sie schüttelte ihm treuherzig die Hand und klopfte
ihm die Wange; Egon trat mit seinem Dolch zurück und ward sogleich von seinen Schwestern und dem Vater umringt.
Abermals bog sich die Alte zu ihrer Begleiterin herüber und abermals ging diese in das Nebengemach und kam mit einer Gabe zurück. Es war ein Etui mit seltenen indischen Münzen.
Beinahe hätte Elisabeth dieses Mal ein Lachen nicht unterdrückt, als sie die süßsaure Miene ihres lieben Neffen Egbert bemerkte, dessen Geschenk im Werthe weit hinter dem seines Bruders zurückblieb. Indessen war ihr im Grunde der Diplomat Zu verhaßt, auch wünschte sie diese Komödie zu beenden. Der Neffe sprach seinen Dank. Marie kam abermals herein. Die Tante erhob sich schwerfällig.
„Hier, meine lieben Cousins," sprach sie, die beiden großen Etuis aus Mariens Händen nehmend, „das ist für euch. Es ist wenig. — Ich wünsche, daß ihr möget trinken lange daraus, in gute Gesundheit." Es waren zwei schön gearbeitete Becher indischer Arbeit von gediegenem Golde. Die feindlichen Brüder drückten einer nach dem andern der Tante die Hand, scheinbar zufrieden mit ihrem Theil.
„So, meine Freunde, — nun danke ich für die gütige Aufnahme in eure Kreis und will mich ziehen zurück. Ich bin eine alte Frau und bedarf der Ruhe."
„Aber Tantchen, erstickst Du denn nicht in Deinen Shawls?" rief Frida in ihrer übertrieben naiven Weise und eilte herzu, um diese zu stützen. Mit großen Augen sah die Begum sic an.
„Ich komme aus Indien," sprach sie stirnrunzelnd, ließ sie stehen, verbeugte sich schwerfällig und schwankte auf Marieus Arm gelehnt hinaus.
Zwölftes Kapitel.
Die Thüre hatte sich hinter ihnen geschlossen. Mit einem hosfärtigen, unverschämten Blick wandte sich augenblicklich Egbert herum und sah zu seinem Onkel und seiner Tochter hinüber, als wollte er sagen: „Nun, seid ihr noch nicht fort? . . . Hinaus mit euch!" — Zu seinem und der ganzen Familie größtem Erstaunen aber trat Egon an die Gehaßten heran und fragte, als verstünde sich das ganz von selbst, ob er ihnen ihre Geschenke nicht durch seinen Burschen nach Haus schicken sollte.
„Danke, Herr Neffe, unten wartet mein Wagen," versetzte der Kommerzienrath zugeknöpft, warf einen herausfordernden Blick auf seine Verwandten und ging mit der Tochter schnurstracks hinaus, unter dem höhnischen Gekicher der Mädchen und des Assessors.
Dieses Lachen galt ebensowohl den Verhaßten, wie dem Bruder, den man einestheils beneidete, da er das beste Theil von der Tante erhalten hatte und dem man es außerordentlich verdachte, sich und der Ehre seiner Familie so viel vergeben zu haben, wie jetzt eben. — Darüber darf inan nicht in Zweifel sein: Familien, die Andere systematisch ansein- den, gleichen ein wenig den Wölfen, sie fressen sich gelegentlich unter einander auf. Solch' ein böser, harter Sinn frißt sich immer tiefer ein in den Organismus und wirkt vergiftend nach allen Seiten. Egon hatte die Verwandten bis Zur Thür geleitet,