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Deutsche Noinan-Sibliothek.
vielleicht sollte er gut sagen für den Kameraden. Die Aussicht war nicht eben verlockend.
„Womit kann ich Ihnen dienen? ... Aber wollen wir denn wirklich so trocken sitzen?" fragte er nicht ganz mehr in derselben freudigen Stimmung wie vorhin; das düstere Gesicht des Andern machte ihn etwas befangen, — es handelte sich also sicherlich um eine hohe Summe.
Ueber die offene, von der Schande gebeugte Stirn des Dragoners glitt etwas wie ein Schatten, seine beiden Hände stützten sich fester auf den schweren Pallasch. Der Schnurrbart machte einige kleine Bewegungen, als wollte er sich emporsträuben.
„Herr von Rothkirch, ich war bei Ihnen, um Sie zu fragen, wie stehen Sie zu meiner jüngsten Schwester?" sprach er halblaut, und seiner Stimme unterdrücktes Beben Zeugte dabei am deutlichsten von der großen innern Erregung, welche er mit Mühe nur bekämpfte.
Unwillkürlich fuhr der Husar ein wenig zurück; diese Frage traf ihn unversehens, beinahe brutal. Sein Gesicht war nicht das allergeistreichste gerade in diesem kritischen Moment und seinem offenen Munde entfuhr ein lautes „Ah!" Dann sammelte er sich gewaltsam, denn diese Geschichte war offenbar eine sehr ernste, und sprach:
„Ich empfinde eine lebhafte Verehrung für Ihre Fräulein Schwester, doch Pardon! . . . wie kommen Sie eigentlich zu dieser Frage?"
In der letzten Hälfte dieser Erwiederung lag bereits der Versuch zu einer Opposition, aber sie wurde im Keime erstickt.
Vorwurfsvoll und drohend zugleich hob der Dragoner das Auge und richtete es fest und vielsagend auf den Andern.
„Sie wurden gesehen und erkannt, wie Sie in Civilkleidern mit meiner Schwester im Dunkel in der Vorstadt spazieren gingen, man hat sogar mit voller Deutlichkeit gehört, daß Sie sich so weit vergaßen, sie zu duzen," versetzte er, immer noch halblaut, als fürchtete er, ein Lauscher könnte ihn hören, aber trotzdem mit großem Nachdruck.
Der gewandte Husar, der sonst mit allen Schlichen und Ausreden wohl bekannt war, fühlte, daß er dieses Mal fest in der Schlinge saß, und ermaß mit großer Geistesgegenwart augenblicklich sowohl die Folgen, als auch die Chancen, welche ihm blieben.
„Liebster Steinsurt," Hub er an, „ich leugne nicht; ich gestehe sogar, daß ich mich schäme, bisher so wenig offen gegen Sie gewesen zu sein — Sie in diese Lage hier gebracht zu haben."
Er lächelte sein gewinnendstes Lächeln, — er war ein hübscher schwarzer Bursch, dem man schwer etwas abschlagen konnte — und trat einen Schritt an Egon heran, als wollte er diesem die Hand reichen.
„Es ist doch, auf Ehre, kein Unrecht, wenn man ein Mädchen lieb gewinnt."
Der ernste, verweisende Blick des Dragoners machte ihn plötzlich erröthen.
„Auf mein Wort, ich habe Frida gern; ich bin sonst ein leichtsinniger Mensch gewesen hier und da, ich weiß das am allerbesten, aber diese Neigung ist eine
echte und wenn die Verhältnisse nicht so sind — das ist nicht unsere Schuld!"
Die Wolke auf der Stirn des Dragoners verdichtete sich mehr und mehr, trotz dieser anscheinend so befriedigenden Erklärung.
„Wenn Sie wußten, daß die Verhältnisse nicht so sind, dann thaten Sie ein großes Unrecht, sich einem Mädchen aus gutem Hause so weit zu nahen," versetzte er drohend. „Man geht nicht mit einer- jungen Dame, der Schwester eines Kameraden, heimlich im Mondenschein spazieren, man duzt sich nicht, setzt dieselbe nicht einem Erkanntwerden aus... es sei denn, man sei mit ihr verlobt."
„Aber liebster, bester Steinsurt, — ich habe allerdings unrecht gehandelt, weil ich mich nicht erklärte, vor Allem an Ihnen, an dem Kameraden, aber gehen Sie doch mit mir nicht strenger in's Gericht als nöthig ist. Wie gesagt — wären die Verhältnisse anders, hätte ich das Meinige besser zu Rathe gehalten, oder hätte Frida Vermögen ... Aber apropos," hier bog er gewandt um die Ecke, „diese sprach zu mir von einer Erbtante, einer alten, reichen Dame, die aus Indien angekommen ist, — dasselbe that übrigens auch Ihr Bruder, der Assessor; der erzählt das aller Welt und hat das Korps seiner Gläubiger dadurch in die freudigste Erregung versetzt..."
„Ich will Ihnen etwas sagen," unterbrach ihn hier der Dragoner mit finster gerunzelter Stirn, „ich könnte darauf bestehen, daß ihr Beide euch heirathet, aber das wäre das größte Unglück, was ich mir denken könnte! — Ich wollte mir deßhalb nur erlauben, ich drohe nicht gern — aber begegnen Sie meiner Schwester noch einmal anders als mit der größten Förmlichkeit und Hochachtung — bei Gott, dann schieße ich Sie todt! — Sie wissen, ich bin meiner Hand sicher!"
„Aber liebster, bester Steinsurt — so fassen Sie die Sache doch nicht so tragisch auf..."
„Tragisch!" versetzte Egon, erglühend in heiligem Zorn. „Wären Sie nicht ein so leichtsinniger Mensch, Sie würden diesen Ausdruck nicht gebraucht haben in diesem Augenblick! — Unter hundertmal endet aller Leichtsinn neunundneunzigmal tragisch!"
„Ich bitte inständig um Verzeihung."
„Ich verlange Ihr Wort, Herr von Rothkirch!"
„Mein Ehrenwort! — Hier haben Sie meine Hand, erhalten Sie mir nur Ihre Freundschaft auch fernerhin."
„Das kann ich nicht," versetzte der Dragoner kurz und zornig, machte eine hastige Bewegung mit dem Kopf und ging sporenklirrend mit zusammengezogenen Brauen hinaus.
Ein Helles Lächeln verklärte des Zurückbleibenden Stirn.
„Teufel! — das war ein fataler Reinsall — so billig glaubte ich nicht davon zu kommen."
Er trat dann an's Fenster, betrachtete eine Weile nachdenklich seine langen, rosafarbenen Nägel und ging zuletzt nach einem Blick in den Spiegel wieder hinüber zu den anderen Kameraden, welche glaubten, er wäre für etliche Minuten drüben in der Konditorei gewesen, in Folge jenes Billetdoux.
(Fortsetzung folgt.)