Heft 
(1885) 30
Seite
706
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Deutsche Noman-Bibliothek.

wollte. Judith aber nahm seine Hand und fuhr, immer eindringlicher werdend, fort:Und Zu dem einen Worte, Bruder, noch ein Zweites. Du glaubst allerpersönlichst Deiner wenigstens sicher Zu sein, sicher in dem, was Du Drüberstehen und Anschauungs- sreiheit und Vorurtheilslosigkeit nennst. Aber auch darin irrst Du. Du bist weder Deines Herzens, noch Deiner Meinungen sicher, und was Dir heut ein Nichts bedeutet, kann Dir morgen eine Welt bedeuten. Schwankend ist Alles, und fest allein ist Gottes Gebot. Auch das ungesprochene, das still und stumm in der Natur der Dinge liegt. Ich be­schwöre Dich, Bruder, überleg' es. Es leitet mich nur die Liebe Zu Dir."

Und der alte Erziehungshang."

Ein Wort, aus dem ich sehe, daß es Zu spät ist und daß Du's unabänderlich willst. Und so werd' ich denn das Gespräch mit Franziska haben. Aber nicht hier; erst, wenn wir Alle wieder in Wien sind."

Er war es zufrieden, nahm Hut und Stock und verließ das Zimmer, indem er ihr Zerstreut einige Worte des Dankes sagte.

Sie sah ihm nach und griff in ihrer Angst und Unruhe nach einem Andachtsbuch, um darin Zu lesen. Aber es wollte nicht gelingen.

In welche Lagen uns doch das Leben führt! Ich eine Freiwerberin. Und in einer Sache, die mich betrübt und erschreckt!"

Elftes Kapitel.

Eine Woche später hatte man sich wieder in dem alten Petöfy'schen Palais eingerichtet, und schon den Tag darauf empfing der Graf durch Andras, der den Verkehr zwischen den beiden Flügeln unterhielt, einige Zeilen, in denen ihm Judith iu aller Kürze mittheilte, daß sie Franziska gesprochen habe. Die­selbe sei dem Anschein nach nicht allzu sehr über­rascht oder doch wenigstens vollkommen ruhig gewesen und erwarte seinen Besuch.

Es war elf Uhr, als ihm diese Zeilen zu Händen kamen, und vor Ablauf einer Stunde schon war er auf dem Wege nach der Salesinergasse. Das Leben in der Ringstraße kam ihm heute noch heiterer vor als gewöhnlich, und das Haus selbst, das in mit­täglichem Sonnenschein dalag, schien ihm, als er von der Innenstadt her in die Vorstadt einbog, nur Glück und Freude bedeuten Zu sollen.

Oben traf er Hannah, die mit einem Anstuge von Verlegenheit ihn einzutreten bat. Das Fräulein fei Zur Probe, müsse jedoch sehr bald wieder da sein.

Das Zimmer, in das er von Hannah geführt worden, war dasselbe, in welchem Franziska nach ihrem ersten Plauderabend bei der Gräfin eine Schil­derung des eorele intime versucht hatte. Nichts darin, das im geringsten an ein Boudoir erinnert hätte, vielmehr herrschte statt alles russisch Patchouli- hasten, das sonst wohl den Zimmereinrichtungen junger Schauspielerinnen eigen zu sein pflegt, eine norddeutsche Schlichtheit und Ordnung und eine bei­nahe holländische Sauberkeit vor. Auf dem Sopha- tische-stand eine Marmorschale mit Weinlaub und Erdbeeren darin und daneben ein Schmuckständerchen,

das hier wie zufällig oder vielleicht auch in der Hast einer etwas zu spät beendeten Toilette stehen ge­blieben war. Ein Kettenarmband lag auf dem Tische daneben, an dem Ständerchen selbst aber hing ein einfaches, nur aus zwei Golddrähten zusammen­gelegtes Ringelchen, das statt eines Steins nichts als eine Goldplatte mit einem emaillirten Vergiß­meinnicht zeigte.

Der Graf hing eben noch seinen Betrachtungen über das Ringelchen nach, das augenscheinlich ein Geschenk aus der Schul- oder Konfirmaudenzeit her war, als Franziska durch eine Seitenthür eintrat und ihn, unter Ausdruck ihres Bedauerns über eine Verspätung auf der Probe, mit leichter Handbewegung aussorderte, seinen Platz auf dem Fauteuil wieder einzunehmen.

Er seinerseits hatte sich einige Worte zurechtgelegt, Worte, darin sich derGras" und derLiebhaber" ziemlich genau die Wage hielten. Aber ihr Erscheinen änderte sofort seinen Entschluß und ließ ihn um­gekehrt empfinden, daß es gerathen sein würde, das erste Wort ihr zu lassen.

Auch Franziska schien es von dieser Seite her anzusehen und daserste Wort" als ihr gutes Recht in Anspruch zu nehmen. Sie sagte deßhalb, während sie sich auf das Sopha niederließ:Ihr Vertrauen zu meinen Erzählungskünsten, Graf..."

Er drohte scherzhaft mit dem Finger, aber Fran­ziska ließ sich nicht stören und fuhr in leichtem und beinahe übermüthigem Tone fort:

Ja, Graf, wir Frauen bleiben immer dieselben und wollen schließlich um unseres Jchs willen adorirt werden. Und nur um unseres Jchs willen. Darin bin ich wie andere. Statt dessen erscheint Graf Petöfy mit einem allerschmeichelhaftesten Anträge, der aber alles Schmeichelhaften unerachtet doch schließ­lich auf nichts Anderes hinausläuft als darauf, eine Märchenerzählern:, eine Redesrau haben zu wollen, etwa wie Louis Napoleon einen Nedeminister hatte. Werbung um eine Plaudertasche. Vielleicht der einzige Fall in der Weltgeschichte, die nach den: Maße meiner allerdings vorwiegend aus dein historischen Lustspiel herstammenden Geschichtskenntuiß immer nur das Umgekehrte zu verzeichnen hatte. Nämlich: mutier tueeat..."

. iu 66ele8ia," lachte der Gras.Und zwar nur iu eeelesia. Sie dürfen nicht halb Zitiren, Fran­ziska. Gleichviel iudeß, ich weiß nun Alles; Sie würden anders zu mir sprechen, wenn Sie vor­hätten, mir mit einen: ,NenU entgegeuzutreten. Ich bin unendlich glücklich darüber, und wenn Sie das Ohr für die Stimme des Herzens haben und Sie haben dieß Ohr so wird es Ihnen auch gesagt haben, daß ich, um Ihre Worte zu wiederholen, keine Redesrau, keine Plaudertasche will, die mir Geschichten erzählt und mich abwechselnd durch Dro- lerieen und Anekdoten unterhält. Allerdings will ich unterhalten sein, aber auch das Unterhaltlichste, das Beste, das Sie mir aus Ihrer Gaben Fülle zu bieten im Stande sind, wenn ich es loslöste von Ihnen, von Ihrer Person, so wäre das Beste das Beste nicht mehr. Der Zauber Ihrer Rede sind schließlich doch Sie selbst. Und so komme ich denn