Aus der neuen deutschen Lyrik.
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noch einmal mit diesen meinen ausgestreckten Händen und bitte Sie, dem, was mir vom Leben noch bleibt, einen Inhalt und mit dem Inhalt einen Glanz, ein Glück und eine Freude geben zu wollen."
Es schien, daß Franziska nach einer Antwort suchte, der alte Graf aber fuhr fort:
„Ich lese deutlich, was in Ihrer Seele vorgeht. ,O dieser Selbstling, der im Grunde nur einen gefälligen Ton für sein Ohr oder ein sich einschmeichelndes Bild für sein Auge sucht und doch zugleich einen Lebenseinsatz fordert, ein Leben und ein Herz'. Aber nein, Franziska, kein Herz oder doch nicht das, was die Welt, die Jugend ein Herz zu nennen beliebt. Ein Anderes, das nichts weiter bedeutet als Sympathie. Meine Wünsche, dessen bin ich gewiß, halten sich innerhalb des Erfüllbaren. Worauf bin ich aus? Ich kann keine trüben Gesichter sehen und liebe Licht und Lachen und Esprit und Witz. Das ist Alles, und nur darauf bin ich aus. In meiner Jugend galt ein Champagnerleben als ein Ideal. Aber auch das ist mir zu schwer. Es gibt eine Luft, unter deren Einathmnng die Freude kommt und heitere Bilder aus der Seele sprießen. Nach der Lust dürft' ich, und ich habe sie, wenn ich in Ihrer Nähe bin. Um diese Nähe werb' ich, Franziska, nicht um mehr. Sie sollen frei fein und die Grenzen Ihrer Freiheit selber ziehen; Ihr feiner Sinn ist mir Bürge, daß Sie sie richtig ziehen werden."
Franziska lächelte leise vor sich hin, und eine Verlegenheit, die sie, während sie sich ähnlicher Worte der Gräfin erinnerte, wenigstens momentan beschlichen hatte, fiel rasch wieder von ihr ab. „Ich glaube, Graf,"
sagte sie, mit Geflissentlichkeit einen halb scherzhaften Ton anschlagend, „Sie verkennen mein Geschlecht. Ich sehe Schwierigkeiten, aber ich sehe sie nicht da, wo Sie sie sehen. Unser Erbtheil ist Neugier, nichts weiter, und was sich ans der ewig beargwöhnten Welt der Gefühle mit einmischt, das wiegt nach meiner Erfahrung nicht allzu schwer. Ich kenne die Skala dieser Gefühle, habe die Mittelgrade selbst durchmessen und bin ohne rechten Glauben an die Hoch- und Siedegrade der Leidenschaft. Also nicht das, Graf. . . Und auch nicht die Kunst. Es gab freilich einmal eine Zeit, in der ich ehrlich und aufrichtig des Glaubens war, ohne Kunst nicht leben zu können. Aber auch das liegt hinter mir. Um in diesem Glauben Zu verharren, dazu muß man eine Thörin oder ein Genie sein. Und ich bin weder das Eine noch das Andere."
„Und doch..."
„Nein, kein ,Dochst nur einfach ein Geständniß meiner Furcht. Ich fürchte mich vor dem kleinen Kriege, der meiner harrt, vor dem Neid auf der einen und dem Hochmuth auf der andern Seite, vor den Kränkungen und Nadelstichen, die mir nicht erspart bleiben werden."
„Und ich meinerseits wüßte Niemand, der sich zu diesen Nadelstichen versucht fühlen könnte, Niemand. Und kämen sie doch, nun so gibt es Mittel, ihnen Zn begegnen. Das mag meine Sorge sein. Frisch auf denn, Franziska, Muth und Hoffnung! In mein altes Schloß Arpa soll wieder das Leben einziehen, und das Ungarn der Wirklichkeit soll Sie das Ungarn Ihrer Kinderphantasie, so denk' ich, für immer vergessen lassen." (Fortsetzung folgt.)
Aus der neuen deutschen §yrik.
Arühlingslied. Von B7ax Brauer.
(Ungedruckt.)
wenn's Frühling auf den Feldern wird, wird's Frühling in den Herzen auch; Denn jede Blüte, die entschwirrt,
Und jede Knospe, die am Strauch Sich hebt, ruft es dir schwellend zu: Nun ward es Mai,
Nun blüh' auch du!
Und wie verwandelt ist die Brust;
Sie fühlt es nun mit einemmal,
Es brachte neue Lebenslust Vom Berg der junge Sonnenstrahl;
Er ruft es hell dem Auge zu:
Nun ward es Mai,
Nun lach' auch du!
Und wie vom Schnee des winters thaut Ls plötzlich, und der Trillerschlag Der Nachtigall ruft jung und laut Ein Lied des Frühlings in den Tag; Die Nachtigall, sie sang mir's zu:
Nun ward es Mai,
Nun sing' auch du!
Und singen will ich nun und bliihn Und lachen mit dem Lenz im Bund,
Und wie der Mai das Lrdengriin,
Nun lösen deinen Rosenmund;
Drum glühend ruf' ich es dir zu:
Nun ward es Mai,
Sei hold mir, du!