Heft 
(1885) 30
Seite
708
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708

Deutsche Noman-Bibliothek.

N

Roman

von

Johannes van Dewall.

(Fortsetzung.)

Fünfzehntes Kapitel.

W-achdem die beiden Freundinnen also dafür gesorgt hatten, möglichst sicher

und angenehm leben Zu können, wurde beschlossen, wie man weiter verfahren wollte, um die Verwandten und deren gute und böse Eigen- ^ schäften möglichst genau kennen zu

lernen. Sie hatten es klüglich dnrchgesetzt, sich im Hause des Präsidenten eine Art von Burgsried Zu schassen, in welches sie sich immer wieder zurückziehen konnten; allerdings waren es keine starken Mauern, welche sie schützten, sondern lediglich die Furcht, der Tante Ungnade zu verdienen, wenn man seine Neu­gierde nicht zügelte.

Das war außerordentlich hart, denn vor Allem Karola und Egbert, aber auch der Präsident und nicht minder der Kommerzienrath brannten vor Be­gierde zu wissen, was die alte Dame eigentlich besaß und wo und wie sie ihr Vermögen angelegt hatte. Sie war ja in dem Alter, wo den Menschen leicht etwas ansicht, und außerdem, wenn Jemand das Klima wechselt und so dem Branntwein zuspricht ein Schlagfluß konnte unversehens dem Dasein der alten, lästigen Person ein Ende machen und was dann?

Man hielt es für mißlich und nicht rathsam, der Tante direkt aus ihr Vermögen bezügliche Fragen vorznlegen, man gedachte aber die junge Dame, ihre Begleiterin, auf irgend eine Weise zum Sprechen zu bringen; es war möglich, daß diese ihnen zum wenigsten einige Fingerzeige geben konnte. Vielleicht war sie auch ganz eingeweiht. Man wollte durch- sühlen lassen, daß man verstehen würde, sich sehr dankbar zu erweisen für einen Wink.

Die Ausführung dieser Absichten wurde ihnen überraschend dadurch erleichtert, daß die Tante nach einigen Tagen fast absoluter Unsichtbarkeit nur zufällig, wenn der Diener das Essen hereintrug, hatte Frida durch mehrere Portieren hindurch ganz im Hintergründe die dicke Musselinmasse gesehen das Bedürfniß fühlte, Menschen zu sehen. Sie ließ fragen, ob sie nicht störte, und kam nach dem Abend- brod, auf ihre Begleiterin gestützt und von John begleitet, hereingeschlurft in den Salon, in derselben im sinnigen Tracht wie neulich.

Sie nickte den Verwandten zu, scheuchte ihr Herandrängen Zurück und nahm schwerfällig in einem Divan Platz dort saß sie, verbreitete einen pronon-

cirten Alkoholgeruch, trank etliche Gläser luUk anä Kalk im Laufe der Zeit, welche ihr der getreue John herzutrug, schnupfte Tabak und saß, zumeist still zuhörend und nur die großen, glänzenden Augen be­wegend, im Halblicht da.

Der Assessor erfand sogleich einen Spitznamen für sie, der ihn selbst und Frida sehr ergötzte, er nannte sie den Uhu, und in der That, mit einem solchen hatte sie eine entfernte Aehnlichkeit.

Bisweilen mischte sich die Tante wohl in das Gespräch und zwar dann zumeist in gar urwüchsiger Weise.

Wo ist mein Cousin Leopold und seine Toch­ter?" fragte sie gleich den ersten Abend, und an­scheinend etwas ungehalten über die Vernachlässigung. Der Präsident erwiederte, es wäre zu spät gewesen, sie noch rufen zu lassen.

O!... zu spät? Das bedaure ich!... Zn spät, das ist ein schlimmes Wort!" versetzte sie vor­wurfsvoll und mit dem Kopfe wackelnd,hatte mich sehr gefreut, sie zu sehen."

Das nächste Mal soll es ganz bestimmt ge­schehen," versetzte der Präsident beinahe sanft. Seine Kinder ärgerten sich ganz gewaltig im Stillen darüber, daß er sich so bücken mußte vor der Tante, hüteten sich aber wohl, etwas merken Zu lassen, denn ein Jeder machte im Stillen sein Plänchen auf sie.

Ich weiß," fuhr die Tante in ihrem Kauder- wälsch fort,ihr Beide lebt nicht gut miteinander, das ist übel, sehr übel; aber so lange ich hier bin, will ich von euren Streitigkeiten nichts hören und nichts sehen."

Ihre Worte klangen befehlend, wie eine Rüge. So etwas war dem stolzen Präsidenten sehr un­gewohnt, aber er versicherte lebhaft noch einmal, das nächste Mal würde sein Bruder benachrichtigt werden. Wenn sie es wünsche, wolle er gleich noch zu Jenem schicken.

Nein, nichts da, anderes Mal," versetzte die Alte und rief dann den Assessor zu sich heran.

Nun, Du langer sluggarä, * hast Du Dich ent­schlossen, ob Du willst gehn nach Jndia?" fragte sie diesen und sah ihm groß in die unstäten Augen.

Ja, theure Tante," versetzte der Assessor er- röthend, denn der Ausdruck Kuggarä klang ihm doch ein wenig gar zu kordial, auch liebte er es gar nicht, daß man über ihn lachte, er hielt sehr aus Formen, wie sein Vater, das heißt gegen seine Person. Er

* Faulenzer.