Die Erbtante von Johannes van Dewati.
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warf deßhalb auch, ehe er fortfuhr, der kichernden Frida einen bitterbösen Blick hinüber.
„Nun .. . und?"
„Ich habe schon einmal umsatteln müssen, ich möchte es nicht gern zum Zweiten Male thun, wenigstens nicht ohne eine ganz bestimmte Aussicht."
Hier glitt ein beinahe unmerkliches Lächeln über Mariens hübsches, offenes Gesicht. Der Assessor sah es und legte es sich zu seinem Vortheil aus. Der junge Mann hatte eine sehr große Meinung von sich selbst.
„T^oll! Ich gebe Dir rseoininonäntlon an meine Freunde, wuas brauchst Du weiter?"
„Liebe Tante, ich habe hier eine feste Lebensstellung und ein festes Gehalt."
„Was kriegst Du?"
„Sechshundert Thaler."
„Wuiviel sein das in xoninU?"
„Neunzig Pfund Sterling."
„Für die Monat?"
„Nein, für das ganze Jahr," versetzte der Gefragte, sich jetzt plötzlich dieser kleinen Summe schämend.
„V^ell! sollst Du verdienen dort statt neunzig neunhundert pouncll im Jahr."
Der Assessor saß ein wenig wie auf Kohlen. Wäre er jetzt allein gewesen, er hätte schon gewußt, was er gethan Hütte, der Moment war günstig vielleicht zu einer Anleihe, denn die Tante schien sich lebhaft für ihn zn interessiren. Eine seine Röthe stieg in seine schmalen, sonst so blassen und kraftlosen Wangen, seine Augen bekamen einigen Glanz, selbst seine Hände machten eine nervöse, zusammenziehende Bewegung, aber nach Indien zu gehen, daran dachte er nicht im entferntesten, hier amüsirte er sich jedenfalls besser als in dem tödtlichen Affenklima.
„Du bist sehr gütig und mein Dank ist unbegrenzt, aber bitte, lasse mir noch etwas Zeit zu überlegen," versetzte er ausweichend und wollte den Handschuh der alten Fran an seine Lippen Ziehen. Sie aber scheuchte ihn mit einem Blicke zurück.
„Mit das lange Wnarten und Ueberlegen, da stiegen Einem die gebratenen Tauben am Munde vorbei," versetzte sie in ihrer kurzen, oft sarkastischen Weise.
Der Dragoner war nicht da, deßhalb kamen jetzt die Mädchen an die Reihe, — das ernste, verhärmte, unangenehme Gesicht ihrer ältesten Cousine flößte Elisabeth bei allem Widerwillen einigen Respekt ein, dagegen war ihr die alberne und egoistische Frida im höchsten Maße unsympathisch.
„Warum hast Du noch keinen Bräutigam?" fragte sie dieselbe urplötzlich.
Das Mädchen lachte laut und unschön auf.
„Weil ich ein armes Mädchen bin, Tante," antwortete sie, ohne sich zu besinnen, und sprang auf diese zu.
„Frida!" rief der Vater warnend.
Aber die Tante wußte sich schon selbst zu Helsen gegen naive Zudringlichkeiten: das geschwungene Taschentuch und die Dose setzten dem Uebersalle eine Schranke entgegen.
„Bei uns in Jndia heirathen die Mädchen auch
ohne Geld, aber Du scheinst mir noch ein wenig grün zu sein," versetzte sie grob. „Was thust Du den ganzen Tag? — Kannst Du kochen, ein Kleid machen, Wäsche flicken?"
„Liebes Tantchen, das habe ich nicht nöthig und das schickt sich auch nicht für ein junges Mädchen, deren Vater Präsident ist," versetzte Frida verletzt und beinahe ungezogen.
Von allen Seiten regnete es verweisende Blicke auf sie herab.
„So, so!" entgegnete die Tante, „schickt sich nicht! hm! — Nun, mein Kind, wenn ich hätte gedacht in meine jungen Jahre wie Du, ich hätte müssen verhungern, oder wuäre geworden das Opfer eines Bösewichts. Die Männer sind gar lasterhaft, frage nur Deinen Bruder . . . Arbeiten ist keine Schande und wer kein Geld hat und nichts kann, der ist doppelt arm und muß zittern vor der Zukunft.
„Du hast nicht recht gethan, Cousin," — hier wandte sie sich an den Vater, — „Deine Tochter zu erziehen in diese xrojuäieo. — Wuarum habt ihr euch lassen machen adelig?" fügte sie unversehens hinzu und richtete ihr großes, dunkles Auge beinahe spöttisch auf den sehr unangenehm überraschten Cousin. — Seine Würde und die der ganzen Familie litt unter solchen Unmanieren. Man sah wohl, die Tante kam aus Indien.
„Liebe Cousine, es waren verschiedene Gründe hiezu vorhanden," versetzte er trotzdem artig, „Gründe höherer Art, welche zum Therl in meiner Stellung, zum Theil in den hiesigen Sitten und Gebräuchen liegen, die Dir fremd geworden sein dürften. Vor Allem dachte ich dabei an meine Söhne und deren Fortkommen."
„Nun, — mein Six, ich war zwar ein armes, verlassenes Mensch, als ich wuar in Deutschland und nach meines Vaters Tode, aber ich habe mich nicht schlechter gedünkt, als mit so eine Verzierung vor mein ehrlicher Namen . .. darfst mich übrigens deßhalb nicht über die Schulter ansehen, denn mein seliger Mann, der Kapitän Macduff, ist ans einen: uralt adliges Geschlecht, — sein Name ist kein Pappenstiel! — Na, nichts vor ungut, jedem Narren seine Kappe!"
Hier setzte Marie leise ihren Fuß aus den der Freundin, sie also bittend, sich zu mäßigen.
„ Ist ein drolliges Land, mein alt Vaterland... Wo ist der Offizier?"
Es wurde ihr gesagt, der sei nicht zn Hause. Dann verlangte sie plötzlich Karten und begann Allen die Karten zn legen. Jedem sagte sie dabei etwas Unangenehmes: Karola versicherte sie, in der Abendstunde würde sie über ein Kurzes einen großen Schrecken bekommen, dem Präsidenten, es stände ihm eine Enttäuschung bevor, Frida, sie würde als alte Jungfer sterben, und Egbert, es würde sich Jemand bitter an ihm rächen. Marie theilte sie mit, sie segelte unter falscher Flagge; erhob sich dann plötzlich, ließ ein leises, dumpfes, zufriedenes Brummen hören, nahm noch eine Prise und nickte ihnen Allen zu.
„John!" ries sie. Der Diener kam hereinmarschirt mit lauten, harten Schritten.
„Gute Nacht," sprach sie freundlich, als wäre