Heft 
(1885) 30
Seite
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Deutsche Noman-Aibtiothek.

dem er das Priemen beibrachte und plauderte. John sollte mit den Indiern hinausfahren an den Strom, damit sie nicht melancholisch würden.

Was machtest Du da unten?" fragte Elisabeth.

O, ich schnackte nur ein wenig mit dem Diener vom Herrn Lieutenant," versetzte dieser trocken, aber mit beweglichen Aeuglein.

Was war das für ein Brief?" fragte Marie dazwischen und sah ihn an.

O ich weiß nicht ich glaube an das Fräulein, welches die Blumen sendet."

So? und was erfuhrst Du sonst noch von dem Dragoner?"

O! . .. Der Herr Lieutenant ist ausgeritten aus dem Dagomar, seinem Rennpferde; das andere von den beiden hat er verkauft."

Hat er ein gutes Geschäft gemacht."

dio, nicht daß ich wüßte, denn er hat nur verkauft, um Geld Zu haben."

Die Mädchen sahen sich an.

Und sagt der Bursche, der Lieutenant hat nicht mal behalten das Geld, sondern hat cs gegeben seiner Schwester. Er hat es selbst gesehen."

Der trockene John war ein Ziemlich aufmerksamer Beobachter nach alledem und verstand auch Zu sprechen, wenn er wollte.

Und ist der Dagomar ein gutes Pferd?" fragte Elisabeth, um über jenen heiklen Punkt hinwegzu- kommen.

Oll ^68, sehr gutes Pferd. Er hat gewonnen damit schon viele Wetten ein englisches Pferd," fügte er mit Nachdruck hinzu.

So? nun das freut mich, John. Nun hole einen Wagen und schaffe Deinen Freunden eine tüchtige Bewegung."

John verneigte sich und ging hinaus. Mit seinen Indiern und einem großen Blumenflor fuhr er an eine abgelegene Stelle des Stromes und schaute mit dem Kutscher hernach gelassen Zu, wie der Parse die Blumen in den Strom warf und mit gekreuzten Händen sich bald gegen ihn, bald gegen die Sonne verneigte.

Asta stand stumm, mit ebenfalls über der Brust gekreuzten Armen neben ihrem Landsmann und schaute ihm zu mit ihren schmachtenden, tiefen Rehaugen, aber ohne sich Zu regen und an jenem Opfer Theil Zu nehmen, denn sie war eine Buddhistin, ihr Glaube und die Gebräuche desselben waren andere. Ihre Duldsamkeit hätte aber manchen Großen beschämen können, sie spottete nicht über die Religion ihres Landsmannes, sie fühlte einen heiligen Schauer und ihre Gedanken und Gebete fanden friedlichen Raum neben jenem Opfer des Andersgläubigen. Nur die Großen verbrennen sich unter einander des Glaubens wegen.

Siebenzehntes Kapitel.

Am Abend desselben Tages hatten die Beiden nach Menschen suchenden Freundinnen ein kleines Abenteuer zu bestehen, welches leicht für sie von un­angenehmen Folgen hätte sein können. Die Luft war gar so lau und verlockend, es zog sie unwider­stehlich hinaus in's Freie. Sie machten Toilette,

banden sich dichte Schleier vor und verließen das Haus, wie gewöhnlich, unbemerkt. Um diese Zeit glaubte man die Tante bereits nach so und so vielen balk anä balk der Ruhe übergeben.

Sie nahmen einen Wagen und fuhren nach der Terrasse. Sie fanden durch Hülfe des Kellners einen kleinen freien Tisch, bestellten sich ein Abendbrod und genossen alle Eindrücke des Augenblicks. Die Terrasse liegt am Ufer des Stromes. Ein weiter, freier Platz breitet sich vor einem sthlvollen Restaurant aus; zwischen Blumen, Voskets, auf Marmorfliesen sitzen hier allabendlich Hunderte von Menschen und genießen den zauberhaften Blick und hören die herrliche Musik.

Tief von unten herauf aus dem Dunkel erglänzt der breite Strom mit seinen Lichtern, funkelt ge­spenstisch die Wasserfläche; dort hinten überspannen sie zwei stattliche Brücken, deren Laternen sich in langen, zitternden Streifen in derselben Wiederspiegeln. Drüben liegt die Neustadt mit ihrem Glast von Gas und Tausenden von rothen und gelben Lichtern, und weiter hinaus umsäumt die Ufer die Villenvorstadt mit ihren Palästen, aus denen hie und da ein Heller Lichtschein durch das Dunkel auszuckt. Das Ganze gleicht einem phantastischen Märchen, gegen welches die Sinne sich niemals abstumpfen, und sähe man es täglich.

Die beiden Freundinnen gaben sich ganz dem Reize des Augenblicks hin. Sie verzehrten ein hüb­sches, fröhliches Mahl, tranken eine halbe Flasche Chanipagner dazu, lauschten der Musik und betrachteten ihre Umgebung. Stuhl stand hier bei Stuhl, Tisch bei Tisch, und die Köpfe bildeten eine förmliche Wand, so daß der Gesichtskreis beschränkt war, aber nach einer Richtung hin hatten sie Aussicht, denn ihr Platz befand sich unfern des Hauptweges, und zwischen den verschiedenen Lücken hindurch konnten sie be­obachten, was dort vorging.

Schon seit längerer Zeit waren sie aufmerksam geworden auf zwei Damen, welche dort saßen, sehr geputzt und ziemlich laut und etwas auffallend in ihrem Wesen.

Marie stieß Elisabeth an und deutete vorsichtig dort hinüber; sie bemerkten neben jenen Damen nämlich jetzt einen Herrn, einen Bekannten noch dazu. Unwillkürlich band Marie den grauen Schleier höher um das Kinn, denn jener Hiuzugekommene war niemand Anderes als Egbert von Steinsurt, der Assessor.

Dein ehemaliger Courmacher klebt immer noch am ewig Weiblichen," scherzte diese.

Der ahnt nicht, wer hier sitzt!" versetzte Elisabeth mit einem kleinen Stirnrunzeln und einer Miene des Abscheus.

Der Schreck wäre ein doppelter."

Er scheint dort gut bekannt zu sein, die Kon­versation geht Ziemlich lebhaft."

Ich vermag Dir gar nicht zu sagen, wie zuwider mir dieser Herr Neffe ist und mit welcher Mühe nur die alte Tante oft das Gelüst unterdrückt, dem jungen Herrn einmal gehörig die Wahrheit zu sagen. Es liegt so etwas Gemeines, Selbstsüchtiges in der Natur dieses Menschen."

Ein Heuchler und ein Egoist. Enterbe ihn!