Die Erbtante von Johannes van Dewall.
715
— doch ich bin undankbar, er bemüht sich, mir den Hof zu machen."
Unfern von ihnen rasselten Säbelscheiden über den Fliesen und zogen ihre Blicke dorthin. Sie sahen einige Reiterofsiziere, welche, die Cigarre im Munde, in der Zwischenpause auf und ab schlenderten und ziemlich ungenirt das Publikum, die weibliche Hälfte desselben vor Allem, musterten.
An dem Tische, an welchem der Assessor saß, blieben sie stehen und wechselten mit diesem und seinen Damen einige kurze Worte, dann kamen sie langsam heraus, gingen unweit von ihnen vorbei, entfernten sich dann und kehrten abermals zurück.
Einer von ihnen, ein hübscher, rothbäckiger Husar mit einem ziemlich arroganten Gesichte, machte zuerst die Entdeckung, daß dort Zwei einzelne Damen saßen. Er blieb stehen, klemmte den Kneifer fest in's Auge und machte seinen Begleiter aus sie aufmerksam; er that das mit einer Ungenirtheit und Sicherheit, die von großer Praxis und Selbstschätzung Zeugniß gab.
Die beiden Mädchen sahen kaum, daß man sie auf's Korn nahm, als Marie auch sofort ihren Schleier noch mehr vor das Gesicht zog und diesem nach Möglichkeit einen fremden Ausdruck verlieh. Elisabeth, im Gefühle ihrer Sicherheit, richtete sich aus und ließ ihr schönes Auge dort hinüberspielen, fest und voll weiblicher Würde. — Wie wenig kannte sie aber diese Leute!
„Auf Ehre, Rothkirch — sie gibt Feuer," sprach ein magerer, kleiner Reiterosfizier mit einem komischen, grämlichen Gesicht und einer merkwürdig dünnen und durchdringenden Stimme.
„Um Gottes willen, schau' nicht hinüber," bat Marie, mehr belustigt im Grunde, als erschrocken.
„Freche Gesellschaft!... Und so häßliche Menschen," versetzte Elisabeth, sich langsam herumwendend.
„Ganz verschleiert die Eine — das hat was zu bedeuten, lieber Stern, das muß untersucht werden," sprach der Husar mit einem zufriedenen Lächeln, faßte seinen kleinen Kameraden unter den Arm und kam mit demselben den schmalen Quergang herunter, rechts und links anstoßend an Stühle oder Schultern.
Neben den beiden Damen blieben sie einen Augenblick stehen und musterten sie ungenirt. Als diese aber mit keiner Wimper zuckten und an ihnen vorbeisahen, als wären sie Luft, schien ihnen ihre Position ein wenig unbehaglich zu werden.
„Entweder sehr häßlich, oder zu schön für uns arme Sterbliche," sprach der Reiter mit einem kümmerlichen Lächeln und zog den Husaren mit sich fort.
„Gottlob! die wären wir los," sprach Elisabeth halb zornig, halb lächelnd, als sie außer Hörweite waren.
„Wenn noch zum wenigsten ein recht Hübscher dabei gewesen wäre, aber zwei solche Vogelscheuchen," scherzte Elisabeth.
„Nun, der Husar war nicht übel, nur zu arrogant."
Der Kellner kam und brachte ihnen das Dessert. Sie begannen dieses Zu verzehren. Ein Gerassel von Säbeln ließ sie von Neuem aufschauen, in ihrer Nähe erblickten sie abermals blaue Röcke, dieses Mal aber waren es ihrer fünf. Sie standen in dem Hauptwege, musterten sie mit einer indolenten
Miene, als wären sie gute Prisen, und beratschlagten, wer sie sein könnten.
„Es gibt nur ein Mittel hier — ich kenne diese Herren, sie sind überall dieselben, — so thun, als ob man sie gar nicht bemerkt," sprach Marie, welche der Freundin zornige Miene gewahrte.
„Eine Unverschämtheit sondergleichen! ich werde den Kellner rufen."
„Aergere Dich nicht, — laß ihnen das Vergnügen. Ich denke, wir sitzen noch gar manchmal hier, Härten wir uns ab."
Zwei andere Herren drängten sich durch den schmalen Gang, fixirten sie scharf und gingen unbeachtet weiter; das Publikum begann bereits aufmerksam zu werden, einige anzügliche Bemerkungen folgten den Abziehenden aus den Fersen.
Für eine Weile verschwanden Alle, dann aber plötzlich kehrten sie mit Sukknrs zurück, der Diplomat hatte sich ihnen zugesellt.
„Du — jetzt wird es ernst," raunte Marie der Freundin zu.
„Laß ihn nur kommen!"
„Aber wenn er Dich erkennt, Fräulein Luz aus Bernd"
„Er wird es nicht — und wenn auch."
Sie unterbrach sich.
„Auf Ehre — reizend!" sprach eine laute, gezierte Stimme.
„Mich soll doch wundern, ob hier ein paar anständige Frauen nicht unbelästigt sitzen können," sprach Marie ziemlich laut, die Köpfe einiger Herren und Damen wandten sich herum, mit einem Ausdrucke von Zustimmung.
Der Diplomat, die Hände hinten unter den Rock gesteckt, gefolgt in einiger Entfernung von dem Husaren, kam jetzt den Gang herunter, sein unverschämtes, häßliches Gesicht leuchtete im Lichte des Gases, verzerrt von einem süffisanten Lächeln.
Vor dem Tische der Damen blieb er stehen und musterte diese — er fuhr zuerst ein wenig zurück und sah ziemlich albern ans, wie Jemand, der eine Ueberraschung erfährt, dann lächelte er abermals und noch süffisanter, — er hatte sich getäuscht.
„Fräulein von Meerkatz, wenn ich nicht irre," redete er, nachlässig seinen Hut ziehend, dieselben an, — die Blauen stießen sich an und lachten — was für ein ver..... schneidiger Kerl der Steinfurt war!
Es erfolgte keine Antwort.
„Sie gestatten gewiß, daß ich mich auf einige Augenblicke zu Ihnen setze, meine Damen," damit nahm der Assessor ohne Weiteres neben Marie Platz, welche ihren Schleier bis zur halben Wange heraufgezogen hatte. Entrüstet wollte Elisabeth sich erheben; aber Marie hielt sie fest.
„Kellner!" rief sie, ohne eine Miene zu verziehen.
„ Madame!"
„Entfernen Sie diesen Lästigen und bringen Sie Eis!" befahl sie laut.
Ein schallendes Gelächter der umsitzenden Gäste folgte diesem Akt der Selbsthülfe; man nahm offen Partei für die Damen, Worte wie „Flegel", „Unverschämter", „hochgeborener Pöbel" und dergleichen wurden vernehmlich.