Graf Petöfy von Theodor Fontane.
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wenigsten der Ehrgeiz. Ja, der Ehrgeiz ist ein großer Versucher."
„Aber nicht der größte."
„Welcher andere?"
„Sag' es Dir selbst."
In diesem Augenblick hörten Beide, daß draußen die Glocke gezogen wurde, zweimal, aber nicht stark, und Hannah ging, um nachzusehen. Ein Diener gab ohne weitere Bemerkung ein Bouquet ab, in das eine Karte gesteckt war. Aus der Karte selbst aber stand: „Egon Graf Asperg."
Franziska wurde roth. Wußte der junge Gras schon von dem Geschehenen? Oder war es ein Spiel des Zufalls?
Dreizehntes Kapitel.
Die Nachricht von einer stattgehabten Verlobung zwischen dem Grafen und Franziska machte viel von sich reden; als aber einen Monat später erst in der Augustiner- und dann in der protestantischen Kirche der Gumpendorserstraße die Doppeltranung stattgefunden hatte, beruhigte man sich um so rascher, als Alles, was von medisanten Bonmots in Kurs gesetzt werden konnte, schon in den Tagen vorher verausgabt worden war. Unter allen Umständen kam nichts davon zur Kenntniß des gräflichen Paares, das sich unmittelbar nach der Trauung, nur in Begleitung von Andras und Josephinen, einem neu engagirten und echt wienerischen Kammermädchen, zu mchrwöchentlichem Aufenthalte nach Oberitalicn begeben hatte. Von dort aus sollte dann die Rückreise direkt nach Schloß Arpa hin angetreten werden, wohin Hannah in Begleitung einiger anderen Dienerschaften schon gleich nach der Hochzeit aufgebrochen war. Franziska hatte sich schwer von ihr getrennt, aber gerade bei der Vertraulichkeit, die Zwischen ihnen herrschte, diese Trennung doch auch wieder als nöthig angesehen.
Der Aufenthalt in Oberitalien begann am Gardasee, woran sich dann ein Besuch von Venedig schloß, von Venedig, das Franziska noch viel schöner fand, als sie gedacht und geträumt hatte. Nichtsdestoweniger war sie, nachdem sie zehn Tage lang alles Gefrorene durchgekostet und eine Legion von Erbsendüten an die Markusplatztauben verfüttert hatte, am elften Tage froh, den Aufenthalt abgebrochen zu sehen, und zwar um so mehr, als der Gras Willens war, aus der Rückreise noch Etappen zu machen, vor Allem in Verona, das vor länger als einem halben Jahrhundert sein Garnisonsort und der Schauplatz seiner ersten Triumphe gewesen war. Franziska hatte lachend eingewilligt, aber doch nur unter dem Zugeständnis daß ihr das Haus und Grab der Julia Capulet gezeigt werde, „weil Liebesgeschichten mit tragischem Ausgange nun 'mal ihre Passion seien". Und nach diesem Programm war die Rückfahrt auch wirklich angetreten und ausgeführt worden, erst in kleinen, oft unterbrochenen Tagereisen, bis man endlich, von Station Botzen aus den Eilzug benützend, in zwölsstündiger Fahrt die Südspitze des großen Arpasees erreicht hatte. Hier an der Südspitze lag Nagy-Vasar, ein Flecken, von dem aus dreimal täglich ein Dampfschiff bis zu dem am Nord
ufer des Sees und zugleich zu Füßen von Schloß Arpa gelegenen Städtchen Szegenihaza ging.
Das Schiff hatte sich eben in Bewegung gesetzt, denn die Abfahrtszeit, zwei Uhr, Warschon vorüber; als aber der auf seiner Kommandobrücke stehende Kapitän des Schiffes des Grasen ansichtig wurde, gab er Contredampf, legte noch einmal an und empfing respektvoll die Herrschaften. Franziska sah auf der Stelle, wie beliebt der Gras war und welches Ansehen er bei Hoch und Niedrig genoß.
Es war ein glühheißer Tag, aber das ausgespannte Zeltdach und mehr noch der Wind, der ging, ließen die Hitze nicht unangenehm empfinden. Am wenigsten empfand sie Franziska, die nicht müde wurde, die prächtigen Bilder, die der See bot, in sich aufzunehmen. Wohl war der Gardasee schöner gewesen, aber Alles interessirte sie hier mehr, weil sie berufen war, zu dem Allem in eine nähere Beziehung zu treten. Der alte Graf las nicht eigentlich, was in ihrer Seele vorging, aber er freute sich doch lebhaft ihrer aufrichtigen und ganz unverkennbaren Theilnahme.
„Nun glaub' ich," hob er an, „wird es an der Zeit für mich sein, den Cicerone zu machen. Sieh', das da drüben ist Szent-Görgey. Und dieß hier unten am Abhang mit den zwei Windmühlen, das ist Mihalifalva."
„Mihalifalva! Wie schön das klingt!"
„Und ist doch das Prosaischste von der Welt. Was meinst Du Wohl, was sich hinter diesem Mihali- salva verbirgt? Mihalifalva heißt Michelsdorf. Alles hier herum ist tülva, sehr natürlich, denn kalva heißt Dorf. Und damit hast Du den Schlüssel, der Dir den ganzen poetischen Zauber aufschließt. Das da mit dem Schindelthurm ist Jwanifalva. Wundervoll, denkst Du. Nicht wahr? Aber bei Lichte besehen heißt es Hansdorf."
Unter allerlei Fragen, die Franziska that, wurde der Graf immer beredter und begleitete die Namen der umherliegenden Dörfer und Städte bald auch mit Anekdoten, unter denen einige nicht nur pikant genug, sondern auch ganz darauf berechnet waren, Franziska die Gesellschaftskreise kennen zu lernen, in die sie nun binnen Kurzem eintreten sollte.
Gegen Sechs legte das Dampfschiff an der weit vorgebauten Landungsbrücke von Szegenihaza an, das Endstation und für die Nordhälste des Sees genau dasselbe wie Nagy-Vasar für die Südhälste war. Etwas landeinwärts erhob sich Schloß Arpa steil und mächtig und überblickte den See.
„Sieh'," sagte der Graf und wies hinaus.
Andras und Josephine blieben des Gepäckes halber zurück, und in einen: leichten Korbwagen, dessen Trittbrett sich nur handhoch über der Erde befand, fuhren jetzt Gras und Gräfin von der Landungsbrücke her auf das Schloß Zu. Die Sonne stand hinter einem alten, halb abgebrochenen Steinthurm, an dem anscheinend zwei nach außen hin an einem Balken oder einer Welle hängende Glocken gezogen wurden und sich schattenhaft hin und her bewegten, während ihr immer mächtiger werdender Klang die Luft erfüllte. Der Weg war wie eine Tenne, zu beiden Seiten stand der Mais über mannshoch und