Heft 
(1885) 31
Seite
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Deutsche Noman-Sibtiothek.

dazwischen dehnten sich große Beete mit Wasser­melonen, die durch einen vom Schloßberg herab­kommenden Bach bewässert wurden. Im Fluge ging es daran vorüber, die kleinen Pserde schüttelten ihre Mähnen, und in das tiefe Geläut der Glocken klang der Ton ihrer Glöckchen.

Aber nun kam die Steigung und die Pferde sielen wie von selbst aus dem Trab in den Schritt. Auch das Läuten oben wurde schwächer und schwieg endlich ganz, so daß der Gras den Kutscher auf Ungrisch fragte, was es sei. Bevor dieser aber antworten konnte, begann das Läuten wieder; es waren in- deß nicht zwei Glocken mehr, die gingen, sondern nur eine.

Franziska ihrerseits hatte bei der Fülle von Bildern, die sich ihr boten, des Zwischenfalles nicht Acht. Alle hundert Schritte waren Laubguirlanden gezogen, an denen die Petöfy'schen Farben flatterten, und auf einzelnen Felsvorsprüngen standen Männer und Frauen und schwenkten ihre Tücher und Hüte. So kamen sie bis an das Thor und fuhren unter seinem Wappeustein fort in den Schloßhof ein.

Der Graf sprang aus dem Wagen, bot Franziska den Arm und führte sie von der Rampe her in die große dunkle Flurhalle. Hier hatten zahlreiche Dienerschaften Spalier gebildet und grüßten und knixten, während Graf und Gräfin au ihnen vorüber in den oberen Stock Hinaufstiegen, in dem eine Reihe Zimmer für Franziska hergerichtet war. Der Graf, wie wenn sie sein Gast gewesen wäre, verneigte sich vor der Entreethür und sagte mit einem ihm sonst uneigenen Ernste:Gesegnet sei Dein Ein- und Ausgang! ... Ich schicke Dir nun Hannah ... Sie hat sich, seh' ich, nicht vordrängen wollen, aber Du wirst ihrer bedürfen." Und nach diesen Worten em­pfahl er sich und ging in das Erdgeschoß zurück, wo die von ihm bewohnten Räume gerade unter den ihrigen lagen.

In Franziska's Zimmer dämmerte das Licht des scheidenden Tages. Was sie zunächst sah, war ein Muttergottesbild über ihrem Schreibtisch. Es gab ihr im ersten Augenblick einen Schreck, und als Hannah gleich darnach eiutrat, ging sie rasch auf diese zu und umarmte sie.

Hannah ihrerseits machte sich los, um ihrer Freundin, die sie jetzt verlegen und doch zugleich auch mit einem Anfluge von Schelmereiihre liebe Gräfin" nannte, die Hand zu küssen. Aber Franziska schloß ihr den Mund und sagte:Was Gräfin! Gräfin bin ich vor den Leuten. Hier bin ich Deine Fran­ziska. Wie's war, so bleibt es... Gott, liebe, liebe Hannah, wie Du mir gefehlt hast! Jede Stunde. Sieh', der Graf ist so gut gegen mich, zu gut.. . Aber erst nimm mir den Mantel ab und dieß noch, und nun gib mir ein Glas Wasser, damit will ich anfangen im schönen Ungarland. Ich bin so be­nommen, so verschmachtet... so, das hat mich er­quickt... verschmachtet von der Hitze, von dem vielen Sehen und der Aufregung und Fremdheit. Sieh' doch nur." Und sie wies auf das Muttergottesbild.

Ich mußt' es lassen, Fränzl, und auch den Rosenkranz, den sie dem kleinen Christus über den Arm gehängt haben. Aber das große weiße Lilien­

bouquet, das drunter stand, das Hab' ich dem alten Gärtner wieder abdisputirt und ihm gesagt, die Gräfin kriege Kopfweh."

Da hast Du recht gethan. Und nun geh' vor­auf und zeige mir die Räume, darin ich wohnen soll."

Es waren nur wenige Zimmer. An das Wohn­zimmer, darin sich Beide zunächst befanden, schloß sich ein Toiletten- und Schlafzimmer. Dann aber kam ein Treppchen, nur drei, vier Stufen, das Zu Hannah's Gelaß, einem eingebauten Alkoven, hinauf­führte.

Das ist nun also mein neues Heim," sagte Franziska.Weißt Du, Hannah, es gefällt mir und gefällt mir auch namentlich um deßhalb, weil es nicht größer ist, als es ist; nicht so endlos. Und nun zeige mir auch, was wir nach der andern Seite hin haben. Oder sage mir's wenigstens."

Da haben wir erst den Saal mit dem großen Balkon und hinter dem Saal ein Billardzimmer und die Bibliothek. Und hinter der Bibliothek die Bilder­galerie."

Hier wurde Hannah durch das Eintreten eines alten und kränklich aussehenden Dieners unterbrochen, der mit vieler Förmlichkeit meldete, daß der Graf die Frau Gräfin erwarte, so's der Frau Gräfin ge­nehm sei. . . Auf der Veranda.

Wer war der Alte?" fragte Franziska.

Das war Herr Koloman Czagy, des Grafen erster Kammerdiener. Er > kränkelt seit einiger Zeit und war deßhalb letzten Winter nicht mit in Wien, sonst hätten wir seine Bekanntschaft schon früher machen müssen. Ja, Herr Koloman ist mit dem Grafen jung gewesen und gilt fast noch mehr als der Andras."

Ah, ich versteh'. Aber unter allen Umständen will ich den Grafen, seinen Herrn, nicht warten lassen. Arrangire mir nur das Haar ein wenig, es ist so zerzaust vom Wind, und erzähle mir dabei. Du mußt ja während dieser drei Wochen eine ganze Welt von Dingen erlebt haben, und wenn ich Dich so stehen sehe, kommst Du mir schon halb ungrisch vor. Bring' mir nur ein paar Worte bei, daß ich wenigstens ,Guten Tag' oder ,Wie geht es Ihnen?' sagen kann. Ich will dem Grafen eine Freude machen. Er ist so dankbar für Kleinigkeiten."

Der Thee ward auf der Veranda genommen und dabei lebhaft und in heiterem Tone geplaudert.

Ich hoffe, daß nichts fehlt," sagte der Gras.

Im Gegentheil," scherzte Franziska.Mehr ist da, als ich erwarten durfte, selbst eine Mutter Gottes über dem Schreibtisch."

Er lachte.

Ja, Fränzl, ohne das thun wir's halt nit, und a bissel für's Haus ist auch in alle Wege gut, wie Riechsalz oder Melissengeist. Ehe man's sich versieht, braucht man's und fragt nicht lang, ob es aus einer Klosterapotheke stammt oder aus einer andern. Kon­fession! Bah, das bedeutet nicht viel. Es gibt so Vieles, was drüber steht und sich unmittelbar an den Menschen wendet, er sei so oder so. Sieh', ich glaub' eigentlich nichts und überlaß es meiner