Graf petöfy von Theodor Fontane.
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Schwester-Gräfin, mich aus dem Fegfeuer oder auch noch von wo andersher frei zu beten, aber unsere schwache Natur ist doch schließlich immer stärker als unser stärkster Unglaube, der an konck bloß renommirt und keine Courage hat, das weiß ich von mir selbst, und sowie was auf dem Spiele steht oder auch bloß eine Gicht oder ein Zwicken kommt, so schiel' ich nach meinem heiligen Stephan hinüber, der über meinem Schreibtisch steht, gerad' so wie das Muttergottesbild über dem Deinen, und sage: ,Nun Hut' Dich und sput' Dich, Stephanerl, und thu' was für einen Magyar und ehrlichen Christenmenschen? Und steh', Fränzl, ich denke mir, so was steckt in Jedem und am End' auch in einer kleinen, lieben Ketzerseele."
So ging das Gespräch, ganz wie der Graf es liebte, pointirt und an Klippen hin, aber so munter und gut gelaunt es Zu sein trachtete, der Ton voller Unbefangenheit wollte doch nicht aufkommen. Ihn beschäftigte die Frage, wie sie sich in dieser ihr fremden Welt wohl Zurecht finden werde, während sie von der Sorge beherrscht blieb, daß eine tiefe Verlegenheit, die sie fühlte, sich doch vielleicht in ihrem Auge verrathen haben möchte.
Der Abend brach endlich herein, und ein kühlerer Lnftstrom kam vom See her, aber es war kein Wind, die Lampe flackerte nicht, und der lang herabhäugende Schleier derselben bewegte sich nur, wenn sich einer der Nachtschmetterlinge darin verfing. Endlich wurde der Mond über dein Gebirge sichtbar und stand so licht und klar da, wie wenn er den Frieden besiegeln wolle, der drunten ausgebreitet lag. Franziska blickte still und tief aufathmend hinauf, und auch der Graf schwieg, als er sah, wie das Bild sie berührte.
Dann erhob sie sich und bot ihn: eine gute Nacht.
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Oben fand sie Haunah, die die Fenster geöffnet hatte.
„Wonach stehst Du?"
„Nach dem Gießbach, der hier links vom Schloßberg kommt. Er sickert jetzt bloß so hin und wartet auf die Regenzeit. Da soll's dann eine Pracht sein."
„Ist aber doch besser so. Der Regen macht immer trüb und sperrt Alles ein. Ich bin für Sonne, Licht und freie Bewegung, nur freilich heute nicht mehr. Es war doch ein anstrengender Tag, der mich müde gemacht hat. Komm', kleide mich aus und erzähle mir; ich Hab' ohnehin noch allerlei Fragen. Sage, spukt es hier?"
„Ich habe noch nichts gesehen."
„Das beruhigt mich nicht ganz. An Dich können sie nicht heran, Du bist wie das leibhaftige Vaterunser. Aber jedes alte Schloß hat nun 'mal einen Spuk. Ich weiß es aus unserer Gegend, und es wird hier nicht anders sein. Auf jede hundert Jahre kommt ein Gespenst."
„Aber wie Du nur sprichst. Da müßten wir hier ja zwei haben."
„Und haben wir gewiß auch."
„Ein schwarzes und ein Weißes," lachte Hannah. „Und Du willst eine Protestantin sein und eine Pastorstochter? Nein, das hat mir mein Vater selig
mit dem Stock ausgetrieben. Und ich dank' es ihm noch. Das ist so für Wilde. So wie hier."
„Wilde? Das darfst Du nicht sagen; ich werde Dich beim Grafen verklagen. In Ungarn ist Alles gut und hohe Kultur. Aber nun geh', ich werde sehen, was ich träume. Was man in der ersten Nacht träumt, das bedeutet was."
„Schlafe nur überhaupt, das bedeutet Dir das Beste."
Damit trennten sie sich, und nur die Thüren bis zu Hannah's Schlafzimmer hin sollten offen bleiben. Franziska hörte noch, wie Hannah die Stufen zu dem Alkoven Hinaufstieg; dann wurd' es still.
Aber nicht auf lange. Rechtshin, im Gebirge, mocht' es gewittert haben, und heftige Windstöße, die jetzt über den See kamen, umlärmten das Schloß so heftig, daß Franziska trotz aller Müdigkeit davon geweckt wurde. Was sie besonders erschreckte, war ein Raffeln wie von Eifenstäben, und so stand sie denn auf und trat in den ihrem Wohnzimmer vorgelegenen großen Saal ein, um hier nach der Ursache Zu sehen. Alsbald bemerkte sie, daß es ein weit vorgebauter alter Balkon sei, dessen vom Winde gerütteltes Gitterwerk solchen unheimlichen Ton gab. Ihre Beängstigung schwand jetzt, aber Zu noch weiterer Beruhigung ging sie doch bis zu Hannah's Alkoven und horchte hier auf das Athemholen der fest und ruhig Schlafenden.
„Ein gutes Gewissen," sagte sie. „Warum bang' ich mich? Ich war doch sonst nicht so furchtsam."
Und sie tappte sich wieder zurück und schlief endlich ein.
Vierzehntes Kapitel.
Franziska war früh wach, fetzte sich an das offene Fenster und sah auf den See hinaus, den von rechts her hohe Berge, von links her Hügelzüge mit Dörfern und Weingärten einfaßten. Einer aus der Reihe dieser Hügel aber, der höchste, war der Schloßberg, dessen steiler Abfall ihn, in der Front wenigstens, noch höher und stattlicher erscheinen ließ, als er war. Er bezeichuete genau die Stelle, wo die Hügellandschaft in das gebirgige Terrain überzugehen anfing. Am Fuße wand sich ein Bach, und Franziska, die gerne sehen wollte, woher er komme, bemerkte, nachdem sie seinen Lauf auch nach aufwärts hin verfolgt hatte, daß es derselbe von der Schloßberghöhe herabkommende Gießbach sei, nach dem Hannah am Abend vorher ausgeschaut hatte.
Sobald sie sich in dem Allem zurecht gefunden, wandte sie sich wieder in das Zimmer zurück, um sich hier allmälig und mußevoll mit dem Raum vertraut zu machen, darin sie nun leben sollte. Die Möbel waren alt, aber wohl erhalten, und jedes Stück interessirte sie, Zumeist eine Nokokokommode, die mit Schildpatt und großen goldenen Griffen reich ausgestattet war. lieber dieser Kommode befand sich eine Bücheretagsre von Nußbaumholz, auf deren oberstem Bord allerlei Meißner und chinesisches Porzellan stand, links und rechts zwei kleine Pagoden. Sie setzte dieselben in Bewegung und sah ihrem gravitätischen Kopfnicken zu. Dann aber nahm sie neugierig einige Bände.
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