Heft 
(1885) 31
Seite
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Deutsche Noman-Bibliothek.

ließen es herumführen im Schritt und im Trabe und zogen schließlich mit demselben ab. Tief be­trübt ging der Lieutenant in's Haus und ohne auch nur im entferntesten zu ahnen, wie scharf man ihn beobachtet hatte in der ganzen Zeit.

Einundzwanzigstes Kapitel.

Seit sich das Gerücht in der Stadt verbreitet hatte, daß eine indische Dame mit fabelhaften Reich- thümern daselbst angekommen sei, konnte es natürlich nicht ausbleiben, daß dieselbe mit Bittgesuchen be­stürmt und von allerhand zweifelhaften Persönlich­keiten belästigt wurde. In einer jeden Großstadt gibt es ja ein Heer von verschämten und unver­schämten Bettlern, welche sich solche Gelegenheiten zunutze machen.

Um sich gegen diese Zudringlichkeiten zu sichern, hatte die Erbtante einen Rath befolgt, welchen der Kommerzienrath ihr gegeben hatte, der zwar selten mehr in das Haus kam, aber brieflich beinahe täglich seine guten Dienste, und namentlich in Geld­angelegenheiten, anbot.

Sie hatte einem Armenverein eine größere Summe gesandt, mit der Bitte, alle jene Briefe zu prüfen und nach Gutdünken damit zu verfahren. Bittsteller, welche persönlich vorsprachen, wurden unnachsichtlich ab­gewiesen. Es kamen deren nicht wenige, Herren und Damen in den feinsten Toiletten, darunter gewandte Leute, welche mit aller List einzudringen suchten, aber der brave John und auch der Bediente des Hauses wiesen sie allemal an Karola und diese ver­stand es vortrefflich, dieselben abzuwettern.

Gegen halb ein Uhr stieg ein großer Herr, mit einem prächtigen Vollbart, in Oberrock und schwarzen Beinkleidern und Handschuhen gri8 xsrls die Treppe des Regierungsgebäudes hinauf und klingelte in der ersten Etage.

Der Diener öffnete.

Ist Mrs. Macduff Zu Haus?"

Ein mißtrauischer Blick denn Jener meinte nicht anders, als es sei wieder einer der bewußten vor­nehmen Bettler, den er vor sich habe, da er den Doktor nicht kannte. Er war erst seit einem halben Jahre im Dienst des Präsidenten und dieser hatte seit der ganzen Zeit das Haus seines Verwandten nicht betreten.

Ich glaube kaum," versetzte der Diener mitten in der Thüre stehend, diese gleichsam mit seinem Leibe schützend.

Aus seinen dunklen klugen Augen warf der Fremde dem Burschen einen Blick Zu; ohne un­gehalten zu sein, griff er ruhig in seine Brusttasche und zog ein Täschchen hervor.

Tragen Sie das der Dame hinein," befahl er.

Vorsichtig schloß Jener die Thür und las drinnen erst die Karte.

vr. Arnstein, praktischer Arzt, stand auf derselben. Er lächelte schlau:Kennen wir schon!" Unter allen möglichen Titeln waren sie gekommen. Etliche sogar zu Wagen, Barone, Grafen und Grä­finnen darunter.

Er ging zu Fräulein Karola und zeigte ihr die I

Karte. Diese erhob sich hastig und wurde ein wenig betreten. -- Du lieber Gott, früher, als der Vater noch der einfache Regierungsrath Steinsurt war, als ganz junges Mädchen hatte das egoistische Herz da drinnen hinter der flachen Brust für den Vetter, der mit ihr in einem Alter war, poetisch, lebhaft geschwärmt.

Führen Sie den Herrn herein, Fritz," sprach sie, immer noch den Namen lesend.

Der Diener ging, sie fuhr sich schnell mit den schmalen Händen über das Haar. Ueber ein Jahr war es her, daß sie den Vetter nicht gesehen hatte. Der Vater konnte ihn nicht leiden, er sei ein Frei­geist, ein Demokrat, sagte er; es hatte einmal einen großen Streit zwischen Beiden gegeben, als der Prä­sident sich adeln ließ, auch Differenzen wegen Egbert. Im Uebrigen konnte man dem Doktor nichts nach­sagen; er war ein sehr geschickter Arzt und hatte sein reichliches Auskommen.

Jenes Gefühl war längst erstorben, da es nie­mals erwiedert wurde, nur schüchtern hatte es sich zu äußern gewagt, und der Vetter war immer nur verliebt in seine Studien. Dennoch empfand Karola jetzt ein Zusammenziehen in der linken Brust, als der hohe, ernste Mann hereiutrat.

Ihr Herr Vater hat an mich geschrieben eine Einladung zu heute Abend," sprach er mit seiner tiefen, vollen Stimme und richtete sein Auge aus das vor der Zeit gealterte Mädchen, das ihm eut- gegeutrat. Er nahm ihre Hand und fühlte einen leisen Gegendruck.

Ich freue mich aufrichtig, Sie zu sehen, Vetter Rudolph," erwiederte Karola, ihr Auge zu ihm erhebend und mit einem fast herzlichen Ton der Stimme, der bei ihr sehr selten war,Sie wissen, die Tante Karoliue ist hier?"

Er nickte.Ich erfuhr es zufällig."

Sie wurde sehr roth und verlegen.

Sie wünscht Sie zu sehen, uns Alle, heute Abend," fuhr sie mit einem Hüsteln fvrt.

Ich dachte, die alte Dame hätte keine Ahnung von meiner Existenz, sonst wäre ich wohl schon ein­mal gekommen, sie zu begrüßen."

Die ganze Familie wird beisammen sein," sagte Karola, ohne auf seine Worte direkt etwas zu er- wiedern.

Ueber das kluge, offene Gesicht des Doktors zog ein Heller Schein und in seinen Angen zuckte es humoristisch, als dächte er bei sich: das kann heiter werden.

Und da Sie mit zu derselben gehören, so schrieb Papa... Ich freue mich, daß mir auf diese Weise einmal wieder nach so langer Zeit Gelegenheit wird, Sie zu sehen."

Ich danke Ihnen, Cousine. Ich meine, im Grunde ist es Unrecht, wenn Verwandte nicht in Eintracht leben; aber meine Schuld ist es nicht. Nun, ich werde kommen. Kann ich Tante Karoliue nicht vorher begrüßen?"

Karola erhob sich mit einiger Hast, eine Falte auf der Stirn.

Sie ist sehr sonderbar ich werde ansragen."

Der Doktor sah ihr nach, wie sie klopfte, sah