Heft 
(1885) 32
Seite
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Deutsche Noman-Sibliothek.

so möcht' ich annehmen, auch Sie, gnädigste Gräfin, in Erstaunen setzen würde. Denn er ist doch anders, als Sie vermeinen, anders in diesem und manchem andern Punkte. Wohl zeigt er sich unruhig und un­befriedigt und sucht die Ruhe nicht da, wo sie viel­leicht einzig und allein zu finden ist, aber er sucht sie doch und nicht bloß in dem, was man Zer­streuungen nennt. Er birgt vielmehr umgekehrt einen Schatz von Gemüth in seinem Herzen, und daß er nur selten und immer nur flüchtig und andeutungs­weise davon spricht, ist mir ein Beweis mehr von seiner tiefer angelegten Natur. Erst gestern Abend auf unserer Spazierfahrt bei Sonnenuntergang, was er besonders liebt, überraschte mich wieder ein Wort von ihm. Die Sonne stand schon unter dem Hori­zont, aber in dem zurückgebliebenen Glutscheine spie­gelte sich noch von unten her ihr Schattenbild. Er wies darauf hin und sagte: ,Sieh', Franziska, das ist das Leben oder doch sein Ausgang. Wenn die Sonne fort ist, bleibt uns ihr Bild noch eine Weile zurück, aber ein Schattenbild nur, und auch das ist kurz? In dieser Weise spricht er öfter zu mir und verräth darin einen Anflug von Resignation, der mich betrübt. In allem Andern aber bin ich glücklich und unzweifelhaft um Vieles glücklicher, als ich zu hoffen wagte. Gute Sterne haben bisher über meinem Leben auf Schloß Arpa gestanden und von dem, was ich fürchtete, hat sich nichts erfüllt. Ich fürchtete mich vor Unfreiheit, auch vor Unfreiheit in kleinen Dingen, aber in Wahrheit bin ich freier ge­worden. Wie viel schöner ist dieß Leben als das, das abgeschlossen hinter mir liegt, und in dem Eines war, das mich stets empörte: das Sichbewerbenmüssen um Gunst und Liebe. Hier Hab' ich Beides als ein freies Geschenk.

Anfang Dezember will Petöfy wieder nach Wien zurück. Ich freue mich darauf und auch nicht. Das laute, großstädtische Leben hat einen unendlichen Reiz für mich gehabt und hat ihn vielleicht noch, aber ich möchte nur Zuschauer darin sein und nur Andere leben und erleben lassen. Selbst wieder eine Rolle darin zu spielen, widerstrebt meinem innersten Herzens­zuge. Mir will es scheinen, daß ich wenn nicht für die Stille, so doch für die Kontemplation geboren und in dem, was mir zurückliegt, in einem Jrrthum befangen gewesen bin. Ich habe noch eine Sehnsucht, aber diese Sehnsucht ist nicht die Welt. Oder irrt' ich auch darin wiederd Schließen Sie mich in Ihre Gebete ein. Ihre Ihnen dankbar und herzlich er­gebene Franziska Petöfy."

Zweiundzwanzigstes Kapitel.

Abermals waren Wochen vergangen und in Ab­lösung der sonnigen Tage, die seit Anfang August über Schloß Arpa gestanden, hatten sich Regentage eingestellt.Es regnet wie auf dem Szekler Land­tage," sagte Franziska scherzhaft, und als der Graf nach der Bedeutung davon fragte, rezitirte sie zu seiner nicht geringen Erheiterung das gleichnamige Chamisso'sche Gedicht.

Ei, da muß ich aus einem norddeutschen Gedicht erfahren, wie's auf dem Szekler Landtag aussieht,"

lachte der Graf und jedesmal, wenn er Franziska begegnete, wies er auf die Wasser, die draußen nach wie vor niederströmten, und wiederholte die Resrain- zeile:Der Regen regnet immer noch."

Als es mit diesem Wetter anfing, versuchten Beide zunächst noch ihre Spazierfahrten fortzusetzen, am dritten Tag aber waren die Wege bereits so grundlos geworden, daß man es aufgeben mußte. Nichts blieb ihnen als eine Promenade durch die Gewächshäuser und ein tagtägliches fleißiges Billard­spiel, das Franziska wenigstens im Anfang sichtlich bemüht war zu lernen. Aber weder das Eine noch das Andere könnt' ihr eine rechte Freude schaffen, in den Treibhäusern war es zu wafferschwül, und das Billardspiel ärgerte sie, weil es ihr nicht gelang, cs im Umsehen zu bemustern. In Allem, was sie that, wollte sie rasche Resultate sehen. Nichtsdesto­weniger hielt man sich bei Stimmung und fand immer neue Mittel, um ein sich anmeldendes Unbehagen aus dem Felde zu schlagen. In allen Kaminen brannten riesige Feuer, der kleine Geistliche, wenn er zur Unterrichtsstunde kam, ward über den halben Tag hin festgehalten, und die kaum dreijährige Marischka, Toldy's Jüngste, sah ihren Geburtstag gefeiert, als ob sie wenigstens eine Prinzeß gewesen wäre. Zweimal gab es auch Tanz. Zigeuner, denen man bei dem Unwetter einen Unterschlupf in einer Schloßbaracke gegönnt hatte, spielten zum Dank dafür ihre Czardas (Hanka selber war mit heraufgekommen), und Graf und Gräfin saßen all' die Zeit über in der großen Halle, darin sich die Dienstleute ver­sammelt hatten, und sahen dem Treiben zu. Selbst Josephine tanzte mit, unter den Klängen der Musik sich einer Exklusivität entschlagend, auf die sie sonst nur in ihren intimsten Privatverhältnissen zu ver­zichten pflegte.

So ging es anderthalb Wochen, und man hätte sich in neue gute Tage, die doch endlich anbrechen mußten, hinüber gerettet, wenn nicht Krankheit ge­kommen wäre. Erst erkrankte Hannah und den Tag darauf auch der Graf.

Franziska nahm es nicht allzu schwer damit oder gab sich wenigstens das Ansehen davon, und als Hannah sie wegen der doppelten Krankenpflege be­dauern wollte, sagte sie:Hannah, ich begreife Dich nicht. Wie Du nur so thöricht sein und Alles so falsch ansehen kannst! Du thust mir leid und der Graf thut mir leid, aber sprich nur nicht von Mit­leid mit mir. Mir könnt' eben nichts Besseres ge­schehen als eure Krankheit. Ich bin doch nun das Billardspiel los und die Promenaden im Treibhaus und kann mich statt dessen mit etwas Vernünftigem beschäftigen, also zum Beispiel, ob eure Zudecke sich verschoben hat, oder ob ihr vielleicht heimlich ein Buch habt, aus dem ihr lesen wollt und nicht sollt. Glaube mir, Hannah, ich schwärme geradezu für Barmherzige-Schwesterschaft oder, wenn Dir das zu katholisch klingt, für Diakonissenthum; wenigstens hier. Der Graf wollt' es mir auch abdisputiren und einige meiner Krankenpflegepflichten in die Küche verweisen, die Kathis und Nanis hätten ohnehin nichts zu thun, aber ich Hab' ihn bekehrt und ihm rund heraus ge­sagt, erst käme ich und dann die Kathis, und ich