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Deutsche Koman-Bibliothelr.
an!" rief er mit jener vibrirenden, dnnkelgefärbten Stimme, wie der erste Liebhaber aus einer Provinzialbühne. „Ich unterdrückte bisher gewaltsam meine Gefühle, aber länger kann und darf ich dieß nicht!... Sie haben jenes gewisse Etwas . . . jenen zarten Dust. . . jenen bestrickenden Zauber..."
Ein offenes, lustiges Lachen, silberhell wie das Schmettern eines Vogels, unterbrach ihn, mitten im schönsten Redefluß. Betroffen, zurückprallend hielt er inne und wurde roth, — roth bis über beide Ohren.
Ja, wahrhaftig, sie lachte ihn aus, mit den strahlendsten Augen und frischesten Lippen von der Welt, sreimüthig machte sie sich über ihn lustig.
Seine Augen begannen in Folge dessen zu funkeln, zornig, tückisch, wie die eines Naubthiers — man wies ihn ab, mau lachte ihn aus sogar?!
„Bitte, stehen Sie aus, Herr Assessor!" rief das Fräulein ohne die geringste Verlegenheit. „Sie richten Ihre Galanterie an eine falsche Adresse . . . jener holde Duft kommt von Ihrer eigenen Rose."
„Mein Fräulein!" ries der Diplomat in höchster Empörung und sprang ans seine Füße. .. „treiben Sie Spott mit mir und meinen Gefühlen?"
„Um keinen Preis!" versetzte sie noch immer lachend. „Ich meine nur, Sie haben das in der Zeitung gelesen, von der Entdeckung einer Geruchsseele, und..."
„Bei Gott, Sie sind grausam!"
„O, gehen Sie; wie dürfen Sie mich grausam nennen! Zum Zeichen, daß ich es nicht bin, will ich Ihnen auf halbem Wege entgegenkommen. Sehen Sie, — ich glaube nicht an jene Theorie, ich hasse alle künstlichen Gerüche . . . vor Allem ist mir Opoponax verhaßt, denn dieses starke Parfüm verursacht mir Kopfschmerzen" — der Assessor hatte einen nicht wenig ausgiebigen Gebrauch von diesem Parfüm gemacht. — „Ich liebe nur den natürlichen Duft, den, welchen der Himmel uns schenkt im Frühling und im Lenz... Sie begannen so hoffnungsvoll, Sie wollten offen sein, und machen nun einen solchen Umweg. — Liebe! — gehen Sie doch, Herr Diplomat, — Sie lieben mich ja gar nicht. Warum sprachen Sie nicht lieber von Freundschaft, dagegen würde ich mich vielleicht weniger opoponaxiren."
„Bei Gott... Sie machen mit mir, was Sie wollen," wehrte sich Egbert.
„Ich gebe Ihnen von meinen freundlichen Gesinnungen gleich den augenblicklichen Beweis: ich habe irgendwie erfahren, Sie wären in Geldverlegenheit," fuhr Marie fort.
Der Assessor horchte aus ... der Himmel sandte ihm da vielleicht eine Rettung. Er wurde aber trotzdem roth und hatte etwas von der Miene eines Schulbuben, der einen Verweis erhielt, was Marie
im Stillen ebenso beruhigte wie belustigte... Jetzt war der Lümmel zahm!
„In der That, mein Fräulein, — ich stehe beschämt da," stammelte er.
„Sehen Sie, — nun kommen wir in's richtige Fahrwasser. — Sie verzeihen mir doch meine Offenherzigkeit?"
Sie reichte ihm die Hand, die er hastig ergriff.
„Was werden Sie von mir denken!" ries er pathetisch.
„Ich werde ein Wort davon zu Ihrer Frau Tante sagen und hoffe bestimmt, Ihnen Angenehmes mittheilen zu können."
Sie erhob sich schnell. Der Assessor stand betroffen und unschlüssig da. Der Freche, er hatte noch etwas auf dem Gewissen, er brauchte dreißigtausend Thaler, aber er fand nicht den Mnth, es ihr zu sagen, so etwas Ueberlegenes und heiter Spöttisches hatte sie ihm gegenüber.
„Ich danke Ihnen ... Ich bitte, nicht schlechter von mir zu denken, mein Fräulein, denn wahrhaftig — "
„Ich nehme einen kleinen Scherz niemals übel, Herr von Steinfurt, so etwas geht bei mir zu einem Ohre herein, zum andern hinaus. Nur eine Wiederholung wäre mir unangenehm," unterbrach sie ihn, aber dieses Mal bedeutend ernster und offenbar mit einer deutlichen Warnung. — „Ich lasse Sie jetzt allein, um in Ihrem Interesse dort oben thätig zu sein."
Ein Lächeln, eine leichte, zierliche Verbeugung noch und sie schwebte davon, und er sah ihr nach, zerpflückte wüthend die Rose, die sie hatte liegen lassen, und begab sich hernach, Karola vermeidend, in Hast aus dem Hause.
Also einen Korb und in der liebenswürdigsten, deprimirendsten Weise! — Ihm hinter die Karten geguckt! . . . Unglaublich! ...
Am Nachmittage bekam er ein Couvert mit einer Tausendmarknote. Wüthend schleuderte er die Bagatelle ans den Tisch und holte sich am Abend bei Stephani mit Freunden einen schweren Rausch, mit einem Gemisch von Wuth und Erleichterung im Herzen. Ein Unglück kommt ja bekanntlich niemals allein: zornroth waren heute gegen Abend seine Gläubiger Zu ihm gekommen und hatten ihm mitgetheilt, daß Riekchen Salomou abgereist sei mit der Erklärung, daß sie einen so „abschreckenden" Menschen nicht wollte, und ihm Re heftigsten Vorwürfe gemacht, weil er, der Verabredung gemäß, nicht genug den Liebenswürdigen gespielt hatte bei der Erbin.
Er noch obendrein den Liebenswürdigen machen!... Teufel, das war stark! Er hatte seine ganze Frechheit plötzlich wieder bekommen und ihnen zngerufen: „Na, ihr Schufte, — daun sucht mir eine Bessere, mit einer halben Million und einem Buckel!"
(Fortsetzung folgt.)