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Deutsche Noinan-Bibliothek.

Dame mit diesen zugleich nach dem Hotel Bellevue gebracht hatte."

Marie erröthete vor Schreck bis unter die Haar­wurzeln, sah aber nicht fort.

„Ich erkundigte mich im Hotel, zwei Damen haben dort gewohnt — in Zwischenräumen, aber ohne die Wohnung auszugeben, jene sogenannte Miß Herford und jene blonde Dame."

„Das Alles ist richtig. — Nun halten Sie uns am Ende gar für nichts Gutes?"

„Ich bezweifle es nicht," versetzte der Doktor mit einem Sarkasmus, der ihm selbst in die Seele schnitt, „und deßhalb — Sie haben Recht — war ich ver­stimmt, als ich hieher kam. Noch Eins war mir ausgefallen, ich bemerkte an der Wange Fräulein Wild's, etwa einen Zoll unter dem Auge, ein kleines, dunkles Mal; — jenes Porträt zeigte dasselbe nicht. Auf mein Befragen versicherte mich der Maler, Miß Herford habe ein solches Mal nicht gehabt. — Ein Arzt sieht scharf, mein Fräulein..."

„Man sagt so. — Verliebte sehen noch schärfer, am schärfsten das Mißtrauen oder die Eifersucht — Zu scharf oft."

„Ich bin weder mißtrauisch noch eifersüchtig, aber sehr in Unruhe und sehr betrübt," versetzte der Doktor mit tiefem Ernst. „Sagen Sie selbst..."

„Verzeihen Sie, wenn ich Sie unterbreche. Das Faktum leugne ich nicht, Sie haben in Allem Recht, aber glauben Sie meiner bestimmten Versicherung oder glauben Sie es mir auf mein Wort, als ehr­liches Frauenzimmer, Sie haben keinen Grund, sich zu beunruhigen, — im Gegentheil!"

„Wieso.. . im Gegentheil?"

„Denn wenn Sie wüßten oder wenn ich sprechen dürfte... Aber bitte, haben Sie noch ein ganz klein wenig Geduld. Miß Herford und Elise Wild, sie sind dieselben, der Leberfleck war eine Erfindung von mir und die Blonde, die war ich."

Sie nahm seine beiden Hände und sah ihm lächelnd in's Auge.

„Meine Freundin wollte Ihnen gern die Lösung dieses Räthsels selbst geben, aber die Liebe und der Respekt vor Ihnen schlossen ihr den Mund."

„O, mein Fräulein, was sagen Sie da!" rief der Doktor anflebend.

„Die Wahrheit!. . . Aber dessen seien Sie ge­wiß, einen Vorwurf hat sich meine Freundin nicht zu machen, Ihr Herz ist rein wie Gold!"

Das Letzte sprach sie mit erhobener Stimme. — Ganz verwirrt stand der Doktor da und sah sie an und suchte nach Worten. Sein Gemüth war erregt bis in die tiefsten Tiefen, seine Pulse klopften fieberhaft.

„Gehen Sie jetzt, — vertrauen Sie mir und ich verspreche Ihnen, in etlichen Tagen schon soll Elise Wild Ihnen persönlich eine jede Auskunft geben, die Sie nur wünschen können. Sie werden sie recht beurtheilen, sie hat Schicksale gehabt, aber wie das blanke Gold aus dem Schmelztiegel, so ist sie aus denselben fleckenlos hervorgegangen."

„Mein Fräulein, Sie haben entweder zu viel oder zu wenig gesagt!" ries der Doktor leidenschaftlich. — „Ist Fräulein Wild hier, daß sie mir persönliche Aufklärungen geben kann ... ist. .."

„Gehen Sie jetzt, mein Herr, — ich habe aller­dings schon zu viel gesprochen. — Hoffen Sie und vertrauen Sie, Sie zogen ein großes Loos."

Sie hatte also sprechend Hut und Schirm aus­genommen und drängte ihn, den beinahe Wider­strebenden, zur Thür hinaus.

„Ans Wiedersehen!. . . Und Sie führen uns also nicht auf den Ball?" ries sie ihm nach.

„Nein," klang es zurück.

„Gott sei Dank! Den habe ich abgewettert."

„Du — Lisel," mit diesen Worten trat sie in die Stube, „unsere Komödie hat ein Loch!" und sie begann Zu erzählen, was sie eben mit dem Doktor gesprochen hatte.

„Es geht zu Ende, — mach' Deine Sache gut, mein Schatz. Ich gehe jetzt aus; — Du sollst schön sein wie ein Engel!"

Unterwegs traf Marie Karola, die mit sorgen­voller Miene ihr erzählte, sie kaufe wollene Strümpfe für ihren Bruder. — Der Diplomat säße ans der Festung wegen Schulden.

Die Sache hatte seine Richtigkeit. Seit die Tante fort war, hatte der junge Herr wieder Ober­wasser bekommen seinen Gläubigern gegenüber. Gerade damals hatten dieselben eine neue Erbin in Berlin ausfindig gemacht, die noch mehr Geld haben sollte wie Fräulein Salomon. — Der schlechte Zahler aber behandelte seine Wohlthäter mit Hohn und ließ, als sie drohten, es zum Aeußersten kommen, er hatte es satt, sich Hetzen Zu lassen. In Folge dessen saß er jetzt in Festungshaft; seine Karriere war auf immer vernichtet; die Familie hatte ihn zu unterhalten.

Marie heuchelte mehr Mitleid mit dem Leicht­sinnigen, als sie wirklich empfand, und kam auf das Projekt der Tante zurück, ihm in Indien eine gute Anstellung zu verschaffen; als sie aber Karola's Schrecken sah über diesen Vorschlag, verstummte sie und empfahl sich.

Gegen Abend — Elisabeth und Marie waren bereits im Hotel Bellevue — erschien noch einmal der Doktor in großer Aufregung bei den Damen, wurde aber nicht vorgelassen.

Er kam, um Erklärungen zu fordern. Es war ihm nämlich etwas höchst Sonderbares widerfahren: er hatte einen Brief erhalten, um sechs Uhr, mit der letzten Post, in diesem lag eine Photographie von Elise Wild mit den begleitenden Worten: „Eine Dame in einen: schwarzen Domino, mit drei rothen Rosen an der Brust, wovon die eine dunkel, zwei hell, erwartet ganz bestimmt Sie heute im Albrecht- saal Zu treffen. Als Erkennungszeichen tragen Sie Ihrerseits beikommende Schleife."

Wie elektrisirt war er aufgesprungen, nachdem er diese dunklen Zeilen gelesen hatte. Er kannte die Handschrift — also war Elise hier und ihre Freundin hatte es ihm nicht gestanden. — Warum?... Seit wann? — Warum verbarg sie sich vor ihm? ...

Freude, Furcht, das Glück, sie sehen, sie sprechen zu dürfen, und die Angst, getäuscht, betrogen zu sein, stritten einen mächtigen Kampf in seiner Brust. Aber plötzlich durchbrach die Sonne das Chaos, die Ge­liebte stand vor seinem geistigen Auge, er sah ihr