Heft 
(1885) 35
Seite
826
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826

Deutsche Noman-Sibliothek.

Roman

von

Johannes van Dewall.

(Schluß.)

Vierunddreitzigstes Kapitel.

ief in seinen Pelz gehüllt, zerstreut und ausgeregt fuhr der Doktor gegen Zehn Uhr in einem Miethwagen nach dem Albrechtssaal. Dicht vor dem glänzend erleuchteten Eta­blissement band er die Maske vor, die sein durchaus nicht festtägliches Gesicht verbarg. Der Portier riß die Thüre aus, von beiden Seiten drängte eine schaulustige Menge herzu, trotz der auf Ordnung haltenden Polizei, um zu sehen, wer da kam. Mit einem Sprunge war er oben unter den Säulen und trat in den lichtstrahlenden Vorflur. Er hatte einige Mühe, sich durch die Menschen hin- durchzndrängcn, die die Garderobe belagerten oder schon im Kostüm von dort zurückströmten. In seinem Eifer kam er ein wenig rauh mit einem ehrwürdigen Bruder, einem kleinen Heiligen, zusammen, in brauner Kutte, der einem asketischen Orden anzugehören schien, so dürftig und mager sah derselbe trotz des dicken Wollenstoffes aus.

Teufel! erlauben Sie, mein Herr!" ries eine dünne, blecherne Stimme,Sie treten mir auf die Füße."

Ein tiefes:Um Entschuldigung," war die kurze Erwiederuug.

Der Doktor legte ab, überzeugte sich, daß die Larve richtig saß, daß er die ihm übersandte Schleife nicht verloren hatte, und trat in den Saal. Eine ganz neue Welt umgab ihn plötzlich, der ganze Raum war erfüllt von Musik, Lärm und Maskengewühl, und die Hitze, welche in demselben herrschte, war für den aus der Kälte Kommenden so intensiv, daß sie ihm beinahe den Athem versetzte. Er stellte sich an einen Pfeiler, zog die Brauen zusammen und suchte sich an diesen Tumult und dieses augeverwirrende Durcheinander erst zu gewöhnen.

Eine kleine Schottin mit kurzem Kittel und Plaid kam am Arme eines Domino an ihm vorbei, blieb stehen, sah ihn musternd an und hielt ihm die ge­öffnete Tasche mit Konfekt hin.

Er nickte stumm abwehrend mit dem Kopfe.

Ein grober Mensch," sprach die Kleine und hüpfte weiter.

Mehrere Dominos forderten ihn kurz nach ein­ander auf, mit ihnen zu walzen, er erwiederte ein barsches:Bedanre, ich tanze nicht."

Je länger er in den Tumult schaute, desto schlechter wurde seine Laune, desto größer sein Zweifel: man

hatte ihn mystifizirt, denn unmöglich war es, daß ein Mädchen wie Elise Wild ihn hieher bestellen konnte, um ihm Erklärungen zu geben, Antworten aus so ernste Fragen wenn sie ihn liebte. Das wider­sprach allem Zartgefühl. Er wollte gehen in Folge dessen, blieb aber trotzdem wie gebannt an seinem Pfeiler stehen, ohne zu ahnen, wie genau man ihn beobachte.

Zwei rosa Dominos redeten ihn an, mit ver­stellter Sprache, er gab ihnen eine trockene, unfreund­liche Antwort.

Gehen wir," sprach die Eine im Falsett,der Herr trägt eine Schleife, der wartet auf seine Dame. Wir wollen nicht stören, Herr Brummbär."

Am Nachmittag um sechs Uhr, als es dunkel und still war in dem großen Hause des Präsidenten, war John mit einigen großen Schachteln beladen die Hintertreppe hinuntergestiegen, hatte einen Wagen genommen und sich nach dem Hotel de Saxe begeben. Als er wieder zurückkam, eilten Elisabeth und Marie wohlvermummt aus dem Hause, ungesehen stiegen sie ebenfalls in eine Droschke und langten als Miß Herford nebst Freundin in ihrem Zweiten Heim an, wo man sie freundlich willkommen hieß.

John war aufgegeben worden, wacker aufzupassen, Niemanden einzulassen; die Tante schlief und wollte nicht gestört sein.

Die Toilette dauerte lauge, Elisabeth sollte heute hiureißeud sein, und Marie wollte der Freundin nicht allzusehr nachstehen. Sie waren Beide in schwarzer Seide von Kopf bis zu den Füßen mit schwarzen Dominos und ebensolchen Kapuzen, aber diese waren rosa gefüttert, so daß durch ein einfaches Umdrehen derselben sie sich unkenntlich machen konnten.

In Elisabeth's dunklem Haar glühte eine dunkle Rose, in ihren Ohren funkelten prachtvolle Bontons, sonst trug sie keinerlei Schmuck. Sie sah blaß aus und erregt, bisweilen feuchtete sich ihr Auge und sie stieß einen Seufzer aus.

Muth, mein Liebling," redete Marie ihr zu, indem sie die letzte Hand an sie legte,heut gilt's, heut darfst Du nicht Zagen." Gleich darauf dann fügte sie ungeduldig hinzu:So ein verliebtes Frauen­zimmer, das ist doch schier um zu verzweifeln!"

Mir ist das Herz wie zugeschnürt," sprach Elisabeth zu ihr aufsehend,ich zittere und bebe!"

Kanonensieber! Coulisseusieber! Liebes- fieber! .. . Dummes Zeug, nach den ersten fünf Minuten ist Alles vorbei, wer wird so zaghaft sein!"