Heft 
(1885) 35
Seite
831
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Die Erbtante von Johannes van Dewatt.

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Ich bin also eine arme Komödiantin ursprünglich und Du hast um so mehr Grund, mir Zu mißtrauen, Zu glauben, daß ich dieses Gaukelspiel auch in der Zukunft fortführen könnte," sprach sie traurig.

Darin thust Du mir Unrecht," versetzte der Doktor ernst, aber freundlich und sie mit seinen Blicken verschlingend,Du kannst das Juwel, welches ich hier halte, nicht trüben in meinen Augen. Sieh' mich an, Geliebte, und nun fahre fort."

Elisabeth begann aus's Neue: sie sprach von ihrer Bekanntschaft mit der englischen Dame und wie sie ihre Carriere aufgab, um nach dem Auslande als Erzieherin und Gesellschafterin zu gehen.

Der Doktor horchte immer gespannter auf.

So hattest Du dasselbe Schicksal wie unsere Tante Karoline," warf er ein.

Genau so wie dieser, lieber Rudolph, erging es mir, denn ich kam kurze Zeit darauf ebenfalls nach Indien."

Auch Du in Indien?" rief Jener in hohem Maße erstaunt.Nun wird mir Mancherlei klar: dort trafst Du Deine Jugendfreundin und lerntest durch sie die Tante kennend"

Doch nicht, Marie war damals noch am Theater in Wien, aber mit der Tante führte mich das Schicksal allerdings zusammen."

Hier folgte der Bericht über ihr Bekanntwerden auf der Reise mit der kranken Unbekannten und wie sie schließlich eine Schicksalsschwester und eine Ver­wandte in ihr erkannte, die sagenhafte Erbtante.

Ich pflegte sie bis zu ihrem Tode," fuhr sie fort,und weiß Gott, es war das keine leichte Pflicht, denn die Tante war eine höchst seltsame Frau."

Hier sprang der Doktor mit einem Satz auf beide Füße und schaute geradezu verblüfft drein die Zornader schwoll ihm an.

Unmöglich! ... bis zu ihrem Tode?!" rief er, die Brauen runzelnd, mit seltsamen Blicken.In der That. .. verzeihen Sie.. . verzeih'!"

Bis zu ihrem Tode, Rudolph," wiederholte Elisa­beth mit Nachdruck und bewegte leise das reizende Haupt, halb ernst, halb lächelnd über den Eindruck, welchen diese unverhoffte Mittheilung auf den Doktor machte. Sie nahm ihm sein Erstaunen keines­wegs übel, wußte sie doch genau warum.

Du mußt mir eben zuhören bis zu Ende, sonst findest Du Dich aus diesem Chaos nicht heraus," fuhr sie fort, abermals ihr Auge groß und offen ans ihn richtend.

Der Doktor fuhr sich durch die Haare, unterdrückte irgend eine Bemerkung und nahm wieder Platz, ohne aber ihre Hand zu ergreifen. Er sah aus wie Je­mand, der entschlossen ist, gelassen weiter zu hören.

In der ganzen Zeit unseres Zusammenlebens warnte mich die Tante vor den Verwandten, welche sie habgierige, grausame und gewissenlose Menschen nannte, die sie mit Spionen umgäben und auf ihren Tod lauerten, und versicherte mich, niemals würden dieselben einen Cent von ihrem Vermögen erhalten.

Auf die Dauer machten diese Worte Eindruck auf mein Gemüth, denn das, was ich selbst von den Verwandten erfahren hatte, sprach nicht zu deren Gunsten. Die Tante starb dann" hier machte

Elisabeth eine Pauseund setzte mich zu ihrer Erbin ein."

Der Doktor zuckte zusammen, biß die Zähne auf einander und wurde sehr roth. Die Komödie be­gann immer unwürdiger zu werden, er runzelte die Brauen und schaute finster und entschlossen vor sich hin, an Elisabeth vorüber.

Eine arme Verlassene eben noch, stand ich plötz­lich nun allein, aber als Besitzerin eines unermeß­lichen Vermögens, in der Welt, in fernen Landen, beinahe rathlos."

Der Doktor zuckte abermals, ihre Stimme, ihre Mienen... konnte das wirklich Verstellung sein?!... Er fuhr sich mit der Hand über die Stirn; Helle Tropfen perlten auf derselben.

Mein erstes Verlangen war: fort aus jenem heißen Klima, zurück nach Europa, nach der Heimat, aber einmal zwangen mich Geschäfte, noch zu verziehen, sodann aber, wenn ich nun auch wirklich heim­kehrte, Niemand war dort, um mich zu empfangen, ja noch schlimmer, meine Verwandten hatte ich fürchten gelernt durch die Tante, man würde mich anfeinden, mich wohl gar eine Erbschleicherin schelten oder katzen­freundlich sich mir nahen, der Millionärin, nach meinem Gelde trachten."

Die Wolke auf der Stirn des Doktors wurde immer intensiver, aber er rührte sich nicht. Blaß, verwirrt und niedergedrückt saß er da.

In den letzten Wochen in Kalkutta und auf der weiten Fahrt hatte ich Zeit zu überlegen, Ent­schlüsse zu fassen. Unmöglich konnte ich ganz allein in der Welt dastehen, mit einem solchen Vermögen, als junges Frauenzimmer, das stand mir klar vor Augen. Ich entschloß mich deßhalb, mich meinen Verwandten zu nahen trotz alledem, sie zu er­forschen, sie, wenn möglich, mir geneigt zu machen; vielleicht fand ich dennoch dort den natürlichen Schutz, der mir fehlte. Es war das das Einfachste und Anständigste."

Hier sah der Doktor aus in Elisabeth's kluges, ernstes Auge, erröthete tief und begann sehr unruhig zu werden.

Wie gesagt ich entwarf damals einen Plan; er war kühn und absonderlich, aber so sehr ich mir den Kopf zerbrach mit Grübeln und Sinnen, ich fand keinen besseren. Ich hatte eine Freundin zurückgelassen, Marie, diese bat ich, mich in Hamburg Zu treffen, sie sollte mir helfen.

So ward es denn endlich beschlossen, eingeleitet und durchgesührt, bis auf den heutigen Tag, trotzdem mir die Rolle, welche ich spielte, bisweilen über die Maßen sauer fiel und mich unwürdig dünkte be­sonders, Rudolph, seit ich Dich kennen lernte: ich griff noch einmal Zu meinem alten, längst verlassenen Metier, ich spielte Komödie! . .. Erschrick nicht, Rudolph... ich kam hieher mit einem Troß von Menschen und Sachen, Statisten und Requisiten, welche nothwendig waren... ich spielte die Erbtante, kam als Tante Karoline... So. . . nun weißt Du Alles!..."

Mit den letzten Worten erhob sie sich, hochathmend.

Der Doktor stand schon längst auf seinen Füßen, jetzt durchmaß er mit großen Schritten das Gemach.