Heft 
(1885) 35
Seite
832
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Deutsche Noman-Siblrothek.

Ich habe diese Rolle gespielt, bis ich gefunden hatte, wessen ich bedurfte ein Herz, eine Stütze für das Leben!... Nun Werse ich die schwere Bürde ab, um niemals in meinem Leben wieder Komödie Zu spielen. Jetzt sage Du mir, handelte ich recht oder habe ich sehr gefehlt?"

Unmöglich! . . . ganz unmöglich!" rief der Doktor, wild mit den Armen fechtend und immer heftiger ausschreitend. . .Großer Gott! steh' mir bei!... umsonst, unmöglich!... Schaffe Licht!... O barmherziger Gott!"

Still und ergeben, die Hände schlicht am Leibe herabhängend, stand Elisabeth abseits und ließ ihn gewähren, blaß und mit klopfendem Herzen. Auch sie bat Gott in diesem Augenblick, Herz und Sinne des Geliebten Zu lenken. Ach! ... sie hatte es ja immer geahnt, ihr Geständniß hieße den Stab über sich brechen! . . .

Sie neigte das Haupt und begann bitterlich zu weinen. Im nächsten Augenblicke war er bei ihr.

Elise! .. . Cousine!" rief er in höchster Er­regung,in welch' ein Chaos stürzest Du meine Seele! Weine nicht!... Du ... unglaublich mein ganzes Gefühl bäumt sich dagegen aus . . . Du .. . die Tante?! ..." Er stieß ein krampfhaftes, gellendes Gelächter aus, dann plötzlich faßte er sich wieder, strich ihr vorsichtig über das weiche Haar und die Wangen und fuhr fort:Ich fasse es nicht... wahrhaftig ... ich mag's nicht glauben. Ent­setzlich ! ... Und dann ... Du bist zu reich auch, viel Zu reich für einen Sterblichen von meiner Art... gerechter Gott, wie strafst Du mich! ..."

Wenn es das Geld ist," sprach sie mit ihrer sanften, zu Herzen gehenden Stimme,nimm es und thue damit, was Du willst. Ich will arm sein, nur reich durch Deine Achtung und Deine Liebe, Rudolph."

Ein tiefes Stöhnen kam aus seiner Brust.

Großer Gott! ... O Geliebte, welch' ein Chaos... Du die Erbtante? entsetzlich!" Er schüttelte sich ordentlich und sah dann das reizende Geschöpf da vor sich abermals an. Ans einmal aber lag er zu ihren Füßen.

O Elise!" ries er,was wird nun werden?!..."

Es war die höchste Zeit, daß Marie erschien und der Spannung ein Ende machte.

Verzeihung," sprach sie hereintretend,die Unter­haltung dauert mir ein bischen zu lange. Es gibt Leute, die sehen den Wald vor lauter Bäumen nicht, und Andere, die können ihr Glück vor einer Unmenge von exquisit edlen Gefühlen nicht finden, ohne zu bedenken, daß der Himmel das Alles doch mit gutem Bedacht gerade so und nicht anders arrangirt hat.

Lieber Herr Doktor, als langjährige Ver­traute habe ich eine große Bitte an Sie zu richten: jetzt befehlen Sie, bitte schön, der jungen, verliebten Person da, daß sie Zur Strafe für alle Ihre Sünden, begangen an Ihnen und Anderen, unverzüglich noch einmal vor Ihnen als Tante Nabob erscheint und Sie einen langen Thunichtgut nennt, Ihre Liebe wird dann gleich wieder von Neuem und viel heftiger ent­brennen, und wenn Sie dann endlich ,JM gesagt haben, dann werfen Sie gefälligst die Millionen zum Fenster hinaus oder schenken sie dieselben dem

braven Onkel Leopold oder Monsieur Egbert, dem gewiegten Diplomaten, und leben Sie zusammen, ein Herz und eine Hütte. Unmöglich aber kann ich diese selbstquälerischen Bemühungen Ihrerseits länger dulden! Ich stand nämlich die ganze Zeit über an der Thür und horchte.

Und wenn Ihnen das beste, treueste und liebste Wesen auf der Welt nicht gut genug dünkt, dann . .. Ah! ich sehe mit Vergnügen, meine Worte verfehlen nicht, einen gewissen Eindruck aus Sie zu machen."

In der That, die Beiden lagen sich unter Thränen und Lachen bereits längst in den Armen. Marie hatte den Doktor aufgehoben und nun hielten sie sich fest und treu umschlungen.

Gelt, mein Herr Ihnen ist etwas warm dabei geworden?" fragte Marie neckisch.Jetzt werden Sie aber Ansehen, daß wir Beide als ein paar rechtliche und vernünftige Frauenzimmer handelten und unsere Sache gut machten."

Der Doktor streckte ihr die Hand hin und nickte ihr zu Elisabeth aber siel ihr schluchzend vor Glück und Seligkeit um den Hals.

Hab' Dank, Du, mein treuer Bundesgenosse," sprach sie tief ergriffen ...Gott lohne es Dir!"

Sechsunddreitzigstes Kapitel.

Nach diesen stürmischen Auseinandersetzungen kam dann ein ruhigeres Aussprechen. Der Doktor be­gann mehr und mehr sich zurechtznfinden; ein jeder Mensch bedarf ja einiger Zeit, um sich an Neues und Unerwartetes zu gewöhnen. Er wußte nun, warum seine reizende Erbtante dort sich hier als Miß Herford einquartiert und welch' eine Bewandtnis; es mit dem Leberfleck unter dem Auge hatte, auch warum sie sich ihm und den Uebrigen unter dem Namen Elise Wild vorgestellt. Er stand natürlich schon ganz auf ihrer Seite. . . nur die reiche Braut wollte ihm nicht in den Kopf, die fünf Millionen, welche dieselbe ihm znbrachte. Er hätte sich eine Frau gewünscht, der er geben durste, der er für ihre zärtliche Sorge um ihn eine sorgenfreie Existenz schaffte, nun war der Traum zerstört. Er wagte nicht davon zu sprechen, um die Geliebte nicht zu betrüben, aber es war ein Tropfen Wermuth in dem Becher der Freude.

Er vertraute Elisabeth ganz und gar, er war ein Menschenkenner, nur das so sehr Ueberraschende in ihren Mittheilungen hatte ihn einen Augenblick stutzig gemacht; er begann nun ihr abzubitten, billigte auch ihre Motive, lobte sie, wenngleich er nicht ver­schwieg, daß ihr Spiel ein gewagtes gewesen war.

Sie fiel ihm um den Hals nun erst war sie ganz glücklich.

So bleibt nur Eins noch übrig," sprach der Doktor,die Verwandten von Deiner plötzlichen Wandlung in Kenntniß Zu setzen. Ich verhehle Dir nicht obgleich Du Manches schon für sie thatest, es wird ein harter Schlag für sie sein."

O, entschädige Sie, gib ihnen Geld, Rudolph, so viel Du willst!" rief Elisabeth überwallend, die heute gern alle Welt beglückt hätte.

Er aber schüttelte nachdenklich den Kops.