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Deutsche Noinan-Sibiiothek.
nur Karola wechselte ein wenig die Farbe und Helenens und des Lieutenants Augen Zeigten ein lebhafteres Interesse.
„Ich gratulire, Vetter," sprach der Letztere, ihm die Hand reichend, „darf man wissen, mit wemd"
„Du fragst noch?" rief Frida vorlaut, „mit Fräulein Werner natürlich."
„Sie irren," versetzte der Doktor mit demselben feierlichen Ernst, „mit unserer gemeinsamen Verwandten. "
Er machte eine erläuternde Handbewegung gegen die Thür.
Es war ein wahrer Sturm, den er entfesselte, ein Tumult. Zum Malen waren die Gesichter, auf welchen sich Staunen, Unglaube und Wuth ausprägten. Man konnte es nicht glauben, es war ja auch zu barock und abscheulich: die alte Tante sollte wirklich dem eigenen, um beinahe vierzig Jahre jüngeren Neffen ihre Hand zu reichen beabsichtigen, und dieser, der sonst den Römer spielte, den Verächter des Mammons, den Tugendhelden, er sollte gesonnen sein, diese alte, abschreckende Person heimzuführen, welche noch dazu dem Trünke ergeben, dem Tode verfallen war. — Aber freilich, das Letztere mochte Niemand genauer wissen wie er . . . kam er doch jetzt täglich in das Haus und hatte allein von Allen ungehinderten Zutritt zur Tante. . . Trotz aller Selbstbeherrschung, — der Präsident wurde sehr roth und siel ein wenig aus der Rolle.
„Empörend!" murmelte er, indem er einen finsteren Blick herüber warf, der Onkel Leopold aber wurde kirschbraun und hob die geballten Fäuste, seine Geldgier, der Gedanke an die erwarteten Millionen, die nun von einem Andern ihm vor der Nase weggeschnappt wurden, brachten ihn zur äußersten Wuth.
„Die alte Person muß verrückt sein!" rief er zitternd, „muß unter Kuratel! . . . sonst ist sie die Beute eines jeden Abenteurers."
Das letzte Wort wurde glücklicherweise in dem allgemeinen Ausstande nicht deutlich vernommen.
Frida bekam ein hysterisches Lachen, Karola stürzten die Thränen aus den Augen, sie rief: „Abscheulich, unerhört!" Der Lieutenant stand erst da wie angedonnert, zog sich dann aber schnell von seinem Vetter zurück, Helene war so verwirrt, daß sie nicht wußte, was sie thun und denken sollte. — Alle sprachen zugleich, theils unter einander, theils aus den Doktor ein, es regnete Vorwürfe und Beschuldigungen, und eine ganze Weile verging, ehe dieser, der ausrecht, mit einer wahrhaft empörenden Ruhe, dem Sturme trotzend dastand, wieder zu Worte kommen konnte.
„Meine theure Braut," fuhr er fort — hier wurde der Tumult wieder größer, Frida war nahe daran, Krämpfe zu bekommen, — „sieht ein, daß sie durch den Schritt, den sie zu thun beabsichtigt, manche Hoffnung vernichtet. Wenn der Himmel uns Leibeserben schenken sollte," — erneute Aufschreie und Entrüstung, — „so würden diese die alleinigen Erben des großen Vermögens sein."
„Entsetzlich! unerhört!" schrie Karola, während hie Anderen jetzt mit stummem Ingrimm zumeist zu- dörten und die Augen und Mienen sprechen ließen.
„Aus reiner Herzensgüte also und Rücksicht für ihre Familie und trotzdem diese die Anzeige ihrer Verlobung nicht gerade freundlich entgegennimmt" — hier hob der Doktor seine Stimme, obgleich es plötzlich mäuschenstill wurde — „will dieselbe den Verhältnissen Rechnung tragen.
„Sie hat mich beauftragt, Ihnen zu erklären, daß sie dankbar ist für die Gastfreundschaft, die sie hier im Hause genießt, daß sie einen Theil ihrer Verwandten lieben und achten gelernt hat und daß sie ihren Dank auch durch die That beweisen möchte."
Sensation! — Auf allen Gesichtern las man peinliche Spannung oder doch zum wenigsten Neugierde, aber die Mienen der beiden Onkel hellten sich nicht auf, Zu große Hoffnungen waren ihnen Zertrümmert worden in dieser Stunde.
„Sie hat deßhalb folgende Dispositionen getroffen: Ihnen, lieber Onkel," — hier wandte er sich an den Präsidenten, — „ist sie am meisten verpflichtet. — Aus Dankbarkeit und gutem Herzen gab sie Ihnen im vorigen Herbst fünfzigtausend Thaker."
Der Präsident nickte stumm, ohne aufzusehen. Der Stiefbruder nickte auch und preßte die Lippen hämisch zusammen. „Aha! wußte ich's doch, der Bettler, der Schleicher!" sprachen seine Mienen.
Der Doktor fuhr fort:
„Sie fügt diesen fünfzigtauseud Thalern heute eine Schenkung von hunderttausend Thalern hinzu."
Der Präsident taumelte und griff nach der Stirn, des Kommerzienraths Augen flammten — ein „Ah!" kam von den Lippen der Anderen.
„Ihnen, liebe Karola, gibt meine Braut eine Aussteuer von sünfzigtansend Thalern. Sie hat Ihnen viele Mühe verursacht; sie bittet Sie außerdem, ihr eine Freundin zu bleiben für's ganze Leben."
Es ist unmöglich, die verschiedenen Ausrufe, Mienen und Geberden zu schildern, welche ein jeder neue Satz dieser inhaltsvollen Ansprache hervorrief, zu beschreiben auch, wie die Nächsten athemlos standen und warteten, bis die Reihe an sie kommen würde, wie der Kommerzienrath vor Wuth und Neid fast verging und Helene bekümmert und besorgt zugleich ihn anschaute.
„Dich, lieber Vetter, hat meine Braut ganz besonders in ihr Herz geschlossen," wandte er sich au Egon, „sie wird Dich Deines ritterlichen Wesens wegen ganz besonders bedenken."
Der Lieutenant wurde dunkelroth und verneigte sich, Aller Augen waren ans ihn gerichtet, aber was man erwartete, erfolgte nicht.
„Sie, Herr Onkel, sind mit Glücksgütern hinreichend gesegnet," wandte der Doktor sich an den Kommerzienrath, die beiden anderen Kinder des Präsidenten übergehend. Mit finsterer Miene, kaum noch Herr über sich, starrte dieser ihn an.
„Meine Braut will, daß Sie trotzdem nicht hinter Ihrem Bruder zurückstehen sollen. — Sie hat ebenfalls hundertundsünfzigtauseud Thaler für Sie angewiesen und sünfzigtausend Thaler für Helene, die sie liebgewann um ihres echt weiblichen Wesens willen."
Etwas wie ein Blitz glitt über die starren Züge