Die Erbtante von Johannes van Acrvall.
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des Habsüchtigen, das waren zweimalhunderttausend Thaler, immerhin eine große Summe; ein unheimliches, gieriges Lächeln flackerte auf.
„Ich danke!" sprach er, „es war das nicht mehr wie recht und billig, denn wenn ich das Meinige zusammenhielt, wo Andere verschwendeten..."
„Doch knüpft sich an dieses Geschenk eine Bedingung," unterbrach ihn der Doktor.
Der Kommerzienrath stockte plötzlich und wechselte die Farbe.
„Mit Geschäften überhäuft, ist es Ihnen vielleicht entgangen, — ich bitte um Verzeihung, daß ich einen so zarten Punkt hier berühre, — daß Ihre Fräulein Tochter eine Herzenswahl traf, die ihr und zugleich dem Manne ihrer Wahl zur großen Ehre gereicht."
„Wie. . . wasd" rief der Alte barsch und sah bald seine Tochter, bald herausfordernd den Doktor an. . . „Herzenswahl — Narrenspossen! . . . wen geht das and"
Helene erbleichte und begann zu zittern, in demselben Augenblicke aber öffnete sich die Thüre und Marie Werner stand an ihrer Seite.
lieber des Lieutenants Stirn flammte ein Helles Noth, fast finster zogen sich seine Brauen zusammen. Alle klebrigen horchten athemlos.
„Meine Braut knüpft an diese zweimalhunderttausend Thaler die Bedingung, daß die Hälfte davon die Mitgift Helenens sein soll, wenn diese dem Lieutenant Egon von Steinfnrt ihre Hand reicht zum ehelichen Bunde."
„Nein, — nimmermehr!" rief der Kommerzienrath mit funkelnden Augen, trotzig zu der verhaßten Sippe hinüberschauend, — „mein Kind — mein einziges Kind . . . dem..."
Man war auf diesen Fall vorbereitet. — „So bin ich denn beauftragt, Ihnen zu erklären, daß im Falle einer Weigerung Ihrerseits die jüngere Linie Steinfnrt nichts erhält. . . die genannten zweimal- hunderttansend Thaler sodann ebenfalls noch dem Präsidenten von Steinfnrt znsallen. . . Sie haben also die Wahl."
Es war ein furchtbarer Kampf, der in dem Herzen des finsteren, haßerfüllten Mannes entbrannte in diesem Augenblicke. Mit der höchsten Spannung hingen die Blicke der Versammelten an ihm, besonders die der beiden Liebenden. Wohlweislich war die letzte Klausel von dem Doktor, dem Menschenkenner, hinzugefügt worden, man wollte durch seine schlechten Eigenschaften ihn wider Willen Zu einem guten Werke zwingen: dem Gelds hätte derselbe vielleicht widerstanden, aber mit anzusehen, wie es der verhaßte Stiefbruder, der Hungerleider, einstrich, das würde ihm schwerer werden.
Und wirklich, — der Hebel faßte und schob und drängte, wenn auch der Scelenkampf länger dauerte, als man erwartet hatte. Nach einigen Minuten der athemlosen Spannung ballte der Finstere endlich die Fäuste, machte eine Bewegung, als schluckte er etwas hinunter und stieß ein kurzes: „Ich willige ein!" hervor.
Der Lieutenant hatte so viel Takt, sich weder zu bedanken, noch sich Helene Zu nahen; als diese sich
weinend zum Vater begab, stieß er sie rauh Zurück und wandte sich von ihr ab.
„Im Namen meiner Braut danke ich den lieben Verwandten für die Erfüllung dieses ihres Lieblingswunsches und erkläre, daß sie für die Aussteuer der jungen Leute Sorge tragen wird. — So wäre denn diese Angelegenheit, wie ich hoffe, zu Aller Zufriedenheit erledigt und erkläre ich, daß die Anweisungen auf jene Summen in den nächsten Tagen schon in Ihre Hände gelangen werden. — Ich danke Ihnen."
Wie ein Jammerbild stand Frida in der Fensternische und weinte fassungslos, trotzdem Karola lind der Vater sie zu trösten suchten — sie war übergangen, an sie hatte die Tante nicht gedacht.
„Ich habe nun noch eine andere Aufklärung zu geben," fuhr der Doktor fort, „die junge Dame, welche im vergangenen Herbst als Fräulein Wild einige Male hier in Ihrem Hause war, — sie kam hieher, um, eine Vergessene, sich ihrer Familie unerkannt zu nähern; jetzt, wo ihre Verhältnisse sich gebessert haben, sie Niemanden zur Last Zu fallen braucht — ist.unsere Verwandte Elisabeth Steinfnrt."
Abermalige tiefe Sensation!
„Sie hat Ihnen einige Erklärungen abzugeben, — ich bitte deßhalb, sie Ihnen zuführen zu dürfen."
Man war noch so erfüllt von dem Vorangegangenen, man kam aus den Ueberraschungen gar nicht heraus. Die Erinnerung an die junge Verwandte wirkte niederschlagend, peinlich; man hatte ihrer der Tante gegenüber niemals, auch nicht mit einem Worte Erwähnung gethan und jetzt schien es, als wäre sie mit dieser genauer bekannt. Ohne eine Antwort abzuwarten, verschwand der Doktor in der Thür und kehrte gleich darauf mit der etwas blaffen, überaus lieblichen Elisabeth zurück.
„Hier, meine Braut," sprach er, sie näher herzuführend.
„Seine Brautd ... war der Mensch verrückt!..."
Die Aufregung war plötzlich größer wie je. Erst sagte er, er sei mit der Erbtante verlobt, disponirte in deren Namen über Hunderttausende und in demselben Athem präsentirte er ihnen die unbekannte Verwandte als seine Brautd! . .. Das war ja die pure Verrücktheit... der Mensch war übergeschnappt, das Ganze eine abscheuliche, unwürdige Komödie, wenn das wahr war.
Aber schon beherrschte, wie vorhin die des Doktors, der Fremden klare, wohllautende Stimme das Durcheinander.
„Ich bitte mich nicht mit unfreundlichen Augen anzusehen und mir ein kurzes Gehör zu schenken," sprach dieselbe. „Vor Allem bitte ich meine lieben Verwandten um Verzeihung, wenn ich mir eine Täuschung ihnen gegenüber erlaubte, welcher nur die äußeren Umstände zur Entschuldigung dienen können."
Allmälig wurde es wieder still.
„Ich könnte sagen: ihr hattet es böse gemeint, Gott aber hat es gut mit mir gemeint," fuhr sie mit einem ernsten Aufblick fort. „Eine arme Verlassene, fand ich meinen mühsamen Weg durch die Theaterschule und über die Bühne, als Gesellschafterin nach England und Indien."
Wie man plötzlich aufhorchte!