Heft 
(1885) 35
Seite
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Die Erbtante von Johannes van Dewatl.

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spieler ihn gebrauchen, um sich stärker zu machen, und darüber gelegten Stoffen; den Turban mit den Schleiern hatte Marie hinzugefügt die Täuschung war eine beinahe vollkommene.

Gottlob!" sprach der Doktor eine halbe Stunde später, als er mit der Geliebten und Marie wieder allein in deren Stube saß,das war ein harter Strauß; ich freue mich, daß er ausgesochten ist."

Zärtlich schlang die Glückliche ihre Arme um seinen Hals.

Nun erst bin ich frei wie neu geboren! Nun will ich aufleben und das da verbrennen, da­mit ..."

Halt, Grausame! eine Wittwenverbrennung?!" rief Marie mit drolligem Pathos . ..ist das der Dank!"

Auch in des Doktors Auge trat ein schelmischer Schein.

Marie hat Recht. Ich aber habe eine Bitte: ehe wir das da zur Ruhe bringen" hier deutete er ebenfalls auf die Ueberbleibsel seiner Tante mußt Du mir dieselbe erfüllen."

Jede, welche Du willst!" rief Elisabeth enthu­siastisch.

So erscheine mir noch einmal als Tante Karoliue."

Und nenne ihn einen langen Thunichtgut!" rief Marie dazwischen.

Elisabeth wurde plötzlich ernst, schlug erst die Augen nieder und sah dann bittend zu dem Bräuti­gam aus.

Gut es sei!" sprach sie, als Jener schwieg, mit einem Seufzer,zum letzten Male!"

Nach einer Weile durfte der Doktor wieder herein­kommen. In der halbdunklen Ecke lag auf dem Divan eine plumpe, seltsame Gestalt. Jetzt bewegte sich dieselbe, jetzt sprach sie, mit tiefer, rauher Kehl­stimme.

Bischt Du das, mein Neffe? ... llolln, Zivs

Schauerlich entsetzlich! mich überläuft eine Gänsehaut," sprach der Doktor, während Marie lachend die Hände zusammeuschlug, so komisch sah der Doktor aus. Dann trat dieser aus die Tante Zu und ergriff ihre Hand.

Das ist dieselbe kleine Linke, welche mir da­mals schon auffiel, die hätte leicht zum Ver- rüther werden können."

Oll uo!" stöhnte diese und sah ihn an mit ihren großen Augen hinter den Schleiern hervor.

Unglaublich!" rief der Doktor zurückfahrend.

Und jetzt, zur Strafe dafür, daß Du mich schauerlich findest ich wuill, daß Du mir gibst ein Kiß."

Dabei richtete die Tante sich plötzlich auf und fiel ihm lachend um den Hals. Es war ein gar seltsames Gesicht, welches der gestrenge Herr schnitt, als das Monstrum ihn an ihr drahtenes Herz drückte, aber er wußte sich zu helfen, mit geschickten Händen löste er die Schleier und nahm den Turban herunter von dem dunklen Haar der Geliebten und küßte sie

trotz der Schminke und der entstellenden Drahthülle nach Herzenslust.

Zum großen Erstaunen mancher der Anwesenden erschien an demselben Abend ein gewisses Fräulein Wild am Arme des Doktors und daneben Fräulein Werner in dem Konzertsaale auf der Terrasse.

Sapperlot, ist das nicht die junge Dame, mit welcher ich im vergangenen Herbst bei Steinfurts ge­tanzt habe?" fragte ein großer, hübscher Kavallerie­offizier einen kleineren, mageren Kameraden.

Bei meiner armen Seele, das ist sie," versetzte der Kümmerliche, nachdem er scharf hinübergesehen hatte,die Andere ist die Suivante von Steinfurt's indischer Tante; weißt Du noch, das alte, verdrehte Frauenzimmer mit dem Goldfchmiedeladen, die uns Bruderschaft anbot?"

Dummes Zeug, Deine Phantasie geht zum Teufel!"

Verdammt nette Frauenzimmer! . . . Wollen wir nicht die Bekanntschaft erneuern?"

Wollen sehen .. . nachher, in der Pause."

Wie sie ihn anguckt mit Augen, den Doktor."

Hör' 'mal, die Sache kommt mir anrüchig vor, auf Ehre, ich glaube gar, das ist Braut und Bräutigam! Du weißt, ich habe eine verdammt feine Nase für so etwas."

Bei meiner armen Seele, Du hast Recht... schauerlich!" bestätigte der Kleine,daß wir uns Die haben vor der Nase wegschnappen lassen!"

Achtunddreitzigstes Kapitel.

In den nächsten Tagen kamen von England die Abschriften der Dokumente. Nachdem Elisabeth ihre Relation beendet hatte, übergab sie das Alles ihrem Onkel Konrad, ebenso erfolgten die Anweisungen auf das Geld. Erst dann feierte man öffentlich die Verlobung durch ein solennes Diner im Hotel Bellevue.

Man war dort, äußerlich wenigstens, ein Herz und eine Seele. Als der Wein erst die Köpfe montirt hatte, verflieg sich der böse Onkel aus der Vorstadt sogar zu einer Rede und zwar zu einer höchst selt­samen, indem er die alte und die junge Erbtante leben ließ.

Die junge Erbtante bedankte sich für Beide und brachte zur größten Ueberraschung vieler An­wesenden, namentlich etlicher von Egon's Kameraden, ein Wohl aus auf das andere verlobte Paar: den Lieutenant und Helene.

Schauerlich! ... bei meiner armen Seele!" brummte der Kümmerliche.Nun verlobt sich der Kerl auch!"

Der Kommerzienrath schien angesichts der zweimal- hunderttausend Thaler den Hader mit den von Stein­furts ein wenig vergessen Zu haben, er stand bereits in Unterhandlungen wegen Ankaufs einer dritten Fabrik, zwei besaß er schon, er nannte den Lieutenant hernach sogar seinen lieben Sohn.

Dieser und Helene aber strahlten vor Glück und Seligkeit.

Die beiden jungen Paare heiratheten an einem Tage, etliche Wochen später. Es gab da abermals