Heft 
(1885) 37
Seite
869
Einzelbild herunterladen

Kinder der Flamme von Günther von Freiberg.

869

Die korallenrothe Zunge des Hundes leckte kosend Mylords weiße, gepflegte Hand.

Unfroher und bleicher denn zuvor kehrte George Byron in den gothischen Saal zurück. Hier be­gegnete ihm Adonis Kaled, welcher auf den ver­stimmten Freund gewartet hatte. '

Noch nicht zur Ruhe?" sagte Byron schlecht- gelaunt Zu dem rätselhaften Wesen, das ihm den Weg vertrat. Und mit einem kühlenGute Nacht" wollte er weiter.

Aber mit einem bis zur Raserei gesteigerten Schmerzenslaut warf sich der in Ungnaden entlassene Günstling vor die Thüre und sperrte mit seinen Armen den Ausgang.

Tödte mich, George, tödte mich," hauchten die zuckenden Lippen,nur behandle mich nicht länger mit diesem eisigen Hohn! Erwürge mich mit Deinen Händen, da ich Dir so unerträglich geworden bin!"

Mein Fräulein," antwortete Mylord, einige Schritte zurücktretend,haben Sie die Güte, mich mit Ihren Szenen zu verschonen."

Sein Antlitz blieb regungslos wie Marmor, aber ach! schön, wie von Praxiteles gemeißelt.

Sie können freilich nicht ohne solche Auftritte leben," fuhr er in derselben unerschütterlichen Weise fort,Sie find in Ihrem wahren Elemente, sobald Sie außer Rand und Band sind."

Die verkleidete, zu Tod beleidigte Brünette zerriß ihr Taschentuch vor Empörung.

Haben Sie das Tuch vorher geprüft und es morsch genug gefunden?" fragte der unbarmherzige Gebieter" der excentrischen Favoritin.

Da, sehen Sie nur. . . sind Sie befriedigt?" Außer sich, an allen Gliedern bebend, schleuderte Flora Gordon das Tuch von sich.Siehst Du den Blutfleck darauf, Unmensch? Ist Deine wahnwitzige Eitelkeit befriedigt, nun ich die galoppirende Schwind­sucht habe?"

Halt, Miß Gordon!" gebot Byron, indem er die wilde Schöne nicht gerade sauft beim Handgelenk faßte.Diese Komödie lasse ich mir nicht gefallen, das geht zu weit."

Seine Augen schleuderten Blitze; Flora bebte unwillkürlich zusammen. Daß Mylordfürchterlich" im Zorn sein konnte, wußten Alle, die in seiner Nähe lebten.

Schwindsucht!! bah!" lachte ingrimmig der überlegene Achilles dieser tobsüchtigen Amazone.Sie haben einfach die schlechte Angewohnheit, mit Ihren zum Verzagen scharfen Zähnen zu knirschen, sich die Unterlippe zu zerbeißen; dabei sprang wie gewöhnlich ein Tröpfchen Blut heraus; übrigens, mein Fräulein, sind Sie gesund, kerngesund, keine Ihrer Thorheiten schadet Ihnen, keine verschafft Ihnen die heißersehnte Modekrankheit. Ihr Weiber seid alle vom Katzen­geschlecht. Wagen Sie es daher nie, mich als Ihren Henker, ja, nicht einmal als Ihren Verführer zu be­zeichnen, es möchte Sie gereuen."

Seine wegwerfende Art und Weise diente ihrem fort und fort gedemüthigten Trotz zum Sporn.

Mein Verführer?!" entgegnete sie im selben schneidenden Tone mit denselben halb zugedrückten Augen und dem spöttischen Achselzucken,nein, My­

lord, nein doch; wir Frauen warfen uns ja Ihnen an den Hals. Sind Sie's zufrieden, daß ich den Muth habe, es im Namen all' Ihrer Opfer einzu­gestehen? Pardon! Sie sind ja das Opfer, Sie, von Natur ein Joseph, ein Cato hahaha! dem wir tolle Mänaden blindlings nachjagten, Fallstricke legten."

Ich dächte, Fräulein Furie, wir hätten uns gegenseitig nichts vorzuwerfeu."

O, nicht das Mindeste," erwiederte sie mit überreizter Lustigkeit, den Kopf in den Nacken werfend.

Denn Sie hatten längst mit dem ,Zelotenthum' Ihrer Familie gebrochen und die Meinung der Welt kühn von sich gewiesen, bevor ich die Ehre hatte, Ihnen vorgestellt Zu werden."

Bevor ich um Ihre Gunst bettelte, Mylord Apollo, sagen Sie es nur getrost! xourguoi vous geosr? Sagen Sie es frei und frank, daß ich eine Närrin war, in Männerkleidern um Ihre Gunst zu buhlen, monatelang ihre Despotenlaunen zu ertragen, von einem Ihrer Blicke, einem gnädigen Lächeln lebend, um zuletzt mit dem künstlichen Aufflammen eines aus­gebrannten Herzens fürlieb zu nehmen!"

Dieß hatte sie mit großer Bitterkeit, aber mit weniger Vehemenz geäußert, ja, in den letzten Worten zitterte eine solche Wehmuth, daß Byron's Herz ein von Natur äußerst weiches, nur scheinbar verhärtetes Herz zu schmelzen begann.

Kurzsichtiger! Frauen dieser Art zu trauen! Diese ringellockigen, tückischen Geschöpfe stammen von Lilith, Delila und Circe ab! O, freilich standen dieser unbändigen Flora süß überredende Töne, ja Thränen sogar, rührende Thränen zu Gebot, sie wußte, daß es nur etwas reizender Demuth und kleidsamer Zerknirschung bedurfte, um selbst einen übersättigten Liebhaber stets von Neuem zu gewinnen. Gleichzeitig aber hielt sie stets den giftigen Stachel bereit, um sich gelegentlich für erlittene Schmach und Unbill zu rächen.

Kaum sah sie die drohende Wolke von Mylords Stirne verschwinden, so zischelte sie boshaft nach wohlberechneter Pause:

Ergeben wir uns in unser Geschick, wir elenden Zertretenen ... dulden wir fort und fort die Fuß­tritte Eurer Herrlichkeit; eine zweite Mary Chaworth wird uns rächen!"

Das traf, kein Parther konnte seinen Todes­pfeil sicherer vom Bogen schnellen.

Mary! Donnerwort, welches kaum vernarbte Wunden aufriß und Gräber bloßlegte. Mary! Un­seliger Name, vor dessen Klang Lord Byron erblaßte wie ein Vergifteter, die Sprache, ja, fast die Be­sinnung verlor!

Triumphirend blickte Flora auf ihn, der wie vom Blitz getroffen schwankte und mit Anstrengung beide Hände an eine Stuhllehne klammerte, um nicht zu­sammen zu brechen.

Aber schneller, als Flora es vermuthet hatte, ge­lang es George, sich Zn beherrschen, mit grenzenloser Verachtung blickte er auf Diejenige, die sich an seinen Qualen weidete, und sagte tonlos:

Miß Gordon, Sie sind unweiblich, Ihnen fehlt Güte; dieß verurtheilt Sie, dieß trennt uns."