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Barden', womit George seine Gegner siegreich niederdonnern will, — das ist subjektivste Lyrik mit Herzblut getränkt:
,BciId dumpf, bald krampfhaft' —
leider ist es so... aber kann's so bleibend Wo soll's hinaus mit dieser Unruhe, dieser Leidenschaft und fortwährenden Gährung?"
Kopfschüttelnd, liebevolle Besorgniß im Blick, trat May's Geliebter näher an das Lager, worauf sein schöner, Herzkranker Freund in unruhigem Halbschlummer lag. Wie vornehm und edel, aber ach! wie tieftraurig war das marmorblasse Antlitz im Schatten der Gardine!
Lord Byron's Aeußeres zu beschreiben, wäre überflüssig; wer hätte nicht seine Züge im Gedächt- nißd Thorwaldsen modellirte den feinen, ovalen Kopf dieses britischen Apollo Musagetes, Thomas Philipps malte ihn; Kopieen der Büste, Stiche und Photographieen nach dem berühmten Porträt sind über den Erdkreis verbreitet. Seine ungewöhnlich großen Augen und langen, dunklen Wimpern, die schwellenden Lippen und perlengleichen Zähne galten einzelnen Beobachtern nicht für echt männlich, — aber diese Beobachter verstehen sich nicht auf den Jdealtypus der Griechen: nicht immer sind die Heroen von Hellas bärtig und athletisch; Perseus, Jason, Meleager, Hektor sind zart und schlank gebaut, sind bartlos und von lieblicher Schönheit. Die Behauptung, Byron's Seele sei weiblich gewesen, ist richtiger. „Jedes Genie ist halb weiblich," sagt der feinbesaitete, scharfsinnige Fürst Pückler-Muskau mit Bezug auf seinen Lieblingsdichter, den Schwan von Newstead-Abbey.
Das stille Mitleid, das Charles in jenem Augenblicke mit dem frühreifen, schon übersättigten Kameraden empfand, steigerte sich zur höchsten Wehmuth, es kam wie Reue über den leichtherzigen Studenten: wochenlang hatte der Verliebte an nichts als an sein „Maiblümlein" gedacht und darüber den bleichen Freund nicht nur vernachlässigt, sondern vergessen.
Unwillkürlich neigte er sich wie abbittend über George und berührte leicht mit den Lippen die dunklen Locken des Schläfers. „Du Armer, im
Herzen Vereinsamter!" sprach er weich.
Ein schmerzlicher Seufzer antwortete ihm, wie aus gebrochenen Augen schaute George ihn an, faßte seine Hand und sagte mit halber Stimme, fast flehend:
„Bleibe bei mir Charlie, — bleibe!"
„George, «wärest, ich bin ja so gern in Deiner Nähe! Aber Dir ist nicht wohl, — Du fieberst wohl gar ein wenig d" stieß Charlie ängstlich heraus, indem er sich auf den Rand des Bettes niedersetzte.
„Mir ist wohl nun Du kamst," versetzte Byron, sich in den Kissen aufrichtend; „die Larven fliehen vor Dir, wie die Eumeniden vor Phöbus' Strahlen."
„Sag' mir, By' —"
„O, ich bin vollkommen bei Besinnung, nicht einmal krank bin ich, und hatt' ich einen Rausch, so verschlief' ich ihn... Ah, gib mir ein Glas Wasser zu trinken . .. wär's doch der Trank des Ver- gessens, den Ogier, der Däne, hinunterstürzte. . .
Charlie, dieser Ekel vor dem Leben, wann werd' ich ihn überwindend! Zwanzig Jahre alt und nicht mehr genußfähig, gelangweilt und dennoch zermartert von glühendsten Begierden, die sich in mein Innerstes hineinbohren und beißen wie züngelnde Schlangen!"
Mathews war von jeher an diese Krisen von Ueberreiztheit und Abspannung gewöhnt, dennoch lag für ihn etwas Unheimliches, Aengstigendes in des Freundes Blicken und Accenten.
„Du schonst Dich zu wenig, George," sagte er beschwichtigend. „So lange diese Auftritte zwischen Dir und Kaled fortbestehen, so lange wirst Du Dich elend fühlen. Dir böses Blut machen, das Leben hassen und Dein Licht unter den Scheffel stellen."
„Die Gordon?" zuckte Byron auf, „beim Himmel, die Hab' ich längst wieder vergessen —"
„Aber Du hattest Dich aufgeregt, Dich unnütz ereifert und erhitzt.. . Glaubt ihr, daß man euch im Spielzimmer nicht Hörted Mit größter Mühe gelang es mir, Deine Gäste in eine hitzige Debatte über Ober- und Unterhaus zu verwickeln, so daß Jeder seine eigene Anschauung zu verfechten hatte und abgezogen ward von eurer laut hin- und herdröhnenden Szene."
„Dieses tolle Geschöpf ward mir zum Fluche —"
„By', Du gehst entsetzlich mit ihr um . .. gestatte, daß ich es sage."
„O," lächelte der Lord matt, „ich bin's gewohnt, von meinem Charlie unverzuckerte Wahrheit zu hören, von Dir und von Scrope Davies! Wehe dem Dritten, der mir sagte, was ihr zwei Gesellen mir täglich vorleiert!"
„Nun denn."
„Ei, so rede doch."
„Immerhin bleibt Miß Gordon ein Weib, wenn auch in Männerkleidern."
„Sieh' da! Charlie plötzlich Flora's Anwalt, und ihr standet doch bisher auf Kriegsfuß!"
„Wir verabscheuen uns gegenseitig, tout simxle- msut."
„Sie war von jeher rasend eifersüchtig auf Dich."
„Eben deßhalb dauert mich das wilde, heißblütige Geschöpf, sie leidet unbeschreiblich, und Du thust Alles, um ihre Qual zu steigern: Du widersprichst ihr, verhöhnst sie im Kreise Deiner Kumpane. .. Du, freundlich und human zum letzten Deiner Knechte!... Muß ich Dich daran erinnern, George,
bo^, wie ergriffen Du warst, als die brillante Flora Gordon — in meinem Zufälligen Beisein — ihr wundervolles, nachtschwarzes Haar abschnitt, um Dir in Pagentracht auf Deinen Ausflügen zu folgen, ohne den Verdacht Deiner Mutter zu erregen? . .. Sie wollte Dein Sklave werden, zum Schemel Deiner Füße dienen, in der Erniedrigung das Höchste finden... Mußtest Du dieß buchstäblich nehmend"
„Freund meines Herzens, höre mich an," sagte lebhaft der Angeklagte, „keineswegs will ich mein Unrecht beschönigen; 's ist überhaupt meine Art nicht, mich weiß zu brennen; Charlie, Du mußt mich nehmen, wie ich bin: Brandfackeln Hab' ich im Kopfe, Kieselsteine im Herzen und glühende Kohlen unter den Füßen! Dabei von einem verteufelten Widerspruchs-