Kinder der Flamme von Günther von Frciberg.
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geiste besessen, der mich zu frevlen Behauptungen und Handlungen hinreißt, die ich oft — o, wie gerne! — mit meinem Herzblut zurückkanste!... Ja, ich benehme mich gegen ein schwächeres Wesen un- ritterlich, ungastlich — unmenschlich! — mir zur Schande sei's gesagt! — Wie das kam? und wieso ich es offen und dennoch ohne Reue eingestehe? — Vielleicht wäre es doch zu erklären."
George Byron heftete den Blick sinnend zu Boden, als wolle er sich sammeln für ein Bekenntniß am Busen des verständigsten Freundes.
„Freilich," sagte er nach kurzem Schweigen, „freilich empfand ich eine bacchantische Berauschung, als die unbändige Leidenschaft eines verführerischen Trotzkopfes mich plötzlich sortriß wie eine Elementargewalt — sie hatte den richtigen Moment abgepaßt
— mein liebebedürstiges Herz flog ihr schnell und unbedacht entgegen — ich glaubte in einem Taumel mein Dürsten und Lechzen zu stillen — ich, an hoffnungsloser Sehnsucht tödtlich erkrankt, ich, der ich mit einer unseligen, mich untergrabenden Liebes- fähigkeit Zur Welt gekommen bin! Mit neun Jahren liebte ich bis zum Delirium die süße, perigleiche Maria Duff aus Aberdeen, dann verlor ich im zwölften Jahre Schlaf, Appetit, Besinnung um Margareth Parker, und dann — dann war ich vierzehn Sommer alt und — o Mary! Mary Chaworth, mein Heller Morgenstern von Annesley!
— Sie lächelte über den Knaben und vermählte sich, unbekümmert um meine Zuckungen!"
Und der Erzähler knirschte mit seinen weißen Zähnen wie im Zorn gegen sich selbst und sein Schicksal.
Mathews hätte ihn gern verhindert, alte Wunden aufzureißen, gleichzeitig aber sagte er sich, daß es seinem Freunde Bedürfniß sei, Leiden wie Freuden am Halse eines Vertrauten auszuströmen.
„In meinen Träumen," fuhr Byron fort, „auf Märchenpfaden war ich oft einem verschwiegenen, treuergebenen Wesen begegnet, dessen große, dunkle, pathetische Augen fremd und kühl auf Jedermann ruhten und nur wetterleuchteten, wenn mein Blick sie traf! Meine Feuerphantasie schuf einen trotzigen, verschlossenen Knaben, der auf einen Wink des Gebieters zum süßesten Weibe ward. Flora's romaneske Erscheinung bestärkte diesen Wahn. Ich umwob sie mit einer Glorie, sah in ihr eine Heroine, welche sich auslehnt gegen die Heuchelei unseres Landes, gegen eingefleischte Prüderie und Bornirt- heit — Sie ist die Hälfte, die dir gefehlt, sagt' ich mir, — sie ist eine großangelegte, geniale Natur, welche einzig mir genügen kann, eine Titanide in einem Sylphidenkörper; ich Narr mit meinen idealen Anforderungen!! In ihrer schneeweißen Brust pochte nur ein Muskel, aber kein Herz. Wo ich eine Seele vermuthet, sah ich mit Entsetzen ein Chaos von Lüge, Sinnlichkeit, Unvernunft, Jntriguensucht, Bosheit. Sie verhetzte mich mit euch Allen, — wenigstens versuchte sie's — und bekam Ohnmächten und Krämpfe, sobald es mißlang und ich ihr Spiel durchschaute. — Mich quälen, mich zu reizen bis auf's Aeußerste — darin schwelgt sie. Flora ist der inkarnirte Dämon der Zwietracht, des Müßig
gangs, der Ueppigkeit, des Unfugs. — Am Hofe eines Nero, eines rassinirten Heliogabals wäre sie als Favoritin an ihrem Platze gewesen — dann hätte sie täglich zwei Jungfrauen getödtet, um sich in ihrem rosigen Blute zu baden und sich ewige Jugend anzueignen, und ihre Cyperkatzen wären zu Vestalinnen eingesetzt worden — an Aberwitz und Grausamkeit hätte sie ihre cäsarischen Buhlen übertroffen!"
„Du malst mit krassen Farben, George, und dennoch mag es nicht übertrieben sein. . . gesteh' ich doch, daß auch mir öfters bei Flora eine Cäsonia, eine Aktäa und Schlimmeres einfiel... So mache ein Ende — Zerreiße diese Fessel!"
Byron schwieg und schien um eine Antwort verlegen. „Kann ich sie kalten Blutes verstoßen?" wendete er mit erschöpfter Stimme ein. „Meinetwegen brach sie mit ihrer ganzen Familie."
„Aber wohin sollen eure ewigen Szenen führen?"
„Zur — Versöhnung," warf der Lord im bittersten Tone der Selbstverachtuug hin und lachte herzzerreißend aus. „Siehst Du, äoarest, das ist der Fluch solcher Verhältnisse: man ist aneinander geschmiedet wie Galeerensklaven, welche sich gegenseitig Pest und Tod aus den Hals wünschen und nicht los von einander können. — Schmach und Schande! Ich thue ihr alles Herzeleid an, ich demüthige sie vor euch, aber — meine Jugend, mein heißes Blut bedarf ihrer — und dennoch —"
„Nein, nein, George: ein Ruck und Du bist frei. . . oder —"
„Was stockst Du?"
„Oder Du hast unbewußtes Gefallen an diesen Küssen, denen tausend Dolchstiche vorangingen, wie mau seine Lust an vereinzelten Rosen hat, die man einem Dorngestrüpp abtrotzen muß."
„Wär' ich sonst ein Byron, wenn ich nicht aus Widersprüchen bestünde?" seufzte der junge Lord. „Verlangst Du vom Sohne meines Vaters Einsicht und Weisheit, Lebensklugheit und Ergebung? — Ueberdenk' ein wenig die Annalen meiner Familie: vehemente Katastrophen, Exzesse, Abnormitäten, sogar vertuschte Verbrechen. Wir könnten die Borgias von England heißen! — Wer gab mir je ein gutes Beispiel, wer schwang zur rechten Zeit die Zuchtruthe über meinen störrigen Nacken? — Als ich unter den traurigsten Verhältnissen zur Welt kam, hatte mein Vater meine Mutter bereits verlassen — was waren meine ersten Eindrücke? Die Zänkereien zwischen Mrs. Byron und ihren Dienstmädchen — täglich erlebte ich, daß meine Mutter vor Wuth ihre Kleider zerriß, ihre Shawls zerfetzte. Mich überhäufte sie entweder mit maßlosen Liebkosungen, redete mir ein, ich sei schön wie Kupido, könne mir die ganze Welt unterwerfen; oder sie verspottete und schalt mich auf das Grausamste wegen meines lahmen Fußes, mit dem ich durch ihre Schuld geboren wurde. Das machte mich wüthend, dann haßte ich sie, die mich unter dem Herzen getragen hatte, übersprudelte sie mit Gift und Galle. Einst warf sie mit dem Schüreisen nach mir und hätte mich getödtet, wäre ich nicht zu rechter Zeit ausgewichen!"
„Nun, jetzt wenigstens seid ihr in Frieden miteinander — "