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Deutsche Nornan-Si-liothek.

„Weil wir uns nicht sehen und nur pflicht­schuldigst miteinander korrespondiren. — Fehlen beim Weibe Geduld und Mitleid, so entsteht ein Zerrbild an der Stelle eines Meisterwerkes — genug davon! blutige Thränen löschen geschehene Dinge nicht aus."

— Byron's Stimme bebte, seine Hand zitterte in Charlie's Hand. „Es steht nun einmal geschrieben, daß ich Unglück haben soll — jeder Rettungsanker Zerbricht in meiner Hand, selbst derjenige der Freund­schaft!"

„George! Das ist Blasphemie! — George, sieh' mir in's Auge. — Was vermeidest Du meinen Blick? Ich beschwöre Dich —"

„Weil Du, Du vor Allen, ein Abtrünniger bist," rief der Aufgeregte fassungslos. „Denkst Du etwa, ich wüßte nicht, was Dich an Newstead-Abbey fesselt?! Deine Maikönigin, Deine Waldfee." — Er wendete sich weg von Mathews und drückte den Kopf in die Kissen.

„George!!"

„Ha, so blöde sind meine Augen nicht, um ge­wisse Dinge zu übersehen — Deine Zerstreutheit verräth Dich stündlich — Du bist so naiv verliebt, wie ein Schäfer des Monsieur de Florian. Keine Spur von Theilnahme für mich, den abgesetzten Pylades, blieb in Deinem bestürmten Busen zurück — Du fragst den Geier nach mir; lächle, wenn Du kannst, zu meiner Eifersucht, — nell, ich bin eifer­süchtig! — Aber größer noch ist der Kummer, daß Du, Charles, Du, gegen den wir Alle geistige Pygmäen sind, daß Du eine Liebschaft unter Deinem Stande ernst nimmst — o, ertrage auch Deinerseits ungeschminkte Wahrheit! — eine Liebschaft, welche Du Fleischer und Compagnie überlassen solltest!"

Charles unterdrückte eine heftige Entgegnung; er sagte nur kurzweg „Gute Nacht" und ging der Thüre Zu. Da rief George reuevoll:

„Charlie, mein Charlie, laß uns so nicht aus­einandergehen!" und er breitete die Arme nach dem Blonden aus.

Mathews kämpfte einen stummen Kampf mit sich selbst — er fühlte, Alles hing an einem Haar

— verharrte er in seiner Empfindlichkeit, so ging eine bisher heilige, felsenfeste Freundschaft in Trümmer.

„Charlie!" rief George abermals in vollster Zärtlichkeit, es klang wie Musik, dieser Stimme widerstand kein Sterblicher, Mathews sank dem Zauberer an die Brust, lautlos hielten sich beide Jünglinge umschlungen.

„Gewähre mir eine Bitte, George!"

„Was könnte ich Dir abschlagen, kair krlenck?"

„Laß uns morgen Abend nach dem Jägerhause gehen und dem Tanz Zuschauen."

„Plagt Dich der Teufel, Kind? Tanz und Pfänderspiel? Junge Dirnen, die nach Butterbrod riechen? Nein, Charlie, Alles, nur verschone mich mit solchen schandbaren Vergnügungen."

„Sei nicht böse," stürmte Charles, unbeirrt auf ihu ein, „sondern setze Deiner Großmnth die Krone auf und bringe mir das Opfer."

„Nein, nein!"

„Doch! Von Weitem nur sieh' mein kleines Mäd­chen, -- liebster, bester aller Menschen!"

„Nicht weiter, Charlie! — ich springe aus dem Fenster und breche das Genick, beharrst Du auf Deiner Forderung."

Aber Charles hielt den Unwilligen von Neuem fest an's Herz gedrückt, so fest, so innig, und bat so süß und überredend, bis George endlich nachgäb, seufzend und ungern, wie man einem verzogenen Kinde aus Schwäche, ohne Ueberzeugung zu Willen ist.

„Beneidenswertster," sagte er, träumerisch mit den geringelten Locken seines Günstlings spielend, „Du fandest, Du bist geborgen! Darf ich Dich schelten, daß Du nicht in Sterne verliebt bist, die sich im Wasser spiegeln? — Ich, der ich einer Chimäre nachjage, werde sie nie, niemals finden, in meinem Vaterlande gewiß nicht, kein nordisches Weib kann mir gewähren, wonach ich mich verzehre in brennen­dem Liebesdurste."

„Eine Südländerin, eine Orientalin würde Dich am allerwenigsten befriedigen. Du hegst Paschaideen, glaubst irrthümlich in sklavischer Hingebung Dein Ideal zu finden, wie bald würde Dich das lang­weilen. "

„So bleibt mir also nichts Anderes übrig, als Claret und Whiskey zu trinken, Hazard zu spielen oder vor Melancholie zu sterben!"

„Nein! Es steht in Deiner Macht, Dich mit dem Leben zu versöhnen."

„Wodurch? — Nenn' das Zauberwort!"

„Durch die Magie des Talentes," rief Mathews feurig, „schaffe einen Kaled, wie Deine Seele ihn träumt, — Kaled ohne Schlacken, dem Gebieter in entsagender und doch energischer Treue folgend, nichts für sich begehrend, nur in ihm aufgehend — könnte das nicht fchön werden, mein Poet?"

Der Lord zuckte die Achsel. — „Dichterruhm?" sagte er in seiner halb sinnenden, halb abschätzigen Weise, „was kommt dabei heraus? Höchstens eine schlechte Büste nach dem Tode des Sängers."

Jetzt fuhr Charles zornig auf.

„Dieß sagst Du nicht aus Ueberzeugung," tadelte er den Freund, „ebensowenig, wie Du Deiner eigenen Meinung bist, wenn Du Shakespeare verketzerst, Rubens einen,Farbenkleckser' nennst, Velasquez und Rafael nicht gelten läßt!"

„Gib mir," wendete Byron ein, „das Gemälde oder die Statue, welche nicht eine Meile hinter meiner Idee oder Erwartung zurückbleibt, und ich will voller Enthusiasmus den Künstler als Genie anerkennen — ist's meine Schuld, daß der Meister von Urbino griechische Philosophen statt orientalischer Apostel malte, daß der Hofmaler Velasquez auf einem Altarblatt Gott Vater das Antlitz eines er­grauten Premierministers gab? — Uebrigens weißt Du ja, Charlie," setzte Byron einlenkend hinzu, „daß ich ein chamüleonischer Stimmungsmensch bin: heute ist mir Plato a bors (ein tödtlich langweiliger Ge­sell), morgen vielleicht bewundere ich die Vornehmheit seines Geistes — nenne ich Shakespeare einen Bar­baren, so träume ich nicht minder davon, mich ein­mal in der Rolle seines Othello auszurasen. — Habe Geduld mit mir, amieus amioorum, mich fesselt nicht, was die Anderen dauernd fesselt, und es ist mir nicht möglich, mich in meine eigenen Versuche zu verlieben."