Kinder der Flamme von Günther von Freiberg.
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sorge für diese schönen Blumen, Du bist ihnen ja verwandt, mein Elfenknabe! Ich sende Dir einen Wagen, — das viele Reiten möchte Dir schaden, denn Du hustest schon wieder, — und da kannst Du den Strauß hineinlegen."
Bob führte den Rappen herbei; federleicht schwang sich George in den Sattel, noch Etliches zu den Zurückbleibenden sprechend. Er wußte, daß er zu Pferde prachtvoll aussah, und verweilte wohl absichtlich in so vortheilhafter Pose vor Thomas Moore, dem un- gehenchelte Bewunderung aus den Augen leuchtete.
„By, holla, noch einen Moment!" riefen die plötzlich herbeieilenden Kameraden Mathews, Wing- sield, Long und Harrison. Und sie umringten den jungen Reiter und zischelten ihm lachend Allerlei in die Ohren.
„Welch' eine eigenartige, bezaubernde Persönlichkeit!" sagte Moore unterdessen zu seinem Begleiter. „Soviel ich auch über den jungen Sonderling, Lord Byron, hörte, so ahnte ich doch nicht im entferntesten, daß er mir einen so hinreißenden Eindruck machen würde! Welch' eine Kühnheit im Urtheil, welche souveräne Verachtung für alles Gefälschte! Und welch' ein Kops: das ist der antike Bacchos, der Gott der höchsten Inspiration, unter dessen Tritten Reben und Asphodelus aufsprossen!"
Mochte das ungeheure Vergnügen, welches ein Autor empfindet, sobald einer seiner Kollegen getadelt wird, mochte dieß den irischen Anakreon für Byron besonders günstig stimmen, genug, Moore empfand ahnend, daß Byron einst eine Rolle in seinem Leben spielen würde. „Wenn Der es daraus anlegt," sprach er wie hellsehend vor sich hin, „so kann er uns Alle in den Schatten stellen, edler Wein muß lange gähren, bevor er sich klärt."
Eine gewisse feierliche Stimmung hatte sich seiner bemächtigt; Hoffnung, ja Zuversicht, das Vorgefühl baldiger Erfüllung versetzte ihn in eine Ekstase, die den phantasievollen Menschen oft mitten ans dem buntesten Treiben in höhere Sphären entrückt. Jegliches Vorurtheil schien überwunden; dunkel fühlte er die räthselhafte Gewalt, welche allmälig Herz zu Herzen zwingt, und fügte sich dem Zauberbann, welcher den Dichterseelen die schönste Gewähr ist für das Wunder der Verbindung von Diesseits und Jenseits.
„Wohlan, so laßt sie kommen," lächelte Byron vom Pferde herab, „da sie nach eurer Aussage eine wirkliche Sibylle ist; denn ich bin abergläubisch wie Rousseau, Napoleon und Andere mehr."
Sechstes Kapitel.
H a n t a s in a g o r i a n a.
Aus einen Wink von Mathews näherte sich eine fremdartig gekleidete Frau; das kurze, mit Hieroglyphen bestickte Gewand, der Kapuzenmantel ans scharlachrotherWolle kennzeichnete die irischeZigeunerin; ein qualmendes Thonpseifchen, dieses unzertrennliche Attribut der Zixsios, hielt sie in der Linken. Das Gesicht war noch jugendlich; Züge von edlen Verhältnissen gaben ihm eine gewisse Vornehmheit; lange, nachtschwarze Wimpern milderten das Stechende des Blicks; nur die gelbe Hautfarbe, die Härte des
finsteren Lockenhaares gaben dem Weibe etwas Wildes, Unheimliches. Uebrigens schien sie ermüdet und ließ sich gewissermaßen bitten, Byron's innere Handflächen zu betrachten.
„Sage mir Alles," ermuthigte sie der Lord, „auch das Unangenehmste. Ich will unumwundene Wahrheit hören."
Stillschweigend, mehr gleichgültig, als lauernd, beschaute die Prophetin im rothgleißenden Mantel die zwei weißen Jünglingshände, die sich ihr entgegenstreckten, nicht allein ihre inneren Linien, sondern die Finger ebenfalls, das Handgelenk, die Verzweigung der Adern. Daraus lächelte sie geheimnißvoll, mit ihren weißen kleinen Zähnen kokettirend, und sprach bedächtig:
„Blanker Herr auf dunklem Rosse, nicht am feinen Tuche Eures Habits, nicht an der schön gefältelten Wäsche und dem Weichen Leder der Stiefeln erkenn' ich es, daß Ihr von hoher Geburt seid — nein, an diesen edelschlanken Händen, an den kleinen Ohren, an der Haltung des Kopfes! — Das stolze Zucken der Mundwinkel sagt: ich bin meiner Mutter einziger Sohn, ihr einzig Kind überhaupt. Die etwas breiten Kinnbacken deuten auf Despotismus.
— Der Karneolring an Eurem Finger ist kein Liebes- pfand."
Eddlestone erröthete sanft; er hatte seinem Gönner den einfachen Ring zum Geburtstag geschenkt.
„Denn die Liebespsänder tragt Ihr verborgener," setzte die Wahrsagerin mit blinzelnden Augen hinzu.
Nun färbten sich Mylords Wangen dunkelroth. Wer konnte dem Weibe verrathen haben, daß er Mary Chaworth's Miniaturporträt an einem schwarzen Bande auf der Brust trug?
„Geduld, blanker Herr, Geduld! — Zuckt nicht so geringschätzig die Achsel!" Starr blickte sie in Byron's rechte Hand. „Euch ist ein Königreich aufbewahrt! — Heil, Heil dem blanken Herrn! — Aus einer weiten Reise findet Ihr das Diadem!"
„Kolossaler Nonsens!" stieß der Lord heraus.
„Und es wird die Rede von Euch sein und Euer Bildniß wird die Häuser Eurer Unterthanen schmücken, im alten Europa, jenseits des großen Wassers, im heiligen Lande Jndra's!"
„Was sie da zusammenfaselt!" machte Byron mit einem Seufzer.
„Euer Szepter ist eine Vogelseder — unterschätzt sie nicht! — Gold — Macht — Zauber! — An diesem Szepter hängt Alles! — Ha, nehmt Euch in Acht vor Eurem siebennndzwanzigsten Jahre
— das ist verhängnißvoll — mehr noch das siebenunddreißigste! — Ihr habt Glück bei den Weibern wie wenig Männer auf Erden, seid Ihr erst König, so habt Ihr sie Alle — dem Hasse, der Verfolgung werdet Ihr deßhalb nicht entgehen!"
Die Augen der Zigeunerin erweiterten sich mehr und mehr, Byron vermochte nicht, sie auszulachen, ein Etwas in ihren Accenten zwang ihn, zuzuhören.
„Man wird Euch fluchen, Euch vertreiben, doch die Besseren werden Euch segnen und Euch die Verbannung Zum Paradiese machen! — Reisen, reisen
— weite Horizonte — kein Haus, kein Herd genügt Euch — die Welt ist Euch zu enge! — Mehr
