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Deutsche Noman-Oibliothek.
„George, bist Du des Teufels, willst Du Dir das Sumpffieber holen, hier an dem verdammten Unkenteich?" zeterte Hobhoufe dem visionären Träumer zu.
Dieser starrte ihn fremd an, ohne sich von seinem Sitz unter den Jasminzweigeil zu erheben.
„Potz Blitz," rief Wingfield, „die Elfen haben ihn behext, er kennt feine Spießgesellen nicht mehr!"
„So danke uns wenigstens," lachte Eduard Long, „daß wir Deinen Hengst einfingen, der trabte herrenlos im Forste umher; fast fürchteten wir, Du seist ale- berauscht vom Pferde in den Teich hineingetorkelt."
„Ich träumte den schönsteil Traum meines Lebens," sagte Byron schwärmend.
„Träum' ihn in Deinem grünen Himmelbette bei Kamillen- oder Fliederthee weiter, sonst möchte ein Hexenschuß —"
„Hobby," unterbrach der jäh entthronte König von Atlantis, „seit wann bist Du meine Amme?" Schon hatte er den Fuß im Bügel, gab dem Rappen die Sporen und jagte davon.
„Er hatte ein Stelldichein unter diesem sentimentalen Blütenbaum," meinte Long. „Nun, kehren wir nach dem Jägerhänschen zurück?"
„Warum nicht? Mathews tanzt wie ein Kreisel, machen wir ihm Konkurrenz."
(Fortsetzung folgt.)
st erwo
Roman
von
Zrrtiirs Grosse.
(Fortsetzung.)
ine Gruppe fremder Gesichter und barocker Gestalten wurde sichtbar. Zuerst ein alter, fragwürdiger, einäugiger Herr mit unrasirtem Bart und lederfarbenem Gesicht. Auf dem fadenscheinigen Frack trug er wirklich einige Medaillen und aus der hohen Halsbinde lugten ein paar zerknitterte Vatermörder. In der großknochigen Hand hielt er ein volles Glas und mit der andern beschrieb er phantastische Gesten. Das war also Herr Jakouschin, der abgesetzte Steuerbeamte, der seinerzeit den Feldzug mitgemacht hatte.
„Aber Frau Nadja, liebe, goldenste Frau Nadja," sagte er mit weichstem Tremolo, der zu dem sonoren Organ seiner Frau in komischem Kontrast stand, „wo bleiben Sie denn. Wir geben uns die Ehre, ihr liebes Engelskind zu feiern, die kleine Annuschka, das Püppchen, sie soll leben, leben soll sie. Also kommen Sie, kommen Sie."
Ich trat zwischen die Bedrohte und ihn, der wankend hereintrat, aber Frau Werotschka kam mir zuvor.
„Scher' Dich hinaus, Väterchen," rief die robuste Ehehälfte, indem sie ihn zurückdrängte, „das ist nicht der rechte Ton heut. Wir sind gebildete Leute, Gos- podin," sagte sie, zu mir gewendet. „Nun, Frau Nadja," flötete sie dann weiter, „kommen Sie doch, man kann nicht immer weinen. Lassen Sie dem kleinen Engel seine Ruhe. Der liebe Herrgott hat das Kind wieder Zu sich genommen. Und so ist's gut. So ein armes Würmchen ohne Vater ist doch immer verlassen auf der Welt. Da sind noch Kränze und Blumen von Jablonski unten, vom Lichtzieher. Die Leute meinen's alle so gut mit Ihnen. Kommen Sie, es sind viele Freunde da. Uns gehört das bischen Leben noch, da muß man vernünftig sein."
Frau Nadja hatte sich hinter den Tisch geflüchtet, auf dem der Sarg stand, und lag mit gebeugtem Haupt und ausgebreiteten Armen über ihrem Liebling.
„So lassen Sie doch die Trauernde in Frieden, Frau Jakonschin," sagte ich, „ehren Sie ihren Schmerz."
„Und ob wir ihn ehren, hochwohlgeborener Herr!" rief die Alte. „Es ist ja nur der Nachbarn halber, daß man ihre Aufmerksamkeit ästimirt. Mein Gott, wenn das arme Würmchen vom Weinen wieder lebendig werden könnte, wie gern wollten wir Alle mitjammern. Aber ich sehe schon, die Freundschaft und Güte wird wieder nicht anerkannt. Wir sind ihnen nicht vornehm genug, das wird's sein. Aber Sie, Herr General, schenken uns doch die Ehre."
„Mit Vergnügen und sogleich. Kommen Sie," sagte ich, entschlossen, auch dieß Opfer zu bringen, um der peinlichen Szene ein Ende zu machen.
Noch auf der Schwelle wandte sich Frau Werotschka um. „Na, mein Täubchen, heute mag es noch so hingehen, aber morgen werden andere Saiten aufgezogen, meine Beste. Alles zu seiner Zeit — Rosen und Stachelbeeren — Alles zu seiner Zeit. Was wollten Sie denn machen, mein Püppchen, wenn wir Sie ans die Straße setzten. Und könnten es doch so bequem haben, mein Engel, haben so liebe Beschützer, so vornehme Freunde, und doch so blind und so undankbar; du liebe Zeit, was haben wir nicht Alles zusammengetragen. Spick und Schlick, Last und Rast, Gutes und Schlimmes; nun, man wird's auch noch lernen, wie die Docken zu ziehen sind."
Ich drängte die Rücksichtslose hinaus, damit die. Aermste ihre verletzenden Worte nicht mehr hören sollte.