Heft 
(1885) 39
Seite
917
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Kinder der Flamme von Günther von Freiberg.

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Wie können Sie lachen in diesem Thale der Thränen und der Sünde?" sprach hinter den harmlos Vergnügten eine pathetische Stimme.

Allgemeines Erschrecken, allgemeines Verstummen.

Eine dunkel gekleidete Dame, nornenhaft majestätisch, stand plötzlich unter den Hellen Gestalten, neben den bunten Geranium- und Rosensträuchen. Dieser An­blick hatte geradezu etwas Versteinerndes, so ernst und streng war der Ausdruck des marmorharten Ge­sichts, welches, trotz schneeweißer Locken, noch die Glätte gut konservirter Jugendlichkeit Zeigte.

Es war Lady Mowbray, die Bekehrerin, eine Frau von Krüdner nach englischem Zuschnitt.

Lord Oxsord hatte sie unter die Veranda hinaus­begleitet.

Liebe Medora," sagte mit affektirt leiser Stimme die feierliche Erscheinung, indem sie aus vielen grauen Schleiern ihre Hände der juwelengeschmückten Lady Oxford entgegenstreckte,ich ersuche Dich und Deinen Gemahl um ein Viertelstüudchen Gehör, länger will ich nicht stören; ich weiß, ihr habt immer Gäste, seid in Anspruch genommen, ja, sogar am Sonntag, hört' ich sagen, empfangt ihr Gesellschaft."

Lady Oxford begrüßte etwas befangen die Saum- nachschleppende, welche sich bei dem sonst klaren, be­sonnenen Schloßherrn durch tausend Künste ein- geschmeichelt hatte und ihm als Orakel diente.

Von Nancy, Edward und Sir Thomas Lawrence nahm sie weiter gar keine Notiz, worüber das Trio glückselig war.

Lord und Lady Oxford führten ihren Besuch in das schöngetäfelte Bibliothekzimmer zu ebener Erde; hier fand wenigstens Phöbe Alice Mowbray nichts zu tadeln, sie duldete den Anblick der Bücher und der Büsten griechischer Klassiker, während sie in den übrigen Empfangszimmern die Gemälde von Rubens und Gainsborough, die Statuen von Canova und Dannecker .,8boellmZ" fand. Seit ihr bei einem Hofdiner ein dürftig bekleideter Amor aus Zuckerkand von der Höhe eines Baumkuchens herab ans den calvinistischen Busen gefallen war und sich hartnäckig an die Brüsseler Spitzen geklebt hatte, während alle Anwesenden an unterdrückten Lachkrämpfen fast er­stickten und der Prinz von Wales vernehmbar kicherte: So rächen sich entthronte Götter!" seitdem verurtheilte Mylady insbesondere die Plastik, ob diese in Marmor, Erz oder Traganth sichtbar wurde.

Achtes Kapitel.

Z p i n n iv e t> e ü.

In banger Erwartung blickte Lady Medora auf die schmalen Spitzen ihrer Pariser Schuhe nieder, nachdem sie nebenLady Mehlthau" auf dem Ruhe­bette Platz genommen hatte. Mancherlei Sorge ängstigte die scheinbar vom Schicksal hoch Begünstigte; kam Arthur, ihr leichtsinniger Liebling, von London, wo sein Regiment stand, nach Oxfordhall hinaus, so geschah es stets, weil er Geld brauchte. Je nach­sichtiger die schöne Stiefmutter, desto strenger be- urtheilte der Vaier die Streiche seines Sohnes. Letzteren hatte Lady Mowbray über die Taufe ge­halten, als sie noch eine sehr weltliche Salonkönigin

war und auf den sashionablen Maskenbällen zu Vauxhall in den gewagtesten Phantasiekostümen erschien. Nun sie als Seelenretterin, Bilder- und Statuen­stürmerin auftrat, ließ sie keine Gelegenheit vorüber, den lustigen Gardeoffizier als verlorenen Sohn hin­zustellen.

Lady Medora's gesunder Sinn empörte sich gegen solches Verfahren, besonders schmerzte es sie, den Ge­mahl gegen den einzigen Sohn unduldsam zu sehen; es schien ihr mit Recht ganz falsch, gewisse Thor- heiten für ernste Vergehen zu nehmen. Sie bemühte sich fortwährend, die Kluft zwischen dem eifernden Lord und dem jungen Rebellen auszugleichen, allein von Tag zu Tag fühlte sie sich dieser Aufgabe weniger gewachsen.

Während sie schweigend vor sich hinsann, ver­handelte Lady Mowbray eine geschäftliche Frage mit Lord Oxsord, den die fromme Wittwe gelegentlich um Rath fragte.

Schon begann Medora leise zu hoffen, der Kelch werde für dieses Mal an ihr vorübergehen und die Jeremiade eontr^ Arthur über allerlei Projekten in Vergessenheit gerathen.

Schon athmete sie erleichtert auf und zählte in Gedanken die Augenblicke bis zum Rückzug der Grauverschleierten, als dieselbe sehr sanft und ge­lassen die alte Weise anstimmte:

Meine theuren Freunde," hauchte Lady Phöbe, an welcher nichts mehr der sonnigen Bedeutung des mythologischen Vornamens entsprach,geschieht es denn mit eurer Genehmigung, daß äarUng Arthur sich den Rittern zum Todtenschädel gesellte?"

Medora, immer dem ersten Impulse folgend, lachte hell aus.

Zum was? Zum Todtenschädel? Hahaha! Das klingt ja nach Beaumont's und Fletscher's Dramen, nach dem ,Ritter mit der brennenden Mörser­keule' klassischen Andenkens."

Dieß vertrug Phöbe Alice Mowbray nicht. Sie setzte sich in Positur wie Miß O'Neil in der Rolle der Shakespeare'schen Königin Margarethe und sam­melte sich zu einer würdevolleil Erwiederung.

Beide Frauen verkörperten gleichsam in jenem Augenblick das Licht und den Schatten ihres Heimat­landes: Lady Mowbray grau verschleiert, von schwer­wogenden, starren Stoffen umgeben, die Intoleranz; Lady Medora, in der Farbe goldenen Lichtes, den Humor, dieses mächtige Gegengewicht geistiger Stagna­tion, was einengöttlichen" William, einen Butler, einen Swift und ihre Nachfolger hervorrief.

Wehe Dir, Medora," seufzte Phöbe, die Schleier in obligate Trauerfalten schüttelnd,wehe Dir, wenn Du Blasphemie durch Gelächter ermuthigst!"

Aber so erklären Sie doch!" ries ungeduldig der Herr vom Hause.

Sie hörten, verehrter Freund, Sie hörten ohne Zweifel vom berüchtigten ,Franziskanerorden'?"

Allerdings," gab Lord Oxsord noch ungeduldiger zurück.

Aber mir ist dieß Alles t-orra iimogillta," protestirte Medora, deren veilchensarbene Amethyst­agraffen förmlich feurige Blitze sprühten.

So setzen Sie Ihre Gemahlin, dieß tändelnde,