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Deutsche Roman-Bibliothek.
wohnen, immer Schooßkinder bleiben, immer bambino genannt werden, sogar nachdem sie sich, unter finanzieller Kontrole der Eltern, verheirateten. — Laß mich nun Arthur nach dem Grund seines Besuchs fragen."
„Sei nicht allzu streng mit ihm und vergiß nicht, daß es außer einem Gotte des Gewissens auch einen Gott der Gnade gibt," sagte Medora lieblich, woraus der Lord sie beruhigte und ihr wiederholt, wie ein Liebhaber, die Weichen Locken, die Hände küßte. Darauf Zog er an der Klingelschnur. Augenblicklich erschien ein alter Kammerdiener in gepuderter Perrücke. „Ich wünsche," gebot Lord Oxford, „den Lord Arthur ans meinem Zimmer zu sprechen."
Lautlos, wie er gekommen, entwich der Diener.
„Darf ich eurer Unterredung nicht beiwohnen?" fragte Medora.
„ Es würde Dich unnütz aufregen und die Sache kompliziren," meinte der Gemahl, der ihr seinen Arni bot, sie in die Vorzimmer znrückzuführen, und sich auf die galanteste Weise von ihr verabschiedete.
Medora war sich wohlbewußt, daß ihre Macht über den Willensstärken Mann eine begrenzte war, somit fügte sie sich seinem Wunsche; gegen Lady Mowbray aber schmiedete sie innerlich Rachepläne. Das Herz schlug ihr gewaltsam unter den seidenen Schleifen und Amethysten.
Nicht geringer war die Aufregung, in welcher Lord Arthur, „der verlorene Sohn", die Scharlachteppiche der Korridore und Galerieen überschritt, an den blühenden Topfgewächsen vorüber in das Studio seines Vaters eilend. Schulden einzugestehen, noch obenein Spielschulden, — hochpeinliche Ausgabe! und dazu eine donnernde Philippika anhören! Gelindes Grauen durchbebte den jungen Garde-Ulanen, aber dießmal war die Summe, deren er dringend bedurfte, so bedeutend, daß sich sein Ehrgefühl sträubte, bei der unerschöpflich liebevollen Charitas, bei Lady Medora, wiederum Hülfe zu suchen. „Den Kopf wird's ja nicht kosten," tröstete er sich.
Gleichzeitig betraten Vater und Sohn das gediegen prächtige Studierzimmer, von dessen dunklen Wänden sich gute Bilder der englischen und französischen Schule hell abhoben.
Wer den Schloßherrn eine Minute früher neben seiner Gemahlin erblickt, würde ihn jetzt kaum wieder erkannt haben, so verändert schien er, indem sein Blick mißbilligend den schlanken, helläugigen Sohn vom Scheitel zur Sohle maß. Es gehörte Arthur's Leichtherzigkeit dazu, um vor diesem drohenden Anblick nicht alle Fassung zu verlieren.
Lord Oxford nahm aus einem Lehnsessel Platz. Mit kurzer, befehlender Handbewegung wies er Arthur ein Tabouret, worauf der Erbe von Oxsordhall sich niederließ.
„Arthur," begann der Lord finster, „nicht kindliche Liebe pflegt Dich in den Kreis der Deinigen hinauszuführen, Du erscheinst nur, wenn Du in Geldnoth bist. Schweig'! Deine Thorheiten gelten ja für fashionable bei den Kameraden, Dein schwacher Charakter beugt sich vor jedem tonangebender! Narren; überdieß ist der governor nur dazu da, um Schulden zu bezahlen, und die väterliche Autorität wird bei
der Whiskeybowle zum Popanz herabgezerrt. Indessen Alles hat seine Zeit, auch Langmnth erschöpft sich. Ah! kommt Dir dieß unerwartet? Lebst Du so ganz in's Blaue hinein und weißt Du nicht, wie gerechte Väter ungerathene Söhne bestrafen? Nur ein Wort brauche ich Deinem Regimentskommandeur zu sagen, und im Umsehen bist Du nach Indien versetzt oder auf ein fernes Eiland im Weltmeer. Die Aussicht, Dich nach meinem Tode doppelt schadlos zu halten, dürfte Dich keineswegs trösten: ich kann Dich enterben und auf ein Pflichttheil setzen."
Arthur erblaßte, er stammelte eine unzusammenhängende Entgegnung. Wohl kannte er seinen Vater als strengen Zuchtmeister, doch in so unbeugsamer Haltung hatte er ihn lange nicht gesehen.
„Und nun nenn' mir die Summe rundweg; wehe Dir, wenn Du mir einen Sixpence verschweigst, den Du während der letzten sechs Wochen aus dem Fenster warfst!"
Wie glühende Kohlen brannte es unter den Füßen des jungen Offiziers. Gern wäre er aus dem Fenster in die Blumenbeete hinabgesprnngen.
„Nun, wie lange soll ich warten?"
„Oovei'iwr, ich verspreche heilig und thener — ich bitte dringend, fußfällig um —"
Arthur wollte die Kniee des erzürnten Vaters umfassen, Lord Oxford aber hinderte ihn daran mit gebieterischer Geberde und sprach:
„Nichts da, — ich hasse melodramatische Effekte in meinen vier Wänden."
Eine Pause entstand. Die prachtvolle Pendüle aus Goldbronze und Emaille tickte durch die Stille; unten im Garten plätscherte eintönig der Wasserstrahl des Springbrunnens.
„Es ist sehr heiß und drückend in diesem Raum," seufzte Arthur, sich aus einer Karaffe Wasser in ein Glas gießend. Er wäre lieber in den Bleikammern Venedigs, als in seines Vaters Studio gewesen; alle Angst, die er je daselbst ausgestanden, lebte in seinem Gedächtniß auf: wie manches Mal hatte Lord Oxford von dem nämlichen Lehnsessel aus dem zitternden Knaben Strafen angekündigt, wie oft war der kleine Arthur mit Thränen im Auge aus dem gefürchteten Zimmer hervorgegangen.
Damals wie heute glitten seine Angen mechanisch über die Gemälde an den Wänden, über zwei Nymphen von Thornhill, welche kühl und ausdruckslos auf ihn herabschauten. Der Erbe von Oxfordhall verabscheute diese Gemeinplätze in Farben. Trost war ihm nur ein herrliches, leuchtendes Porträt seiner Stiefmutter von Girodet; unter einem tief in die Stirn gesetzten Blumenkranz blitzten ihre Augen ihm Muth und Hoffnung zu.
„Deine Verlegenheit," nahm Lord Oxford von Neuem das Wort, „läßt auf das Schuldbewußtsein neuer Exzesse schließen."
Arthur trat der Angstschweiß vor die Stirne.
„Eovornor / stieß er kleinlaut, mit niedergeschlagenen Augen heraus, „ich verlor an einein einzigen Abend sechshundertundfünfzig Pfund, da ich —"
„Arthur, das ist nicht möglich," sagte der Lord eiskalt, „durch Fabeln willst Du mir Geld er--